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Obsessiv.  Caroline (Martina Gedeck) leidet unter einer schweren Herzkrankheit. Durch eine erfolgreiche OP wird sie zurück ins Leben geworfen und muss sich ihm neu stellen.

© BR

Tv-Drama mit Martina Gedeck: Wild at Heart

Das österreichische Drama „Herzjagen“ ruht ganz auf Martina Gedeck, die eine herzkranke Frau spielt.

Manchmal, wenn sie träumt, da sieht sie sich im Astronautenanzug durch das Weltall schweben, völlig schwerelos. Dabei ist dieses laute Pochen zu hören, das Pochen ihres Herzens. Dann schreckt sie hoch. Caroline Binder (Martina Gedeck) hat ein chronisch krankes, schwaches Herz. Alles, was sie macht, macht sie langsam.

Den Beruf als Architektin hat sie lange schon aufgegeben. Caroline hat sich in dieser Langsamkeit eingerichtet, und ihr Mann auch. Sebastian Binder (Rainer Wöss), der sich um vieles kümmert in dem modernen individuellen Einfamilienhaus in Wien, das Caroline noch selbst entworfen hat. Doch nun ist alles anders: Caroline muss operiert werden. Herzspezialist Doktor Hoffmann (Anton Noori) rät ihr im Krankenhaus dringend dazu.

Caroline ist hin und hergerissen: Einerseits möchte sie leben, möchte gesund sein, andererseits hat sie Angst vor der Operation und zögert. Erst sagt sie ohne Wissen ihres Mannes den OP-Termin wieder ab. Dann schließlich findet die Operation doch statt. Caroline wird ein neues Herz eingesetzt, Doktor Hoffmann ist der Operateur. Es ist der Moment, der alles verändern wird.

„Herzjagen“ ist ein unbequemer Film („Herzjagen“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15). Kein Mainstream, keine reine Unterhaltung. Das anspruchsvolle Drama, bei dem Elisabeth Scharang – nach Motiven des Romans „Herznovelle“ von Julya Rabinowich – für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, verlangt den Zuschauern einiges ab: ein Sich-einlassen-Wollen darauf, zuzusehen, wie diese Frau um die 50 erst für, und dann auf mitunter schräge Art und Weise gegen ihr eigenes Leben zu kämpfen scheint. Die schwere Herzoperation, der sich Caroline unterziehen musste, löst bei ihr ein postoperatives Trauma aus.

Sie wehrt sich gegen ihr neues Herz und somit gegen ihr neues Leben. So findet sie auch nicht mehr in ihr altes Leben zurück, in den Alltag, zu ihrem Mann Sebastian, mit dem sie seit 20 Jahren zusammen ist. Angstattacken, Nervenzusammenbrüche und zunehmende Isolation sind die Folge. Ihr Ehemann erkennt sie nicht mehr wieder, ihre Freunde vermissen die alte Caroline.

Wie sie sich im Bett zusammenkauert

Zudem entwickelt Caroline geradezu eine Obsession, dass sie dem Herzchirurgen Doktor Hoffmann nahe sein muss. Immer wieder lässt sie sich ins Krankenhaus einweisen und folgt dem Arzt überallhin. Es ist beinahe Stalking.

Einmal ist sie in der Wiener Innenstadt im Bademantel zu sehen, wie sie durch eine Fußgängerzone geht, da Hoffmann sich mit seiner Kollegin, der engagierten Psychiaterin Erika Pielach (Ruth Brauer-Kvam), trifft. Da wirkt diese Frau vollkommen verloren.

Martina Gedeck spielt das alles aus: die alte Hoffnung und die neue Angst, die charakterliche Veränderung dieser Frau, die vor dem operativen Eingriff eine Andere war und die Orientierung in ihrem neuen Leben nicht findet.

Dabei gehen Regisseurin Scharang und Hauptdarstellerin Gedeck bewusst durchaus an Grenzen – wie sie sich das Gesicht im Krankenzimmer blau und weiß anmalt, durch die Gänge streift und in einem dunklen OP-Raum über die Geräte streift, bis Doktor Hoffmann informiert wird und sie sich vor ihm auszieht. Er habe sie operiert, nur er könne ihr helfen, ihm müsse sie nahe sein.

Oder: Wie sie sich im Bett zusammenkauert, als Besuch da ist, die Bettdecke über den Kopf zieht, zu singen anfängt und alle, Freunde und ihren Mann, mit ihrem für die Gesunden absonderlichen, nicht mehr nachvollziehbaren Verhalten vor den Kopf stößt und vergrault. Oder: Wie sie das Essen, dass die Schwiegermutter (Inge Maux) ihr zuhause zubereitet, erst trotzig stehen lässt und anschließend versteckt, das Schnitzel unterm Sofa, die Kartoffeln in der Sitzritze des Sessels.

Es ist dieser erratische Trotz, den Martina Gedeck nuanciert ganz ausspielt, ein Trotz gegen ein neues Leben, ein Trotz gegen Veränderungen. Das hat manchmal beinahe etwas Kindliches, etwas Verspieltes, so, als sei diese gestandene erwachsene Frau in ihrer inneren Entwicklung plötzlich um Jahrzehnte zurückgefallen. Es ist, natürlich, auch Lebensangst.

Am Ende des unorthodoxen Fernsehfilm-Dramas „Herzjagen“ – von Kameramann Jörg Widmer in kühlen, klaren und oftmals dunklen Bildern kadriert –, das fordert, bisweilen vielleicht auch verstören mag, steht die große Frage, was man aus seinem eigenen Leben macht. Gibt man der lähmenden Angst in einer schweren existenziellen Situation nach? Oder wagt man etwas? Geht vielleicht neue Wege?

Es ist die sympathische Psychiaterin des Krankenhauses, Erika Pielach, die abends mit Caroline auf dem Dach sitzt. Im Dunkeln reden sie. „Sie können sich entscheiden, ein neues Leben zu beginnen“, sagt die Frau im weißen Arztkittel. „Ich lebe wie unter einem Glassturz, verstehen Sie“, erwidert Caroline der Ärztin. Und die sagt: „Und was ist, wenn Sie den Glassturz anheben?“ Nach dem Gespräch wird für beide alles sehr anders sein. Denn beide Frauen stehen vor einer Wegesgabelung. Caroline wird sich entscheiden.

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