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Riesenparty. 1999 kamen 1,5 Millionen zur Loveparade nach Berlin.

© rbb/Tilman Brembs

TV-Dokus über das Techno-Fest: Lieben und Leiden auf der Loveparade

Von den wilden Neunzigern bis zur Tragödie von Duisburg: Zwei gegensätzliche Dokus über die Loveparade laufen auf ARD und Arte.

Wenn eine langjährige Beziehung tragisch endet, verblassen die guten Zeiten fast zwangsläufig hinter dem bitteren Schluss. Ähnlich verhält es sich mit der Loveparade. Die meisten Menschen dürften mit dem Begriff in erster Linie die Duisburger Katastrophe im Juli 2010 assoziieren. In Peter Scholls Dokumentarfilm „Loveparade – Als die Liebe tanzen lernte“ ist die Tragödie von vor zehn Jahren jedoch nur eine Fußnote.

Der Film konzentriert sich auf die Neunzigerjahre in Berlin , als der Umzug nach einem sehr überschaubaren Auftakt zu einem gigantischen Spektakel wurde, das im Sommer 1999 unglaubliche 1,5 Millionen Menschen anlockte.

Warum das Ereignis eine derartige Eigendynamik entwickelt hat, kann auch Scholl nicht wirklich beantworten. Selbst Menschen, die mit den stampfenden Technorhythmen nicht viel anfangen konnten, fanden das friedliche Treiben offenbar durchaus sympathisch.

Das gilt nicht nur für ältere Herren, deren Wohlgefallen angesichts der vielen spärlich bekleideten jungen Frauen nicht weiter verwundert. Matthias Roeingh (alias Dr. Motte) und Danielle de Picciotto sind anscheinend heute noch erstaunt, welche Dimensionen die einst von ihnen initiierte Veranstaltung schließlich erreicht hat.

Wiedervereinigung in Berliner Techno-Kellern

Einer der Zeitzeugen sagt: Als sich die Teilnehmer Anfang Juli 1989 zur Mittagszeit am Vorplatz vom Bahnhof Zoo einfanden, hätte man sie auch für eine Gruppe halten können, die auf den Bus wartet. Und wer weiß, was daraus geworden wäre, wenn sich nicht drei Monate später Historisches ereignet hätte.

Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hat sich vermutlich nicht nur für Wolfram Neugebauer (alias WolleXDP) aus Leipzig in den Berliner Techno-Kellern vollzogen.

Viel nackte Haut gehörten zu den Markenzeichen der Loveparade.
Viel nackte Haut gehörten zu den Markenzeichen der Loveparade.

© rbb

Es sind vor allem die Erinnerungen von Organisatoren und Teilnehmern, die den vom Schauspieler Benno Fürmann prägnant kommentierten Film sehenswert machen. Wobei die Bilder vom Techno-Karneval mit seinen zuckenden Leibern im Sonnenschein, erst auf dem Kurfürstendamm, dann auf der Straße des 17. Juni, sich allesamt ähnlich sehen, auch wenn Scholl einige amüsante SFB-Archivschätze ausgegraben hat. Allzu beiläufig kommt allerdings die Kritik an der Kommerzialisierung der Veranstaltung zur Sprache.

Der Loveparade ging es nicht anders als anderen Bewegungen, die im Untergrund beginnen und Mainstream werden. Irgendwann muss das Wachstum fremdfinanziert werden, was unweigerlich mit dem Verlust der ursprünglichen Unschuld einhergeht.

Wie ein Märchen aus längst vergangenen Zeiten

Scholl kombiniert klassisch zeitgenössisches Dokumentarmaterial mit heutigen Interviews; ein Streitgespräch zwischen den Repräsentanten der unterschiedlichen Positionen wäre womöglich spannender gewesen. Die unscharfen Aufnahmen aus den Neunzigern stehen zudem in merkwürdigem Kontrast zu den aktuellen Bildern. Als wäre die Loveparade ein Märchen aus längst vergangenen Zeiten – was im Grunde ja auch stimmt.

Das zeigt sich nicht nur im Epilog, sondern auch in einer von Arte fast zeitgleich ausgestrahlten Sendung. Mit ihrem Film „Loveparade – Die Verhandlung“ dokumentieren Antje Boehmert (Buch und Produktion) und Dominik Wessely (Regie) den Prozess gegen den Veranstalter und die Stadt Duisburg.

Das denkbar größte Kontrastprogramm

Bei der Tragödie 2010 – die Loveparade war nach einigen Krisenjahren ins Ruhrgebiet umgezogen – starben wegen eines Engpasses, der unvermutet zur Todesfalle wurde, 21 Teilnehmer; es gab über 650 Verletzte.

In Duisburg erinnert ein Kunstwerk an die Katastrophe von 2010, als 21 Menschen im Gedränge starben.
In Duisburg erinnert ein Kunstwerk an die Katastrophe von 2010, als 21 Menschen im Gedränge starben.

© WDR/Knut Schmitz/DOCDAYS Productions

Der gleichfalls neunzig Minuten lange Dokumentarfilm ist das denkbar größte Kontrastprogramm zu Peter Scholls Gute-Laune-Hommage: hier „Friede, Freude, Eierkuchen“ (wie das Motto der ersten Loveparade im Jahr 1989 lautete), dort das pure Grauen.

Eines der aufwendigsten Strafverfahren der Nachkriegsgeschichte

Wessely zeigt auch eine Szene aus einem Smartphone-Video kurz vor der Katastrophe. Die Partystimmung kippt, der Bildschirm wird schwarz, der Ton läuft weiter. Die Schreie gehen durch Mark und Bein.

Die Gedenkstätte für die Toten und Verletzten von Duisburg.
Die Gedenkstätte für die Toten und Verletzten von Duisburg.

© WDR/Knut Schmitz/DOCDAYS Productions

Filmisch ist die Chronik allerdings trockener Stoff. Wichtige Prozessmomente rekonstruieren Boehmert und Wessely, indem Sprecher die Dialoge nacherzählen, in einem riesigen leeren Saal. Das Landgericht Duisburg hatte die Hauptverhandlung eines der aufwendigsten Strafverfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte ins Düsseldorfer Kongresszentrum verlegt.

Ansonsten vernimmt man überwiegend Aussagen der Prozessbeteiligten (Oberstaatsanwalt, Richter, Gutachter, Vertreter der Nebenkläger). Das klingt wenig spektakulär; immerhin sorgen die Angehörigen dafür, dass es nicht allein um technische und juristische Details geht. Ein vollständiges Bild der Loveparade ergibt sich erst durch beide Filme.

„Loveparade – Als die Liebe tanzen lernte“ läuft am Mittwoch den 15.7. um 22.45 Uhr auf ARD, „Loveparade – Die Verhandlung“ ebenfalls am 15.7. um 22 Uhr auf Arte.

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