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Geraubte Kunst

© ZDF und Lupa-Film/Felix von Boeh

TV-Doku „Geraubte Kunst“: Vom Versuch, Ungerechtigkeit wiedergutzumachen

„Wir haben viel zu lange versucht, die Dinge unterm Teppich zu halten“ - eine 3sat-Doku über geraubte Kunst.

Die Holz-Skulptur „Drei Engel mit dem Christuskind“ hat es aus dem 15. Jahrhundert nicht ganz unbeschadet bis in die Gegenwart geschafft. Denn einem der Engel fehlt ein Flügel. Das wiederum war hilfreich, um die Skulptur als geraubtes Kunstwerk zu identifizieren. Sie war in einem Auktions-Katalog aus dem Jahr 1936 abgebildet, als die Sammlung des jüdischen Ehepaars Agathe und Ernst Saulmann für 40.000 Reichsmark versteigert worden war.

Seit vergangenem Jahr weist die Plakette unter der Skulptur im Berliner Bode-Museum die wahre Herkunft nach. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, seit 1999 im Besitz der „Drei Engel“, hatte sich mit den Saulmann-Erben auf eine Entschädigung geeinigt und darf sie nun weiter im Bode-Museum zeigen. Felix de Marez Oyens, der Stiefsohn von Agathe Saulmann, lobt dies als einen „ehrlichen Versuch, auch die schreckliche Ungerechtigkeit wiedergutzumachen, die unserer Familie widerfahren ist“.

Wie funktioniert die Erforschung der Provenienz, der Herkunft von Kunstwerken? Wie weit ist die Restitution, die Rückgabe der in der Zeit des Nationalsozialismus geraubten Kunst, vorangekommen?  Felix von Boehm und Constantin Lieb erzählen in ihrer knappen, aber informativen Kultur-Doku „Geraubte Kunst“ am Beispiel der Saulmanns vom Schicksal der verfolgten Eigentümer, von der Sammelwut der NS-Elite und von der mühseligen Kleinarbeit heutiger Provenienzforschung [„Geraubte Kunst“, 3sat, am Samstag um 19 Uhr 20].

Noch in den 1960er Jahren beschied das Auktionshaus der Saulmann-Tochter Nina, alle Kataloge und Unterlagen seien verbrannt. 2013 tauchten sie dann doch wieder auf und wurden an das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München übergeben.

„Reichsfluchtsteuer“ in Höhe von 140 000 Reichsmark

Und auch Florian Eitle-Böhler, der Enkel des Kunsthändlers Julius Böhler, der die Sammlung im Auftrag der aus Deutschland geflüchteten Saulmanns verkauft (und sich daran teilweise bereichert) hatte, stellte 2014 tausende Fotomappen und Karteikarten dem Institut zur Verfügung.

„Wir haben viel zu lange versucht, die Dinge unterm Teppich zu halten“, sagt Eitle-Böhler im Film. Allerdings bleibt noch reichlich zu tun, denn von den 200 Kunstwerken der Sammlung Saulmann wurde bisher nicht einmal ein Dutzend restituiert.

Die Autoren drehten unter anderem im Erlenhof in der Nähe von Pfullingen, in dem sich die Saulmanns seit Ende der 1920er Jahre mit einer Vielzahl von Kunstwerken umgeben hatten.

Der Schwabe Ernst Saulmann war Textilfabrikant, Hobby-Pilotin Agathe die Tochter des Berliner Architekten Alfred Breslauer. 1936 flohen sie unter dem Druck der Nazi-Verfolgung nach Florenz, später weiter nach Frankreich, wo sie während des Krieges im Konzentrationslager Gurs interniert waren. Alfred starb 1946 in Paris an den Folgen der Lagerhaft, Agathe kehrte 1949 auf den Erlenhof zurück, deren Rückgabe sie vor Gericht erstritten hatte.

Vom Erlös der Versteigerung ihrer Kunstwerke hatten die Saulmanns freilich nichts erhalten, weil das NS-Regime eine „Reichsfluchtsteuer“ in Höhe von fast 140.000 Reichsmark erhob. Der Anwalt und US-Diplomat Stuart Eizenstat, der 1998 die „Washingtoner Erklärung“ über den fairen Umgang mit Raubkunst initiiert hatte, spricht im Film von einem „kulturellen Völkermord“ durch die Nazis.

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