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Dieter Hanitzsch bekommt von der Stadt München den Ernst-Hoferichter-Preis für sein Lebenswerk verliehen.

© imago/Spöttel Picture

Trotz Antisemitismus-Vorwurf: München ehrt umstrittenen Karikaturisten Hanitzsch

Mit einer Zeichnung für die "Süddeutsche Zeitung" sorgte Dieter Hanitzsch für Protest. Nun soll er ausgezeichnet werden. Die Jüdische Gemeinde reagiert entsetzt

Auf den Internetseiten der Stadt München heißt es, dass mit dem Ernst-Hoferichter-Preis jährlich Künstler ausgezeichnet werden, die „Originalität mit Weltoffenheit und Humor verbinden“. Im Januar soll der Karikaturist Dieter Hanitzsch ausgezeichnet werden. Als Laudator wird der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude auftreten. Vorsitzender des Stiftungsbeirats, der Hanitzsch auserkor, ist Kulturreferent Hans-Georg Küppers.

In der Jüdischen Gemeinde der Stadt ist man entsetzt. Denn Hanitzsch hatte im Mai 2018 anlässlich des Siegs der israelischen Sängerin Netta beim „Eurovision Song Contest“ in der „Süddeutschen Zeitung“ eine Zeichnung mit Israels Ministerpräsident Netanjahu veröffentlicht, die der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle als „erschreckend“ bezeichnete.

Es hagelte Proteste, auch von Gemeindepräsidentin Charlotte Knobloch. Sie sei „zutiefst entsetzt und auch verletzt“, so wie sie dächten und fühlten „die meisten Juden in Deutschland“, sagte sie damals. Hanitzsch erwiderte, er sei sich keiner Schuld bewusst und bereue nichts. Die „Süddeutsche“ stellte schließlich die Zusammenarbeit mit ihrem Zeichner ein.

Dem Tagesspiegel sagte Charlotte Knobloch jetzt, dass die Auszeichnung für Hanitzsch „mehr als befremdlich und völlig unangemessen“ sei. Dessen Karikatur zum ESC sei „eine offene Absage an alle Werte“ des Ernst-Hoferichter-Preises. „Sie hatte gleich mehrere Motive des klassischen Antisemitismus zusammengeführt und damit eine Grenze überschritten“, so Knobloch weiter. Deshalb habe die „Süddeutsche“ damals „den einzig richtigen Schluss gezogen und die Zusammenarbeit mit Herrn Hanitzsch beendet“.

Als „besonders enttäuschend“ empfindet Knobloch, dass Kulturreferent Küppers den Preis als Stiftungsratsvorsitzender verleiht und der ehemalige OB Ude die Laudatio hält. „Mit dieser Preisvergabe erweisen die Beteiligten dem Engagement für ein gedeihliches Miteinander in unserer Stadt einen Bärendienst.“

Absehbarer Ärger

Dass die Entscheidung für Hanitzsch auf Unmut und Kritik stoßen würde, hatten Küppers und seine Co-Beiräte, zu denen auch Laudator Ude gehört, geahnt. Seine Sprecherin verschickte auf Nachfrage ein für diesen Fall vorbereitetes Statement des Kulturreferenten. Darin heißt es: „Selbst wenn die in Rede stehende Karikatur – die vielleicht nicht zu seinen gelungensten gehört – fehlinterpretiert werden kann, ist der Vorwurf, Dieter Hanitzsch sei ein Antisemit, auch mit Blick auf sein Lebenswerk, untragbar.“ Allerdings hatte kaum jemand Hanitzsch als Antisemiten bezeichnet, wohl aber seine Karikatur als antisemitisch.

Die Jury betont, dass Hanitzsch den Preis für sein Gesamtwerk erhalte. Die Frage, ob er nicht befürchte, mit der Verleihung des Preises an Hanitzsch die Juden erneut zu verletzen, ließ Küppers unbeantwortet.

Ex-OB Ude sprach von „einem sehr kleinen Kreis, der versucht, Druck auf die Stadtpolitik auszuüben“. Der Sozialdemokrat spielt damit auf eine nach seiner Einschätzung „straff organisierte Protestaktion“ einer Gruppe namens „Münchner Bürger gegen Antisemitismus und Israelhass“ an, die per Rundmail zum Protest gegen die Preisvergabe aufruft. Gemeindechefin Knobloch sei eine Getriebene dieser Gruppe. „Sie kann sich dem nicht entziehen, wenn sie ihre Gemeinschaft zusammenhalten will.“ Es handele sich um den „Versuch der Ausgrenzung und des faktischen Berufsverbots, der vollkommen überzogen“ sei.

Zwar habe Hanitzsch es seinen Kritikern mit seinem Festhalten an der Zeichnung nicht leicht gemacht, doch der Karikaturist „kann sich auch nicht jedem Rassismusvorwurf beugen, wenn er Erdogan kritisch zeichnet“, sagte Ude dem Tagesspiegel. Er kenne außerdem viele Juden, die sich in Briefen an Hanitzsch „von Empörungsritualen distanziert“ hätten.

Jan-Philipp Hein

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