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Götz George war acht Jahre alt, als sein Vater Heinrich in Sachsenhausen starb. Das Dokudrama „George“ mit Götz George in der Rolle des großen, aber auch umstrittenen Volksschauspielers gehört 2013 zu den Highlights des ARD-Programms. Foto: SWR

© SWR/Thomas Kost

"Top of the Docs": Die Wüste lebt

Über 9000 Stunden Dokumentationen und Reportagen: Die ARD will ihre Kritiker widerlegen. Diese hatten der Senderfamilie mit ihren Vorwürfen arg zugesetzt.

Über seine Kindheit hat Götz George nie reden, seinen Vater Heinrich nie spielen wollen. Allzu persönlichen Fragen von Sandra Maischberger, die am Mittwochabend im Meistersaal am Potsdamer Platz die ARD-Veranstaltung „Top of the Docs“ moderierte, wich der Schauspieler wieder einmal aus. „Als ich erfuhr, dass jemand eine Biografie über mich schreibt, sagte ich ,nur zu, dann ich muss ich solche Fragen nicht mehr selbst beantworten.“ Den anderen Grundsatz hat er hingegen aufgegeben. In dem Dokudrama „George“ macht er nun doch das, was er nie wollte: seinen eigenen Vater, den ebenso legendären wie umstrittenen Volksschauspieler Heinrich George zu verkörpern.

Für Volker Herres, den ARD-Programmdirektor, gehört der Film „George“, in dem neben Götz George unter anderem Martin Wuttke, Muriel Baumeister und Burghart Klaußner mitwirken, zu den absoluten „Highlights des Jahres“. Das dürfte allerdings auch für die Kosten der Teamworx-Produktion gelten. Sie konnte unter SWR-Federführung nur gemeinsam mit RBB, WDR, NDR und Arte gestemmt werden. Ins Fernsehen kommt „George“ im dritten Quartal.

Für Joachim Lang, der zusammen mit Kai Hafemeister das Buch schrieb und zudem Regie führte, ist „George“ ein Film über das Leben und Überleben. In den 20er Jahren gehörte Heinrich George zur politischen Linken, unter den Nazis wurde er zum Liebling von Propagandaminister Joseph Goebbels, der George die Intendanz des Schillertheaters antrug, „um so der Verkopftheit von Gustaf Gründgens etwas entgegenzusetzen“, wie es in einer Szene des Films heißt. Als Heinrich George 1946 im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen starb, war sein Sohn Götz erst acht Jahre alt. „Ich habe meinen Vater ja kaum gekannt, er war so gut wie nie da, das ist das Los der Schauspieler“, erzählte er am Mittwochabend dann doch noch etwas Persönliches.

Anlass für die Veranstaltung war die massive Kritik, die im vergangenen Jahr an der ARD und speziell dem Ersten laut geworden war. Zu viel Talk und Silbereisen, zu wenig seriöse Information, lautete sie – und der Stachel sitzt offensichtlich tief. Der ARD-Vorsitzende, NDR-Intendant Lutz Marmor, rechnete vor, dass im vergangenen Jahr 9092 Stunden an Reportagen und Dokumentationen in den ARD-Sendern liefen, umgerechnet auf den Tag ergibt das 25 Stunden. „Dokumentationen stehen im Zentrum unseres Auftrags“, legte sich Marmor ins Zeug. Allein im Ersten seien im vergangenen Jahr 300 Stunden Dokumentationen gezeigt worden, fügte der Programmchef an. „Jeden Tag findet der Zuschauer im Ersten eine knappe Stunde eines dokumentarischen Formats“, sagte Herres und kündigte an, dass es 2013 in etwa gleich viel wird.

Der Schauspieler und bekennende Dokufan – seit Walt Disneys „Die Wüste“ – Hannes Jaenicke ist in der ARD-Doku „Bruno, der Bär ohne Pass“ im zweiten Quartal einmal mehr als Umweltaktivist unterwegs. Die ARD will indes nicht nur possierliche Tiere vorführen. Der NDR ist Koproduzent des Dokumentarfilms „Töte zuerst“ über den israelischen Inlandsgeheimdienst. Produzentin Philippa Kowarsky erzählte in Berlin von den Schwierigkeiten bei der Recherche zu dem Film, der für einen Oscar nominiert ist und am 6. März im Ersten läuft. Anne Will verzichtet an diesem Tag sogar auf ihre Talkshow. Weiter geht es zudem mit den Reihen „Legenden“, „exklusiv“ und „Deutschland, deine Künstler“. Ebenfalls auf dem Programm: Biopics über Politiker wie den ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger und Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, der dieses Jahr 95 Jahre alt wird.

Die große Resonanz auf die Veranstaltung hat noch einen anderen Grund: Die ARD hatte im Herbst zum Ideenwettbewerb „Blickpunkt Deutschland“ aufgerufen. Für die besten Konzepte gibt es einen Sendeplatz zur Primetime im Ersten sowie Mittel zur Finanzierung. Monika Piel, die Ende Januar ihren baldigen Rücktritt vom Amt der WDR-Intendantin angekündigt hatte, gab am Mittwoch die Sieger bekannt. Dazu gehört die Doku „Betongold – Kaufrausch in Berlin“, die den Ausverkauf von städtischem Wohnraum behandelt. Die Dokumentation „Das gelobte Land – Deutschland provokant positiv!“ wagt einen ungewöhnlichen Blick. Das Projekt „Die Unsichtbaren – Jugendliche abgetaucht in Berlin“ will die Geschichte von jungen Juden erzählen, die vor 70 Jahren in den Untergrund gingen, um den Fängen der Nationalsozialisten zu entgehen. Einen Sendeplatz hat das Projekt nicht, dafür nun jedoch die Mittel, die Doku zu entwickeln. Das ist mehr, als andere Dok-Filmer sagen können.

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