zum Hauptinhalt
„Auf Leben und Tod.“ Auch im zweiten Teil am 16. Januar ist das Programm.

© NDR

Tier-Dokus: Fauna im Actionstress

Warum werden Tierfilme mit Musik überladen und sparen mit Informationen? Ein Beschwerderuf.

Der Leopard ist ganz nah, er versteckt sich, um nicht gesehen zu werden. Von den Antilopen, die er gleich angreifen will. Und schon rast er los, er kommt von rechts, in gewaltigen Sätzen streckt sich sein Körper, als wäre er aus Gummi, und auch die Antilope, längst auf der Flucht, scheint eher zu fliegen als zu rennen. Und der Zuschauer ist direkt dabei.

Unfassbare Bilder sind das fast immer, die in aufwendigen Tiersendungen in die deutschen Wohnzimmer gebracht werden. Bilder, die heranzuschaffen ein großer Aufwand ist und die eine gewaltige Anstrengung sind. Jahre dauert das mitunter, immer wieder reisen die Tierfilmer von hier nach da, schleppen Technik herum, bauen auf, bauen und warten, warten, warten. Was sie dabei Spektakuläres zusammentragen, wird zum Schluss aneinandergeschnitten, man will dem Zuschauer ja etwas bieten. Und dann kommt Text dazu – und nervenzerfetztende Musik. Tierfilme auf Primetime- Sendeplätzen werden fast immer als Actionstreifen inszeniert. Der Himmel weiß, warum. Damit sie gegen den Krimi im Nachbarprogramm ankommen?

Dröhnende Rasanzorgien

In den vergangenen Tagen ersoffen gleich zwei opulente Tiersendungen („Terra X“ im ZDF und der Dreiteiler „Auf Leben und Tod“ in der ARD) in Rasanzorgien aus dröhnendem Orchesterlärm. Jede Jagd ein Schmettern, als verfolge James Bond im Aston Martin das Böse. Das ist ganz überflüssig, und es ist auch total falsch, denn wenn Tiere jagen, ist das normal.

Dass das den Sendern und Produktionsgesellschaften nicht klar zu sein scheint, machen die gesprochenen Texte klar, die die kolossalen Bilder begleiten – und alsbald als kolossale Störung empfunden werden können.

Der Leopard, raunt der Sprecher ins anschwellende Orchestergestürm, „ist einer der effizientesten Räuber der Welt“. Dann springt das Tier los, erwischt die Antilope aber nicht. Sechs von sieben Angriffen gingen ins Leere, raunt der Sprecher. Hä? Effektiv? Egal. Die Musik braust, und nicht zum ersten Mal heißt es nun, bei der Jagd gehe es um Leben und Tod. Das sind doch keine Informationen! Kann sich jemand vorstellen, dass auf diesem Niveau über Fußball berichtet würde?

Warum kann man den Zuschauern nicht zu den Bildern etwas Interessantes über die Tiere mitteilen? Das geht. Die Dritten Programme machen es vor: in den Variationen der MDR-Zoo-Dokusoap „Elefant, Tiger & Co.“, die es unter anderem als „Panda, Gorilla & Co.“ im RBB, „Pinguin, Löwe & Co.“ (WDR) oder „Leopard, Seebär & Co.“ (NDR) gibt. Da wird mit ganz wenig völlig unpompöser Musik, aber mit viel Interesse fürs Tier seit Jahren wunderbar informiert und unterhalten. Die Tiere, wie groß, gefährlich, klein oder putzig auch immer sie sind, werden als Vertreter von Arten vorgestellt, die alle etwas Besonderes auszeichnet. Da wird kein Tier mit Soundeffekten zur spektakulären Killer- oder Überlebensmaschine aufgemotzt, die zeitlebens von einem Superlativ zum nächsten hetzt. Und so kommt bei Panda, Gorilla, Tiger, Pinguin und Co. der Zuschauer auch nicht ins Schwitzen, sondern er staunt und freut sich und vielleicht lernt er auch etwas über die Tierwelt, das über reißerische Platitüden à la „Es geht um Leben und Tod“ hinausgeht.

Unfair gegenüber den Tierfilmern

Nicht nur den Zuschauern gegenüber, auch gegenüber den Tierfilm-Crews, die größte Mühen investieren, um die Bilder zu bekommen, ist das blöde Spektakelsprech überaus unfair. Und falls den Zuständigen nichts einfällt, was man sinnvollerweise über die Tiere sagen könnte, dann sollen sie doch über die Filmtechnik berichten, die hinter den Bildern steckt. Denn auch die irrsten Optikeffekte nutzen sich ab, und dann wird’s vorm Fernseher – im Tierbild gesprochen – saulangweilig. Ariane Bemmer

„Panda, Gorilla & Co.“, RBB-Fernsehen, Donnerstag, 17 Uhr 05

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false