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Keinerlei Regeln der politischen Kultur.  Der Republikaner James Comey (Jeff Daniels, l.), Leiter des FBI, wird von Präsident Trump (Brendan Gleeson) wiederholt ins Weiße Haus zum Dinner bestellt. Der Machthaber will den obersten Polizisten vereinnahmen.

© dpa

„The Comey Rule“ auf Sky: Mobster und Staatsdiener

Streit um einen Insiderbericht: In der HBO-Miniserie „The Comey Rule“ gibt es einen Donald Trump erstmals im Spielformat.

Nachdem Donald Trump 2016 die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, wurde James Comey für das liberale Amerika zur Persona non grata. Viele warfen dem FBI-Chef vor, die Wahl mit den Ermittlungen gegen Hillary Clinton beeinflusst zu haben. Ein Jahr lang hatte die Bundespolizei die „E-Mail-Affäre“ untersucht. Als Außenministerin hatte Clinton ihren dienstlichen E-Mail-Verkehr über einen privaten Server abgewickelt – darunter auch als „top secret“ eingestufte Informationen.

Im Juli 2016 gab Comey bekannt, dass in den Ermittlungen zwar fahrlässiges Handeln, aber keine Rechtsverletzungen festgestellt werden konnten. Zwei Wochen vor der Wahl nahm Comey den Fall wieder auf, nachdem ein weiterer privater Computer mit Clinton-E-Mails gefunden wurde. Innerhalb kurzer Zeit war die Angelegenheit in den News. Für viele Demokraten war die Sache klar: James Comey, Mitglied der Republikanischen Partei, hatte die Neutralität seines Amtes verletzt und Trump zum Wahlsieg verholfen.

Turbulente Ereignisse rund um die Präsidentschaftswahlen 2016 und deren Nachwirkungen, die die USA bis heute immer weiter spalten – Stoff der vierteiligen Miniserie „The Comey Rule“, die am Montag passend zur US-Wahl auf Sky gestartet ist („The Comey Rule“, vier Folgen auf Sky).

Wie turbulent es bei der letzten Wahl zuging, zeigte sich ein halbes Jahr später. Am 9. Mai 2017 feuerte Donald Trump höchstpersönlich den FBI-Chef, nachdem dessen Ermittlungen um die Wahlmanipulationen Russlands sich auch gegen den amtierenden Präsidenten gerichtet hatten. Die HBO-Miniserie stellt den obersten Bundespolizisten, der sich auf beiden Seiten des polarisierten Amerikas gründlich unbeliebt gemacht hat, ins Zentrum seiner vierteiligen Erzählung.

Die Handlung setzt im Jahr 2013 ein, als Präsident Obama den Republikaner James Comey (Jeff Daniels) zum Leiter des FBI ernennt. Dies sei ihr erstes und letztes Treffen, stellt Obama gleich zu Beginn fest, weil die Unabhängigkeit der Bundespolizei für ihn höchste Priorität habe. Vier Jahre später, als Donald Trump (Brendan Gleeson) Comey wiederholt ins Weiße Haus zum Dinner einbestellt, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Der neue Machthaber will den obersten Polizisten gezielt vereinnahmen und fordert unbedingte Loyalität.

Er könne ihm „ehrliche Loyalität“ bieten, antwortet Comey diplomatisch, aber es ist klar, dass ein Mann wie Trump sich nicht damit zufriedengibt. „So reden Mobster“, sagt ein Kollege, als Comey ihm von der Unterredung erzählt. Die Vier-Augen-Gespräche zwischen Trump und Comey sind der dramatische Höhepunkt der Serie.

Gleeson, der als erster Schauspieler Trump im Spielfilmformat verkörpert, hat sein Sujet genau studiert. Diktion, Mundbewegungen und Gestik werden präzise imitiert, ohne die Figur als Karikatur darzustellen. Die Gefährlichkeit des Machthabers liegt im unberechenbaren Narzissmus, der sich an keinerlei Regeln der politischen Kultur gebunden fühlt. Trump könne ihn nicht feuern, sagt Comey, das würde ein schlechtes Licht auf ihn werfen.

Tragischer Held, der an der Nahtstelle zwischen Obama- und Trump-Ära

Vollkommen naiv wirkt diese Aussage aus heutiger Sicht, nachdem die Welt vier Jahre lang Zeuge einer Willkürherrschaft im Weißen Haus geworden ist, zu der eine Rekordzahl an Entlassungen gehört. Die Fehleinschätzung zeigt auch, dass Comey ein Staatsdiener alter Schule ist, der fest an die Wehrhaftigkeit der amerikanische Demokratie und ihrer Institutionen glaubt.

Serien-Creator Billy Ray, der als Drehbuchautor von „Captain Phillips“, „Die Tribute von Panem“ und „Der Fall Richard Jewell“ in Hollywood eine viel beschäftigter Mann ist, zeigt Comey als integre Persönlichkeit, die in die Mühlen der Geschichte gerät und schneller, als er es sich versieht, aus der Zeit gefallen ist.

Zunächst wirkt die Serie, die auf der Bestseller-Autobiografie Comeys beruht, wie eine unkritische Rechtfertigung, gewinnt aber bald an analytischer Tiefe. Der FBI-Chef wird als treuer Familienvater und aufmerksamer Chef dargestellt, der voll und ganz hinter seinem Amt und den Mitarbeitern steht. Auch sein Umgang mit der Clinton-E-Mail-Affäre ist dem Glauben an die Unabhängigkeit polizeilicher Ermittlungsarbeit von politischer Einflussnahme geschuldet.

Gerade vor einer Wahl habe das Volk das Recht auf ein rückhaltlose Aufklärung über das mögliche Fehlverhalten der Kandidatin, argumentiert Comey. Dabei verkennt er die Mechanismen der modernen Mediengesellschaft, in der Schuldvorwürfe sehr viel mehr Klicks bekommen als deren Entlastungen.

Hinter Comeys Haltung zeigt sich ein alter Ehrenkodex genauso wie die Selbstüberschätzung eines Mannes, der als einziger Aufrechter glaubt, über der politischen Eigendynamik der Ereignisse zu stehen.

Insofern ist James Comey ein tragischer Held, der an der Nahtstelle zwischen Obama- und Trump-Ära seinem moralischen Kompass folgte, aber auch Opfer eigener Fehleinschätzungen wurde.

Comey gerät in den Strudel einer Zeitenwende, und genau dieses Moment macht die Serie im Wahljahr 2020 so interessant. Denn hier wird noch einmal klar vor Augen geführt, wie stark Trump während seiner vierjährigen Präsidentschaft den Verfall der politischen Kultur des Landes vorangetrieben hat.

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