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Schieß mich tot. Lessing (Christian Ulmen) wird des Mordes verdächtigt. Aber seine Kollegin Kira Dorn (Nora Tschirner) glaubt an seine Unschuld.

© MDR/WiedemannBerg/Stephanie Kul

"Tatort" Weimar: Humordürre

Fern von jeder Ost-Aktualität: Der neunte „Tatort“ aus Weimar setzt aufs Panoptikum und gerät zur Krimiverarsche

Scherz, Satire und Ironie sind empfindliche Pflänzchen. Sie leiden auch an der Klimakrise. Trockenheit setzt neuerdings Humorblüten wie den Krimispielen aus Münster oder der „heute-show“ zu. Dass Humordürre nun auch beim Weimarer „Tatort“ mit dem Ermittlerpaar Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) Staub im Getriebe erzeugen würde, war nicht abzusehen. Aber es ist geschehen.

Der Abstand zu jeder Aktualität ist im neuen Film gewahrt, das Konzept des Weimarer „Tatorts“ will es so. Bloß nicht heran an östliche AfD-Bedrohung, Zukunftslosigkeit, Gefühle des Abgehängtseins. Lieber eine plumeauplottige Mordgeschichte mit 15 Jahren auf dem Buckel, lieber Beschäftigung mit einem bärtigen Schrottplatzbesitzer samt esoterischer Ehefrau (von vorgestern), einer durchgeknallten Stadttheaterschauspielerin (von vorvorgestern), einem naiven Polizeitrottel wie „Lupo“, dem „Streifenhörnchen“ (westdeutsches Mittelalter).

Dazu ein Dienststellenleiter mit ewig voller Hose, eine interne Ermittlerin, Frau Kern, blond, unverschämt, für ihre Filmumgebung undurchschaubar, für uns Publikum aber ein Klischee. Wir sehen es gleich: Nichts Mephistophelisches pudelt in ihr. Nur der Titel: „Die harte Kern“.

Entlastet von der Wirklichkeitsbeschreibung

Das von Menschen mit überwiegend westdeutscher Herkunft erdachte Konzept braucht dieses panoptikumoide Umfeld, um seine ironischen Muskeln spielen zu lassen. In solchem „Tatort“-Weimar lässt es sich bequem als Spötter sitzen, Medienkritik mit Sprachwitz und klassischer Allerweltsbildung üben, mit Thüringer Rostbratwürstchen und anderen vermeintlichen Rückständigkeiten spielen und den Krimi von der Last der Wirklichkeitsbeschreibung, besonders der Ost-Realität, entlasten.

Zugegeben, das war manchmal amüsant. Wenn man dabei war, wie die beiden Hauptkommissare Dorn und Lessing durch eine thüringische Kloß-Manufaktur und deren mörderische Kühlkammer tourten, wenn sich im „Tatort: Der kalte Fritte“ die Ermittlerin Kira Dorn undercover als Stangenkraft im „Chez Cheriechen“ vorstellte und der Bordellbetreiber sagt: „So, Mutti, jetzt zeig’ mal, was für ’ne Sau du bist. Sonst geht's zurück ans Bügelbrett.“ Der koloniale Blick des Westens meinte, dem Ostvolk aufs Maul zu schauen, und entdeckte sich selbst. Gemein, aber immerhin wohl amüsant.

Was aber, wenn wie im Fall der harten Frau Kern der Witz gänzlich ausfällt? Das in Drehbuch (Sebastian Kutscher, Deniz Yildizr) und Dialogen (Murmel Clausen, Andreas Pflüger) üppig aufgestellte Schreibteam bringt ihn nicht zustande. Geliefert wird eine windschiefe Geschichte, die mit reichlichen Rückblenden von dem Schrottplatzbesitzer Knopp (Heiko Pinkowski) erzählt, der einstmals eine Kunstsammlerin erschlagen hatte, aber nun dank eines falschen Kronzeugen freigesprochen wurde.

Lessing unter Mordverdacht

Als sich Lessing erneut an die Überführung des Freigesprochenen macht, wird Knopp ermordet. Die titelgebende Sonderermittlerin Frau Kern (Nina Proll), einst Geliebte des stets zaudernden Revierleiters (Thorsten Merten), setzt aber überraschend die Festnahme Lessings durch. Wegen DNA-Spuren wandert er in den Polizeiknast. Fälschlich, weiß der Zuschauer aus tausend Krimis. Richtig: Lessing-Partnerin Kira und das treue „Streifenhörnchen“ Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey) werden ihn herausholen.

Ob in der haftbedingten Filmhandlungsabwesenheit, in diesem dramaturgischen Retiro, Darsteller Ulmen Zeit hatte, sich ein paar Gags und Tiefsinnigkeiten auszudenken? Leider nein. „Hör’ mal zu, Schnecke, das war ein Schrottwitz, und damit kenn’ ich mich aus“, sagt der Schrottplatzbesitzer.

Wir Publikumsschnecken erkennen betrübt: Bonn ist nicht Weimar, aber seit wann ist Weimar Kalau?

Satte Selbstrefenzialität

Die Regisseurin Helena Hufnagel bemüht sich vergeblich, die dünne Geschichte mit einem skurril gammeligen Transporter und grenzdebil naiven Ausbrüchen einer Eso-Tante (Julika Jenkins) sowie hysterischen Eitelkeiten einer sich selbst überschätzenden Schauspielerin (Katharina Marie Schubert) aufzumöbeln. Aber gegen die satte Selbstreferenzialität des Genres Krimiverarschung kommt sie nicht an.

Man kann auch sagen, wer es nicht besser kann, sollte sich nicht über die Plattheiten und Einfallslosigkeiten des Genres erheben. Gibt es aus dem Osten nichts Besseres, auch Witzigeres, zu erzählen als die Kritik am Erzählen des aus dem Westen stammenden Erzählens?

„Tatort: Die harte Kern“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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