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Beeindruckendes Trio: Mohamed Issa (li.), Lena Urzendowsky und Michelangelo Fortuzzi als Samir, Vanessa und Leon.

© SWR/Jacqueline Krause-Burberg

„Tatort“ mit Ulrike Folkerts: No Future in Oggersheim

Lena Odenthal alias Ulrike Folkerts verzweifelt im „Tatort: Leonessa“ an der Perspektivlosigkeit dreier Jugendlicher.

Seit über 30 Jahren ist Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) im „Tatort“-Einsatz, doch ihr Engagement hat darunter nicht gelitten. Wenn etwas ihrem Gerechtigkeitsempfinden entgegenläuft, kann sie noch immer richtig wütend werden. Und dass sich drei Jugendliche ihre Zukunft systematisch verbauen, sich in ihrer vermeintlichen Perspektivlosigkeit sogar prostituieren, ist für sie eindeutig eine solche Ungerechtigkeit. Die Wut, die sie dann bekommt, verleiht ihr Superkräfte. Mit der Hand zerteilt sie Äpfel in zwei Hälften.

Im neuen „Tatort“ aus Ludwigshafen mit dem Titel „Leonessa“ reißt bei der Kommissarin gleich mehrfach die Hutschnur. Unter dem Namen Leonessa ist in einer Hochhaussiedlung in Oggersheim ein Pärchen bekannt. Leon (Michelangelo Fortuzzi) und Vanessa (Lena Urzendowsky) sind so unzertrennlich, dass von ihnen nur als Leonessa gesprochen wird. „Brangelina für Arme eben“, wie eine Anwohnerin mit Verweis auf das einstige Hollywood-Traumpaar Brad Pitt und Angelina Jolie sagt. Dritter im Bunde ist Samir Tahan (Mohamed Issa), der allerdings nichts davon weiß, wie sich seine Freunde ihr Taschengeld aufbessern.

[Der „Tatort: Leonessa“ läuft am Sonntag um 20 Uhr 15 in der ARD]

Auf das Trio werden Lena Odenthal und Johanna Stern (Lisa Bitter) durch den Mord an Hans Schilling aufmerksam. Zusammen mit seiner Frau Hanne betreibt er eine Westernkneipe – bis er hinter seinem Tresen erschossen wird. Samir findet die Leiche und sorgt dafür, dass die Polizei informiert wird.

Die Kneipe ist im Saloon-Stil mit Sätteln als Sitze und Pistolen überm Tresen eingerichtet, aus den Lautsprechern dröhnt Country-Musik. Hans Schilling verstand sich zugleich als Sheriff und Friedensrichter in einer Person, der einen Streit schon mal mit handfesten Mitteln schlichtet und auch sonst ein Auge auf alles und jeden hat. Die Polizei wird hingegen als Feind und Gegner gesehen. In Oggersheim herrscht Wildwest.

Wildwest in Oggersheim

Die Suche nach dem Täter gerät jedoch etwas in den Hintergrund. Connie Walther, die bei „Leonessa“ Regie geführt hat (Buch: Wolfgang Stauch), konzentriert sich in diesem Sozialdrama auf die Situation der drei Jugendlichen. Noch nicht einmal 16 Jahre alt, haben sich Leon, Vanessa und Samir von ihren Familien weit entfernt. Ihre Eltern interessieren sich entweder überhaupt nicht für sie oder werden von eigenen Problemen erdrückt. Dennoch mischt sich zwischen Zynismus und Fatalismus ein Stück Hoffnung.

Die drei jungen Schauspieler agieren großartig in ihren anspruchsvollen Rollen. Dass sie etwas älter sind als ihre Figuren fällt nicht ins Gewicht. Die 20-jährige Lena Urzendowsky hatte für ihre Hauptrolle in „Das weiße Kaninchen“ unter anderem einen Grimme-Preis erhalten. Im Berlinale-Eröffnungsfilm „Kokon“ spielte sie ebenfalls den Hauptpart. Mohamed Issa, 22, kennt sich mit TV („Lindenstraße“) ebenso aus wie mit Kino („Wir waren Könige“) und Streaming („Beat“). Und der 19-jährige Michelangelo Fortuzzi erhielt für seine Leistung in „Alles Isy“ einen Deutschen Fernsehpreis.

Johanna Stern ist übrigens nicht weniger engagiert als ihre Kollegin Lena Odenthal, auch wenn die Neue weniger emotional reagiert. Wenn sie abwarten muss, um einen Mann überführen zu können, der Sex mit einer minderjährigen Prostituierten hat, dann macht sie das. Johanna Stern steht zwar nicht mehr für eine Polizistin, die ihre Kollegen mit dem Tablet in der Hand von modernen Ermittlungsmethoden überzeugen will, gleichwohl gehört sie einer neuen pragmatischeren Ermittler-Generation an. Lena Odenthal reicht es hingegen nicht, hinter Verbrechern aufzuräumen. Sie kämpft zugleich für eine bessere Welt. Und irgendwie übernimmt sie dabei den Part ihres Ex-Kollegen Kopper gleich mit.

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