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Der Sicherheitschef der Haftanstalt Andreas Franke (Herbert Knaup, links) will vor allem eins: Ruhe im Vorzeigeknast. Die Fragen von Kommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) als Undercover-Wärter machen ihn deshalb zunehmend nervös.

© SWR/Johannes Krieg

"Tatort" aus Stuttgart: Richy Müller ermittelt als "Maulwurf" im Vorzeigeknast

Mördersuche im Gefängnis: Richy Müller ermittelt am Pfingstmontag undercover im Stuttgarter „Tatort“.

Alibis können zusammenbrechen, aber eines gibt’s, das bombensicher ist. Wenn der Verdächtige im Knast sitzt, kann er’s nicht gewesen sein. Wir kennen das aus zahllosen Krimis. Kommt der Kommissar aus dem Labor, wo der Fingerabdruck oder die DNA-Spur untersucht worden ist und kann die Ergebnisse mithilfe des Computers auch noch glasklar zuordnen, ist auch schon sicher: Wir haben ihn, und dann ergibt der Suchlauf: Nein, dieser Kerl verbüßt eine Haftstrafe. Er war es mit Sicherheit nicht. Müssen wir also weitersuchen. Und wenn die Justizvollzugsanstalt, in der ein des Mordes Verdächtiger einsitzt, auch noch der „Vorzeigeknast“ in Zuffenhausen ist, dann muss da irgendwas bei der Spurenanalyse nicht gestimmt haben. Kommt ja mal vor.

Wird das Alibi aller Alibis geknackt?

Der neue Stuttgarter „Tatort“ macht sich nun daran, dieses Alibi aller Alibis zu knacken. Gleich zweimal in zwei Jahren stoßen die beiden Polizisten Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) auf denselben Widerspruch: Spur weist auf Täter, Täter sitzt im Bau. Jetzt reicht’s ihnen. Man sollte sich mal kundig machen, wie der Vorzeigeknast von innen aussieht. Lannert geht undercover als „Wärter Seiler“ ins Gefängnis. Und Bootz macht sich draußen an die Zeugen ran.

Es geht um eine tote Frau, deren Ex jener verdächtige Insasse ist, dessen DNA gefunden wurde und der außer einem – womöglich falschen – Alibi auch noch ein Motiv hat. Lannert schnüffelt rum. Er lernt die Direktorin kennen und Herrn Franke, den Sicherheitschef (Herbert Knaup). Er quatscht mit den Kollegen. Und er begreift: Hier werden nicht einfach Knackis verwahrt, hier gibt es eine Art innerknastische Parallelgesellschaft mit eigenen Regeln. Ihm ginge es um einen geregelten Ablauf, sagt Franke, er will Ruhe. Aber wie er das so sagt, flackert sein Blick ziemlich unruhig durch den Raum.

Sehr bald fürchtet das Publikum um den Kommissar

Sehr bald fürchtet das Publikum um den Maulwurf Lannert-Seiler, den Richy Müller mit seiner typischen Coolness, die mit einer Prise Verletzlichkeit gewürzt ist, überzeugend rüberbringt. Wenn er sich mit Bootz im Bordell trifft – die Chefin dort weiß Bescheid und spielt mit –, um Infos mit ihm zu tauschen, muss er sich schon mal einer süßen Braut erwehren. Aber dann taucht Franke an der Bar auf, der Ort ist jetzt nicht mehr sicher. Sehr schnell entsteht ein wahres Gestrüpp aus Verweisen, Andeutungen, Ahnungen und verschlüsselten Botschaften, die außer den beiden Ermittlern auch den Zuschauern viel Konzentration abverlangen. Ein Quasi-Kollege Seilers bringt sich um. Was weiß die Witwe? Und erst der Schwiegervater?

Etwa gegen Mitte des Films pegelt sich die Spannung auf einen Mittelwert ein, von dem aus sie eine ganze Weile nicht weiter steigt. Hier hätte eine gescheite Nebenhandlung gut getan, um den Nerven und der Aufmerksamkeit des Zuschauers eine Pause zu gönnen. Aber die Drehbuchautoren (Sönke Lars Neuwöhner und Martin Engler, der auch Regie führte) haben wohl bewusst darauf verzichtet und damit riskiert, dass der Durchblick des Publikums leidet. Auf der anderen Seite profitieren Stimmung und Look von der Hartnäckigkeit, mit der Szenenbild, Dramaturgie und Regie sich sozusagen auf den Knast einlassen. Die klaustrophobische Atmosphäre, das rostige Rot des „Baus“ sie ergreifen.

Hier lässt sich der "Tatort" nicht lumpen

Der Film bietet ein paar reizvolle „cheat cuts“: das sind Schnitte, die den Zuschauer erst mal in die Irre führen, bevor sie ihn erschrecken. So sehen wir, im abendlichen Halbdunkel, den ausgestreckten Arm mit einer Pistole in der Hand, und Hand und Waffe gehören dem Polizisten. Schnitt. Wieder die Pistole, wieder ein ausgestreckter Arm, aber diesmal gehören beide dem Schurken. Solche leicht verspielten, spannungssteigernden Momente hat der Film zu bieten, das gibt ihm eine angenehm artifizielle Note.

So ist das heute mit den Krimis, auch mit den „Tatorten“. Eine linear erzählte Geschichte mit Aufklärung am Schluss genügt nicht mehr. Es müssen schon ein paar Kunststücke wie die „cheat cuts“ für Neubelebung der Aufmerksamkeit sorgen. Es ist erfreulich zu sehen, dass der gute alte „Tatort“ sich diesbezüglich nicht lumpen lässt.

„Tatort: Freigang“, ARD, Montag, 20 Uhr 15

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