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Unschuld?  Oliver Manlik (Barnaby Metschurat) will sein früheres Leben zurückbekommen, die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) sollen helfen.

© SWR/Benoît Linder

„Tatort“ aus Stuttgart: Die Zeitbombe

Der Stuttgarter „Tatort“ über einen persönlichen Rachefeldzug wirft kein gutes Licht auf die Autoindustrie.

Es sind diese Blicke. Blicke nach allen Seiten, prüfend, misstrauisch. Da ist offenbar ein Getriebener unterwegs, ein Gejagter, der zugleich ein Jagender ist. Oliver Manlik (Barnaby Metschurat) kommt am Stuttgarter Flughafen an. Es ist eine Heimkehr. Niemand wartet auf ihn, niemand holt ihn ab. Er nimmt sich irgendwo in einer Pension ein schäbiges Zimmer. Bald schon wird klar, dass dieser Mann, der aus Florida zurückgekehrt ist, eine Rechnung offen hat.

Er präsentiert sie: Joachim Bässler (Stephan Schad), Vorstandsvorsitzender eines großen Unternehmens, das Autozubehör herstellt. Manliks fordert mehrere Millionen Entschädigung von Bässler, saß er doch für dreieinviertel Jahre in Florida im Gefängnis. Korruption war der Vorwurf, Manlik war Bässlers Bauernopfer – der Ausgangspunkt im neuen Stuttgarter „Tatort“.

Da stehen sich zwei Menschen gegenüber, deren Wertesysteme in keinster Weise kompatibel sind. Die Skrupellosigkeit des Unternehmensführers bringt den verzweifelten Ex-Angestellten zur Raserei. Manlik hat alles verloren, auch seine Frau Caroline (Isabelle Barth) und sein pubertierender Sohn Justus (Elias Reinhard-Sanchez) wollen nichts mehr von ihm wissen.

Als Manlik einmal vor der Schule von Justus steht, da sagt ihm sein eigener Sohn ins Gesicht: „Du Papa, Du bist mir so egal.“ Manliks persönlicher Rachefeldzug beginnt. Es ist ein Kampf David gegen Goliath („Tatort: Der Welten Lohn“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15).

Die Kommissare Thorsten La nnert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) geraten erst später an diesen Manlik, der einer tickenden Zeitbombe gleich durch Stuttgart streift. Zuvor werden sie in den Wald gerufen: Dort liegt die Leiche der Personalchefin von Bässlers Unternehmen, Diana Geddert (Anni Nagel). So beginnen ihre Ermittlungen in der Firma, in der ihnen niemand irgendetwas Brauchbares mitzuteilen hat. Hat Manlik etwas mit dem Tod der Personalchefin zu tun, oder gar Bässler? Das Ende, es ist nahezu die letzte Kamera-Einstellung, erzählt überhaupt erst, wie Diana Geddert wirklich ums Leben kam.

Dieser Manlik ist ein Verlorener

„Der Welten Lohn“ ist der beinahe poetische Titel des jüngsten „Tatorts“ aus Stuttgart. Gerd Schneider („Verfehlung“) legt hier überaus souverän und überzeugend seinen ersten „Tatort“ vor, nach dem Drehbuch von Boris Dennulat („Wer rettet Dina Foxx?“). So poetisch der Titel – so nüchtern und vollkommen schnörkellos ist auch dieser „Tatort“ mit Felix Klare und Richy Müller. Die Inszenierung ist zurückhaltend, die Geschichte an sich eine eher einfache. Doch ist es gerade das, was die Filme aus Stuttgart meist auszeichnet: diese klare Strenge, dieses völlig Unprätentiöse.

Interessant ist, wie das Thema, das noch vor dem Kriminalfall natürlich ein sozialkritisches ist, verhandelt wird, und wie die beiden so unterschiedlichen Antagonisten Manlik und Bässler gezeichnet werden. Neben der Kälte des Vorstandsvorsitzenden, der seinen omnipräsenten Sicherheitschef Neumann (Andreas Klaue) wie einen wertlosen Lakaien behandelt und in einer Villa lebt, die ebenso stylish wie seelenlos ist, ist da der ehemalige Firmenangestellte, der beruflich, familiär und gesellschaftlich alles verloren hat, weil man ihn zunächst benutzt und anschließend kaltgestellt hat.

Dieser Manlik ist ein Verlorener. Ein sozial Geächteter. Er ist der, der aus dem Knast zurück ist. Barnaby Metschurat spielt ihn nuanciert in all seiner Verzweiflung und Unbeherrschtheit, lässt ihn ebenso brutal wie verletzlich erscheinen. Die Manliks dieser Welt, von denen es unzählige gibt, mögen sich zu Recht fragen, woraus er denn bestehen mag – der Welten Lohn.

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