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Leben Sie noch? Professor Boerne (Jan Josef Liefers, r.) spielt Schnick, Schnack, Schnuck mit dem Mann, der Kommissar Thiel (Axel Prahl, links) so ähnlich sieht.

© WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin

„Tatort“ aus Münster: Boerne in der Vorhölle

Die neue „Tatort“-Folge aus Münster ist ein fantastischer Ausreißer. Und es gibt ein besonderes Wiedersehen.

Der eitle, arrogante, im Grunde herzensgute Professor Boerne (Jan Josef Liefers) will ein Buch über den Tod schreiben. Das Thema wird persönlicher, als dem Gerichtsmediziner lieb ist. Ein Autounfall und Boerne steht neben sich, genauer gesagt: Er krabbelt als Wesen aus der Zwischenwelt aus dem Autowrack, während sein schwer verletzter Körper von Rettungskräften geborgen wird. Schlimm, besonders für Boerne, dass ihn nun alle ignorieren, weil niemand ihn sieht (außer das TV-Publikum).

Aber es kommt noch doller: An der Unfallstelle taucht auch ein zweiter Thiel (Axel Prahl) auf. Er trägt eine Aktentasche und reicht dem Zwischenwelt-Boerne die Hand. Der Kontakt befördert den Gerichtsmediziner in einen düsteren, schmucklosen Raum, dessen Boden unter Wasser steht. Ein alter Fernseher zeigt die Übertragung eines Rosenmontagszuges, dazu ertönt die Melodie des Bläck-Fööss-Evergreens „Mer losse d'r Dom en Kölle“.

Thiel kommt herein und klärt Boerne darüber auf, dass man umstrukturiert habe: Boerne befinde sich in „Abteilung römisch zwei“, im Gegensatz zu „Abteilung römisch eins“, in der sich alles Himmlische befinde. Und als Boerne den Mann als Thiel anspricht, klärt der energisch auf: „Geschäftsführung – Teufel hat man das früher genannt.“

Eine Werwölfin in Bremen, ein Spukhaus in Frankfurt, Kommissar Murot (Ulrich Tukur) in der Zeitschleife - nun Boerne in der Vorhölle, dem „Limbus“: Die „Tatort“-Reihe pfeift gerne mal auf ein realistisches Krimi-Szenario, aber vom Münsteraner Team war das nicht unbedingt zu erwarten („Tatort – Limbus“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15).

Und es ist durchaus ungewiss, ob die stattliche Fan-Gemeinde der gelegentlich recht biederen Schmunzelkrimis aus Westfalen die unkonventionelle Geschichte goutiert. Dabei verraten Drehbuch-Autor Magnus Vattrodt und Regisseur Max Zähle die Eigenheiten der Reihe keineswegs.

Die Kabbeleien funktionieren auch im surrealen Szenario. Wagner-Fan Boerne muss sich als „Geist“ anhören, was die als „Alberich“ verballhornte Assistentin Silke Haller (Christine Urspruch) über ihren Chef denkt. Zugleich berührt ihn die Betroffenheit, mit der Haller, Thiel und Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) auf die Nachricht seines drohenden Ablebens reagieren.

Beamten-Teufelchen mit Thiel'schem Antlitz

Sicher springt der WDR mit „Limbus“ auf den Fantasy-Trend auf. Aber der zweifache Grimme-Preisträger Vattrodt hat sich eine Geschichte ausgedacht, die eher wie ein Thriller à la „Ghost - Eine Nachricht von Sam“ funktioniert: Das Publikum kennt den Täter und folgt nun dem Boerne aus der Zwischenwelt bei dessen Bemühungen, Haller, Thiel und Klemm auf die Sprünge zu helfen.

Der Gerichtsmediziner hatte einen Vertreter für seine dreimonatige Auszeit organisiert. Dr. Jacoby (Hans Löw) erweist sich als gemeingefährlicher Hochstapler, der nicht vor Mord zurückschreckt, um eine neue Stelle als falscher Arzt zu ergattern.

Offenkundig musste Jacoby schon mehrfach die Stelle wechseln, was kein Wunder ist, denn der vermeintliche Doktor der Medizin kann kein Blut sehen. Seine Kenntnisse reichen doch so weit, dass er Boerne auf der Straße anrempeln und ihm dabei eine Insulin-Spritze verpassen kann, die den Gerichtsmediziner tags darauf bei der Autofahrt außer Gefecht setzt. Boerne wird lebensgefährlich verletzt und liegt nun auf der Intensivstation im Koma, während Jacoby seinen Dienst in der Gerichtsmedizin antritt und großes Interesse daran hat, dass Boerne nicht wieder aufwacht. So ist auch der Fall spannender, als man es gemeinhin vom Münster-„Tatort“ gewohnt ist.

Der Hit beim „Tatort“-Debüt von Regisseur Zähle ist aber die spartanisch ausgestattete und doch voller komischer Details inszenierte Vorhölle im Stil einer Amtsstube. Das Aufeinandertreffen von Boerne und dem Beamten-Teufelchen mit Thiel'schem Antlitz ist ein ganz eigenes Vergnügen.

Schön auch das Wiedersehen mit der aus der Reihe ausgeschiedenen Friederike Kempter, die einst Thiels Assistentin Krusenstern spielte und sich hier auf ihrem Weg in den Himmel in „Abteilung römisch zwei“ verirrt. Boerne muss den Paternoster nach unten nehmen. Spoiler: Fans müssen sich nicht sorgen. Liefers und Prahl haben ihre Verträge mit dem WDR bis 2024 verlängert.

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