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Selfie mit Chef: Cornelia Gröschel und Karin Hanczewski mit Martin Brambach im neuen Dresden-„Tatort“.

© MDR/Hardy Spitz

„Tatort“ aus Dresden: Und Leonard Cohen singt „Hallelujah“

Der „Tatort“ aus Dresden schickt das Ermittlerinnen-Duo Karin Hanczewski und Cornelia Gröschel in das „kalte Haus“. Aber es fehlt etwas Entscheidendes.

Kalt ist dieses Haus wirklich. Es ist zwar geräumig und weitläufig, und der Garten, das stellt Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) sehr bald fest, ist eigentlich ein kleiner Park. Aber es fehlt etwas Entscheidendes. Heimeligkeit. In jedem Raum steht ein Display, das auf Zuruf Musik spielt oder Fragen beantwortet. Eine Art Siri oder Alexa, nur etwas größer.

Gorniak und ihre Kollegin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) sind von ihrem Vorgesetzten Schnabel (Martin Brambach) hierher geschickt worden – eigentlich wollten sie mit etlichen Flaschen Alkohol im Kofferraum und 80er- Jahre-Sound Gorniaks bevorstehenden Geburtstag feiern. Diese Musik zieht sich weiter durch das Geschehen, nur aus Gorniaks Geburtstagsfeier wird nichts. Denn in dem Bett in dem Haus, in das Schnabel sie geschickt hat, tut sich eine riesige Blutlache auf.

Der „Tatort“ aus Dresden – von Regisseurin Anne Zohra Berrached nach einem Drehbuch von Christoph Busche und ihr in Szene gesetzt – trägt den Titel „Das kalte Haus“, und er spielt vor allem in der ersten Hälfte fast durchgehend an ebendiesem so seltsam wirkenden Ort.

Eine ganze Weile wird hier die Einheit von Ort, Zeit und Raum eingehalten und das Haus zum heimlichen Nebendarsteller. Ein gewisser Simon Fischer (Christian Bayer) bewohnt es. Er hat auch die Polizei gerufen, ist aber selbst, als die Kommissarinnen eintreffen, verschwunden. Zunächst. Irgendwann rennt er des abends Schnabel beinahe vor den Wagen. Die Polizei hat Fischer, der mit Oberbürgermeister, Staatsanwalt & Co bestens vernetzt ist, verständigt, da er seine Frau Kathrin (Amelie Kiefer) vermisst. („Tatort: Das kalte Haus“, Pfingstmontag, ARD, 20 Uhr 15)

Bald schon finden Gorniak und Winkler weitere Blutspuren, sie sind etliche Wochen alt und bedecken den ganzen Boden des Badezimmers. Doch wo nur ist Kathrin Fischer? Und was nur ist hier geschehen – in diesem kalten Haus?

Lange Zeit ist nicht klar, wohin der narrative Faden hier führen wird. Das Team beginnt, sich im Kreis zu drehen, es geht nicht voran, und alle fluchen über diesen schwierigen Fall. Zugleich schwingt da etwas mit, was die beiden Kommissarinnen ebenso wie ihren Chef anzufassen scheint. Fischer ist verzweifelt angesichts des spurlosen Verschwindens seiner Frau, auch erste Verdachtsmomente gegen ihn scheinen sich letztlich nicht zu bestätigen. Dann kippt die Stimmung Fischers. Er brüllt und schreit herum, wird ausfallend, verliert die Beherrschung.

Man weiß, wovon der große Sänger meist wehmütig

Einmal heißt es an einer Stelle, Fischer habe seine Kathrin abgöttisch geliebt. Die gemeinsame beste Freundin der Fischers, Beate Lindweg (Katharina Behrens), die mit Simon Fischer vor Kathrin zusammen war und beide sehr gut kennt, macht überdies zusehends widersprüchliche Angaben zu dem Ehepaar. Irgendetwas stimmt auch mit dieser so allerbesten Freundin ganz offensichtlich nicht. Doch dann ist es eigentlich schon zu spät.

„Das kalte Haus“, ein zunächst nahezu hermetisches Kammerspiel an einem Handlungsort, öffnet den Raum in der zweiten Hälfte zunehmend für andere Räume und geht ins Außen. Das Hermetische, bei dem etwas ganz eigen Befremdendes darunterliegt, öffnet sich zwar, doch dieser Unterdruck, der stets zu spüren ist, bleibt bestehen.

Die Dresdner Kommissarinnen Gorniak und Winkler durchleuchten das Innenleben der Fischers immer gründlicher und stoßen dabei auf immer mehr Absonderlichkeiten und Abnormalitäten. Dabei ist Gorniak von dem Fall emotional besonders betroffen, da in ihr Erinnerungen an ihr eigenes Elternhaus hochkommen. Es sind beileibe keine guten Erinnerungen.

Es sind die Abgründe, die sich Stück für Stück in der Ehe der Fischers auftun, die Gorniak an ein Früher erinnern. Abgründe, die vielleicht in jedem Menschen liegen. Ziemlich am Ende ist es Leonard Cohen, der mit seinem Hit „Hallelujah“ zu hören ist. Man weiß, wovon der große Sänger meist wehmütig und eindringlich singt: vom Glauben, und von der Liebe. Von ihrer Kraft, von ihrer Vergeblichkeit auch. Von dem Schmerz, den sie so oft mit sich bringt. Da bahnen sich die Geburtstags-Luftballons aus Gorniaks Wagen ihren Weg und steigen in den Himmel empor. „And from your lips she drew the Hallelujah.“

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