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Immer für große Quoten gut. Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) ermitteln seit 1991 im Münchner „Tatort“.

© Bernd Schuller/BR

"Tatort" auch als Wiederholung Quotengarant: Das Publikum ist schuld!

Nostalgie? Wiedersehensfreude? Gewohnheit Warum die ARD mit ihren „Tatort“-Wiederholungen respektable Zuschauerzahlen erreicht.

Das war schon erstaunlich. Bei seiner Erstausstrahlung erreichte der „Tatort: Allmächtig“ am 22. Dezember 2013 im Ersten knapp 8,30 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Am Sonntag kam die Wiederholung auf 5,79 Millionen. Zwischen diesen beiden Quoten lagen acht Jahre oder 293 weitere ARD-Krimis, „Allmächtig“ war die fortlaufende Nummer 890, die vorerst letzte Novität der 1183. „Tatort“.

Hat dieser ARD-Krimi, hat „Allmächtig“ eine Wiederholung am geheiligten Sonntagsplatz um 20 Uhr 15 verdient gehabt? Ich habe da allergrößte Zweifel und ich bin nicht allein. Bereits nach der Premiere war das Zuschauerecho verhalten gewesen. Die Marke auf der sehr verdienstvollen Homepage tatort-fundus.de zeigt an, dass dieser Münchner Krimi auf dem höchst durchschnittlichen Bewertungsplatz 730 liegt. Mehr als die Hälfte aller bisherigen 1183 „Tatorte“ wurde mit mehr Lob und Anerkennung prämiert. Der Durchschnitt für die Gesamtheit aller „Allmächtig“-Bewertungen liegt bei 6,2 Punkten, das Urteil mit nur einem Punkt – Bestnote sind zehn Punkte – lautete: „Das geht hinsichtlich der Spannung ins Unterirdische. Den Punkt gibt’s aus Gnade. Der Bestbewerter, er vergab neun Punkte, jubelte, „Klasse Tatort mit guter Story und sehr gut umgesetzt.“

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Das Münchener Kommissarsduo aus Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl ist natürlich erfolgsverwöhnt. Ihr „Tatort: Nie wieder frei sein“ kommt bei tatort-fundus auf den ersten Rang bei den Bewertungen aller bisher ausgestrahlten Sonntagskrimis: 8,9 ist der Punktestand für den ARD-Krimi mit der Nummer 784, der am 19. Dezember 2010 9,63 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer fesseln konnte.

Mehr mittelmäßige "Tatorte"?

Die erstaunliche Quote für „Allmächtig“-Wiederholung wird die ARD-Verantwortlichen ermutigen, weitere mittelmäßige „Tatorte“ zu wiederholen, wie es dieser Krimireihe sowieso gelingt, alle Tiefen in Qualität und Originalität ohne nachlassende Anziehungskraft zu überbrücken. Das Format hat sich derartig tief in die Einschaltgewohnheit des deutschen Publikums hinein gesendet, dass für Millionen ein Sonntagabend ohne „Tatort“ ein möglicher, zugleich ein verlorener Abend ist. Und das „Herzkino“ im Zweiten kann keine Alternative sein.

Die neun Landesrundfunkanstalten der ARD können auf die eiserne Treue der Fans rechnen. Zudem auf Langmut, die in Dankbarkeit rüberlappt. Ansonsten zwei Phänomene nicht zu erklären wären: Eine „Tatort“-Wiederholung fällt, erstens, nicht unter das Empörungsregime „Sommerloch wird mit Wiederholungen gefüllt, wie peinlich ist das denn?“. Die bislang am häufigste wiederholte Folge in der „Tatort“-Historie – „Unter Brüdern“, der Ost-West-Krimi von 1990 – erreicht bisher 44 Wiederholungen. Da fällt selbst dem „Aschenbrödel“ mit 33 ARD-Wiederholungen die Haselnuss aus der Krone.

Zahlreiche Effekte

44 Wiederholungen – und kein Ende in Sicht. Funktioniert da der Nostalgieeffekt – oh wie schön war Panama! –, der Wiedersehen-macht-Freude-Bonus, die Weihnachten-ist-nicht-nur am 24. Dezember-Erwartungshaltung, der besondere Duktus, die überragende Qualität, die niemals auserzählte Story, die jede Fernsehgeneration von neuem fasziniert? Es wird eine Mischung aus alledem sein, und die Mischung heißt „Tatort“. Und solange nicht zweifelsfrei feststeht, dass nicht jeder „Unter Brüdern“ applaudiert hat, wird weiter und weiter wiederholt. Gibt ja genug Deutsche vor dem Fernseher.

Zuspruch für Antiquitäten

Macht die ARD alles richtig, wenn sie am Sonntag um 20 Uhr 15 nicht nur auf Novitäten, sondern auf auch Antiquitäten setzt? Offensichtlich ja, weil mit dem fortgesetzten Zuspruch auch die „Schuldfrage“ geklärt ist: Für die Wiederholeritis trägt nicht das Erste die größte Verantwortung, sondern das Publikum des Ersten. Die schlichte Wahrheit lautet: Eine „Tatort“-Wiederholung ist die Erwartung und die Vorfreude auf die „Tatort“-Wiederholung. Da können in deutschen Haushalten 60 und mehr Fernsehprogramme plus Streaming-Abos zur Auswahl stehen – das deutsche Publikum bekommt beim „Tatort“-Intro Tränen in die Augen.

Zur letztgültigen Erklärung muss Kurt Tucholsky bemüht werden. Zitat:

„O hochverehrtes Publikum

Sag mal: bist du wirklich so dumm,

wie uns das an allen Tagen

alle Unternehmer sagen?

Jeder Direktor mit dickem Popo

Spricht: Das Publikum will es so!“

Ach so, was am kommenden Sonntag läuft? Der „Tatort: Kaputt“, aus Köln und von 2019 und bei tatort-fundus auf Bewertungsplatz 602.

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