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Im "Tagesthemen"-Kommentar rief Anja Reschke am Mittwoch zum "Aufstand der Anständigen" auf.

© Tsp

"Tagesthemen"-Kommentar zur Hetze gegen Flüchtlinge: Anja Reschke fordert einen neuen "Aufstand der Anständigen"

Im Netz wird immer aggressiver gegen Flüchtlinge gehetzt - so geht es nicht weiter, meint NDR-Moderatorin Anja Reschke in einem "Tagesthemen"-Kommentar. Sie fordert: "Mund aufmachen, Haltung zeigen!" - und trifft damit offenbar einen Nerv.

Anja Reschke reicht es jetzt. In einem "Tagesthemen"-Kommentar hat die NDR-Moderatorin am Mittwochabend gefordert, klar und deutlich Position zu beziehen gegen rassistische Hetze gegen Flüchtlinge im Netz. Sie wünsche sich einen neuen "Aufstand der Anständigen", wie es ihn vor 15 Jahren nach den Brandanschlägen in Mölln und Solingen gegeben hat - eine Forderung, für die sie im Netz große Unterstützung bekommen hat.

Rassisten versteckten sich nicht mehr hinter einem Pseudonym

"Wenn ich mich jetzt hier hinstelle und öffentlich sage: Ich finde, Deutschland soll auch Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen – was glauben Sie, was dann passiert?", fragt Reschke zu Beginn ihres Kommentars provokant, um sogleich das Szenario zu beschreiben: "Ich bekäme eine Flut von Hasskommentaren. ,Scheiß Kanacken, wie viel wollen wir noch aufnehmen, sollen abhauen, soll man anzünden ...', all sowas halt."

Bis vor kurzem hätten sich solche Kommentatoren noch hinter Pseudonymen versteckt. "Aber mittlerweile wird sowas längst unter Klarnamen veröffentlicht. Anscheinend ist das nicht mal mehr peinlich", bemerkt Reschke. "Im Gegenteil, auf Sätze wie ,Dreckspack, soll im Meer ersaufen' bekommen sie ja auch noch begeisterten Zuspruch und eine Menge Likes. Wenn man bis dahin ein kleiner rassistischer Niemand war, fühlt man sich da natürlich plötzlich ganz toll." Das Schlimme sei, dass es nicht allein bei solchen Worte bleibe, sondern die Zahl der rechtsextremen Taten gestiegen sei.

Im ersten Halbjahr gab es 150 ausländerfeindliche Straftaten

So hat sich die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberheime nach Angaben des Verfassungsschutzes im vergangenen Jahr auf 175 verdreifacht. Im ersten Halbjahr 2015 ist die Zahl erneut stark gestiegen, bis Ende Juni wurden bereits 150 Straftaten gezählt. Erst vergangene Woche hatten Unbekannte eine geplante Unterkunft in Lunzenau bei Chemnitz mit Molotow-Coctails attackiert.

"So kann es nicht weitergehen", betont Reschke, Strafverfolgung allein reiche aber nicht. "Die Hassschreiber müssen kapieren, dass diese Gesellschaft das nicht toleriert. Wenn man also nicht der Meinung ist, dass alle Flüchtlinge Schmarotzer sind, die verjagt, verbrannt oder vergast werden sollten, dann sollte man das ganz deutlich kundtun." Man müsse "dagegen halten, Mund aufmachen, Haltung zeigen, öffentlich an den Pranger stellen." Auch wenn dies bereits einige Menschen und Blogs tun würden, reiche das noch nicht. Es brauche einen neuen "Aufstand der Anständigen", forderte Reschke - und sagte: "Ich freu' mich jetzt schon auf die Kommentare, zu diesem Kommentar".

Viele positive Reaktionen im Netz für Reschke

Dass 'Reschke damit einen Nerv getroffen hat, zeigen die Reaktionen. Mehr als 250 000 "Likes" hat der Beitrag bei Facebook bekommen, heißt es in einem "Tagesschau"-Beitrag am Donnerstagnachmittag. Mehr als 23 000 Mal sei er kommentiert worden, mehr als neun Millionen Mal sei das Video abgerufen worden.

Sie sei überrascht über das enorme, positive Echo, sagte Reschke in einem Interview mit der "Tagesschau". Das habe sie auch auslösen und das Gefühl haben wollen, "dass die Masse doch noch auf der richtigen Seite steht". Sonja Álvarez

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