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Gut ausgelastet: Der Synchronsprecher Manou Lubowski nimmt gerade die letzten Takes von „Lucifer“ auf. Die Amazon-Serie mit Tom Ellis startet am Donnerstag. Der Sprecher ist auch als Jaime Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) zu hören.

© Markus Nass/Amazon Prime Video

Synchronisieren im Serientakt: Am Mikro ist der Teufel los

Der Serienboom bringt die Synchronisationsstudios an ihre Grenzen. Ein weiteres Problem: Die Geheimhaltung.

So schlecht kann das Image des Teufels nicht sein, sonst wäre „Lucifer“ nicht solch ein Strahlemann. Am Donnerstag geht die Dramaserie bei Amazon Prime Video in die vierte Staffel. In Los Angeles hilft der gefallene Engel Lucifer Morningstar (Tom Ellis) weiterhin der Polizei im Allgemeinen und Detective Chloe Decker (Lauren German) im Besonderen bei der Lösung von Fällen, die einfach zu diabolisch sind. Teuflisch hoch ist zugleich die Zahl von Serien vor allem aus den USA, die Monat für Monat insbesondere von den Streamingdiensten veröffentlicht werden. Und die vor dem Start synchronisiert werden müssen. Dass die Synchronstudios dadurch an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, ist nicht das einzige Problem, wie ein Besuch bei Arena Synchron in Berlin zeigt.

In den sechs Aufnahmestudios am Hohenzollerndamm werden derzeit jährlich 30 Serienstaffeln synchronisiert, erzählt Geschäftsführer Björn Herbing. Das Unternehmen gibt es seit 1972, gegründet wurde es unter anderem von der Kirch-Gruppe. „Die Straßen von San Francisco“ mit Karl Malden und Michael Douglas wurden hier ebenso für das deutsche Fernsehen synchronisiert wie später „Denver“ oder „Sex and the City“. Mit den privaten TV-Sendern kam ein erster Boom, allerdings gab es auch schlechte Zeiten, vor allem nach der Kirch-Insolvenz. „Inzwischen hat das Geschäft durch die Streamingdienste eine Neubelebung erfahren, seit 2008 hat es sich verdoppelt“, erläutert Herbing. Ein Drittel davon entfällt auf Dienste wie Amazon.

Ein halbes Dutzend Studios in Berlin

In Berlin sind gut ein halbes Dutzend große Studios aktiv: Neben Arena Synchron und Berliner Synchron sind das unter anderem Scalamedia und FFS Film & Fernseh-Synchron sowie zunehmend auch internationale Synchronfirmen wie SDI. Die Kapazitäten lassen sich nicht beliebig erweitern, auch die personellen Ressourcen sind begrenzt: „Darum muss man auch aufpassen, dass man sich nicht übernimmt“, sagt Herbing, „und dass man die Qualität weiterhin hoch hält.“

„Die Nachfrage ist groß, es kann aber nicht jeder“, sagt auch Manou Lubowski und meint damit den ständig steigenden Bedarf an Synchronsprechern. Wie viele andere Sprecher hat auch Lubowski bereits sehr früh mit dem Synchronisieren begonnen. Bei seinem ersten Take war er fünf Jahre alt, heute ist er Mitte 40 und gut im Geschäft. Neben Tom Ellis als Lucifer hat er gerade Nikolaj Coster-Waldau seine Stimme geliehen, dessen Jaime Lannister zurzeit in der finalen Staffel von „Game of Thrones“ zu sehen ist. Auf Fangfragen wie „Da hatten Sie ja nicht viel zu tun?“ geht Lubowski nicht ein. Die Konventionalstrafe gegen den Bruch der Verschwiegenheitserklärung nach einer unbedachten Äußerung wäre danach nicht die einzige Sorge. Je härter der Konkurrenzkampf der Branche wird – in diesem Jahr kommen Disney und Apple als neue Wettbewerber auf dem Streamingmarkt hinzu –, desto wichtiger wird die Geheimhaltung. Dagegen zu verstoßen, wäre keiner Karriere förderlich.

Die Anstrengungen, die unternommen werden, damit nichts durchsickert, treiben mitunter aberwitzige Blüten. Da stehen die Synchronsprecher dann an ihrem Pult vor einem großen Screen, der nur ein schwarzes Bild zeigt oder einen kleinen Ausschnitt mit dem Mund des zu synchronisierenden Schauspielers. Der Sprecher muss dann versuchen, die Synchronisation nach dem O-Ton vorzunehmen, erzählt Manou Lubowski. „Das wird aber nie so gut sein, als wenn du es tatsächlich siehst.“ Handys oder andere elektronische Geräte müssen ohnehin häufig vor der Aufnahme in einem Schließfach weggepackt werden. „Aber egal wie geheim das ist, es wird immer einen Weg geben“, weiß der Synchronsprecher.

Doch nicht nur die Geheimhaltung ist eine Herausforderung. Die Produktionsabläufe mit ihren engen Zeitplänen sind es ebenso. So müssen die Synchronstudios mit Material arbeiten, das noch nicht final bearbeitet wurde und bei dem zum Beispiel die Computeranimationen fehlen. So bleibt es Lubowskis Fantasie überlassen, sich das Öffnen von Lucifers Flügeln vorzustellen. In der Aufnahme vor ihm sind nur die Punkte für die späteren CGI-Aufnahmen zu sehen. „Aber da mache ich mir keine Gedanken.“ Ihm ist es vor allem wichtig, durch die Modulation seiner Stimme, also durch den Wechsel von hohen Tönen zu einer dann bedrohlichen Stimme, darzustellen, dass Tom Ellis zwar ein britischer Schauspieler ist, die Handlung aber in Los Angeles spielt.

Nur im Original? Ein Vorurteil

Dass Streamingnutzer Serien bevorzugt in der unsynchronisierten Version schauen, ist übrigens ein Vorurteil. Die Auswertungen der Nutzungsdaten zeigen, dass um die 90 Prozent der deutschen Kunden von Amazon Prime die deutsche Sprachversion bevorzugen, erläutert Stephan Josse, der bei Prime Video für den Bereich Synchronisation und Untertitelung zuständig ist.

In Deutschland arbeiten die Amerikaner mit fünf Studios zusammen. Die wichtigsten Synchronisationsstandorte in Deutschland sind Hamburg, Köln, München und Berlin, „wobei Berlin am dominantesten ist und den größten Anteil an Kreativen hat“, wie Josse sagt. Pro Jahr lässt Amazon in Deutschland gut 35 Originalstaffeln synchronisieren, das entspricht 25 000 Minuten. Dazu kommen weitere 8000 Minuten Lizenzserien, wie eben auch „Lucifer“.

Lucifer (Tom Ellis) sieht teuflisch gut aus - auch in der vierten Staffel, die am Donnerstag bei Amazon Prime startet.
Lucifer (Tom Ellis) sieht teuflisch gut aus - auch in der vierten Staffel, die am Donnerstag bei Amazon Prime startet.

© Amazon Prime Video

Die Lokalisierung selbst gleicht einem komplizierten Räderwerk. Um die Synchronisationsprozesse zu beschleunigen, arbeitet Amazon mit mehreren Autoren und Regisseuren parallel. Aus einer Referenz-Videodatei und dem Original-Dialogskript entsteht zunächst ein Rohübersetzung und daraus das lippensynchrone Dialogbuch, das jede Folge in bis zu 500 einzelne Takes unterteilt. Je nach Verfügbarkeit der Sprecher werden danach die Sprachaufnahmen angefertigt, für jede Stimme einzeln und nacheinander. Alles wird mehrfach kontrolliert und freigegeben, bevor der Zuschauer die Serie zu sehen und zu hören bekommt. Selbst wenn nichts dazwischenkommt und kein Sprecher wegen eines Schnupfens zu nasal klingt, werden für die Synchronisation vier bis sechs Wochen veranschlagt.

Für die abschließende Feinarbeit ist die Tonmischung zuständig. Bei Arena Synchron sitzen der Tonmeister und zwei Mitarbeiter an riesigen Mischpulten in einem großen ovalen Raum, vor sich ein großer und zwei kleinere Flachbildschirme. Hier erhält die trockene Synchronisationsaufnahme die zur jeweiligen Szene passende Atmosphäre. Wenn Lucifer zum Beispiel in einer Szene in ein Mikrofon spricht, muss sich das auch so anhören. Ganz am Anfang wird der Sound definiert, damit sich „Lucifer“ auch in der vierten Staffel noch genauso anhört – auch wenn diesmal die aus dem Paradies vertriebene Eva (Inbar Lavi) ihren großen Auftritt haben wird.

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