zum Hauptinhalt
Sechs Kinder und ein Kinderfernsehen. Claude Schmit wird aus seiner vielköpfigen Familie sicherlich Anregungen für ein erfolgreiches Programmangebot gewonnen haben.

© dpa

Super-RTL-Chef Claude Schmit: Der Pionier, der geblieben ist

Claude Schmit ist seit 20 Jahren Super-RTL-Geschäftsführer und damit der dienstälteste Senderchef in Deutschland. Ein Porträt.

Claude Schmit ist ein Exot in der Medienbranche. Während Top-Manager meist nach wenigen Jahren den Arbeitgeber wechseln, ist der Luxemburger seit den ersten Planungen für einen privaten Kindersender in Deutschland Mitte der 1990er Jahre dabei und seit nunmehr 20 Jahren Geschäftsführer von Super RTL – eine Zeitspanne, die bisher noch kein Chef eines deutschen Senders erreicht hat, nicht einmal Jürgen Doetz (Sat1, 1984 bis 2003) und auch nicht Helmut Thoma (RTL plus, 1984 bis 98). Claude Schmit, der am 28. September 59 Jahre alt wird, ist der TV-Pionier, der geblieben ist. „Ich habe den fantastischsten Job, den man überhaupt finden kann“, sagt er.

Der kommunikative Manager war als Vertreter des kommerziellen Kinderfernsehens einst ein „gern gesehener Gast auf den Jahresveranstaltungen der Grünen“, wie er ironisch sagt. Aber diese Zeiten sind angesichts der viel umfassenderen Herausforderungen des Internets vorbei, und Schmit bedauert fast ein bisschen, nicht mehr als böser Bube gefragt zu sein. „Schade, ich habe das gerne gemacht“, erklärt er. Die Profis beim Kinderfernsehen würden das Programm kuratieren. Das Internet jedoch sei „viel gefährlicher, weil es sich um einen offenen Raum handelt“.

Suchmaschine "fragFinn.de"

Dort können Kinder zweifellos noch auf ganz andere Videos und Angebote stoßen als auf den TV-Werbespot zwischen den Lieblingsserien. Schmit verweist auf die kindgerechte Suchmaschine „fragFinn.de“, an deren Entwicklung auch Super RTL beteiligt war. Kinderfernsehen werde stark reguliert, „das finde ich auch total in Ordnung“. Allerdings würden Plattformen wie Youtube „dieselben Inhalte präsentieren wie wir, aber gar nicht reguliert werden“.

Die immer neuen Herausforderungen hätten ihn daran gehindert, zu wechseln, sagt Schmit. So auch, als der Super-RTL-Gesellschafter Disney die Programmzulieferung beendete, weil der US-Konzern einen eigenen Sender an den Start bringen wollte. Und natürlich der Umbau zu einem digitalen Unternehmen, das bereits vor 15 Jahren mit dem Toggolino Club das erste abofinanzierte Modell im Internet auf die Beine gestellt habe. Zurzeit treibt Schmit das Merchandising-Geschäft voran. Super RTL ist auch zu einer Agentur geworden, die die Produkte des Dreamworks-Studios und sogar von Erfolgsserien wie „Paw Patrol“ vom Konkurrenten Nickelodeon in Deutschland vertreibt. Absehbar ist außerdem eine enge Zusammenarbeit mit dem französischen Kinderfernsehsender Gulli, der gerade von der M6 Group gekauft wurde, an der wiederum die RTL Group fast die Hälfte der Anteile besitzt.

Unterhaltungsunternehmen

Mit Schmit an der Spitze ist Super RTL Marktführer geworden, hat sich vom reinen Fernsehsender zu einem profitablen „Unterhaltungsunternehmen“ entwickelt. Wobei Super RTL, das je zur Hälfte zum Disney-Konzern und zur RTL Group, also Bertelsmann, gehört, immer noch mit den Werbeeinnahmen aus dem Fernsehgeschäft das meiste Geld verdient. Die Bruttowerbeerlöse lagen 2018 insgesamt bei 320 Millionen Euro. Damit ist Super RTL zwar ein kleiner Fisch im Reich der RTL Group (6,5 Milliarden Euro Umsatz), kann aber eine Rendite von knapp über 25 Prozent vorweisen.

Wenn Claude Schmit aus dem Fenster seines Büros im Kölner RTL-Komplex direkt am Rhein blickt, schaut er auf das Super-RTL-Logo auf dem alten Messeturm. „Super“ ist auch eines seiner Lieblingswörter, vielleicht ergibt sich das einfach so auf diesem Posten.

Aber dann ist da noch sein Lebenslauf, den man filmreif nennen könnte und in dem definitiv nicht alles „super“ war. Der gebürtige Luxemburger wollte Polizei-Offizier werden, studierte Wirtschafts- und Strafrecht sowie Betriebswirtschaftslehre in seiner Heimat und in Paris. Mitte der 1980er Jahre wurde er im Auftrag der Vereinten Nationen für vier Monate als Wirtschaftsexperte nach Haiti geschickt, wo Diktator Jean-Claude Duvalier, genannt Baby Doc, herrschte. Schmit nennt die Haiti-Episode „die spannendste Zeit, die ich je erlebt habe“, inklusive „einiger nicht so schöner Begegnungen mit Duvaliers Privatgarde“.

Start der Karriere beim Stahlkonzern

Nach dem Abschluss des Studiums in Paris arbeitete er für den Luxemburger Stahlkonzern Arbed, war gleichzeitig zwei Jahre lang Forschungsassistent an der Universität Tokio und baute fünf Jahre lang von New York aus für Arbed das Südamerika-Geschäft auf. Dann der Wechsel zur Compagnie Luxembourgeoises de Télédiffusion (CLT), die später in der RTL Group aufging und wo Schmit sich erst um das Osteuropa-Geschäft und schließlich seit 1994 um die Gründung des Kindersenders Super RTL kümmerte. Aus dem Globetrotter war ein sesshafter Familienvater geworden.

Doch kaum zum Super-RTL-Geschäftsführer ernannt, starb Ende 1999 seine erste Frau an Krebs. Schmit war plötzlich alleinerziehender Vater von drei Kindern, das jüngste war anderthalb. Den Gesellschaftern habe er mitgeteilt: „Meine Priorität gehört jetzt den Kindern, nicht ungebrochen dem Geschäftsleiterposten.“ Seine zweite Frau, eine Logopädin, brachte später selbst drei Kinder mit in die Ehe, macht zusammen sechs, was keine schlechte Basis für den Chef eines Kindersenders ist. 2014 dann der nächste Schlag, als bei Claude Schmit ein Hirntumor entdeckt wurde. Operation und Bestrahlung verliefen erfolgreich, Schmit sagt heute: „Man wird demütiger.“

Arbeit des Chirurgen relevanter

Ob er Super RTL leite oder nicht, sei im Vergleich zur Arbeit des Chirurgen, der ihn operiert habe, „eher weniger relevant“. Noch länger dauerte seine berufliche Auszeit, als er wiederum zwei Jahre später bei der Gartenarbeit in einen drei Meter tiefen Lichtschacht stürzte und sechs Operationen nötig wurden. Schmit, der sich als junger Mann bereits einen Arm (Karate) und ein Bein (Fallschirmspringen) brach, erlitt Brüche an beiden Füßen und Beinen, zudem waren die Sprunggelenke zertrümmert.

Auf die Frage nach der besten Erfindung antwortet Schmit: „Das Gerät, das mir geholfen hat, meinen Tumor loszuwerden.“ Schmit ist bis heute als Pfadfinder aktiv, er spricht vier Sprachen, mag Pommes und Schokoladendesserts, Sportwagen und Walzer. Was er nicht mag: Gebratene Leber, Donald Trump und Leute, die versuchen, die eigenen Fehler durch abstruse Behauptungen einem anderen in die Schuhe zu schieben. „Das nervt mich zu Tode.“ Aber allgemein „rege ich mich relativ wenig auf. Da muss es schon ganz dicke kommen.“ Schmit nennt sich gerne den „Hüter der Zentrifugalkräfte“ und bezeichnet sich als Manager, der Entscheidungen nur „moderiere“, statt sie von oben zu verfügen. „Warum sollte meine Einzelmeinung wichtiger sein als die kollektive Meinung des Schwarms?“, fragt er rhetorisch.

So gibt es eine ganze Reihe von Gründen, wieso Claude Schmit der dienstälteste Senderchef in Deutschland geworden ist.

Zur Startseite