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Macherinnen. Medienforscherin Elizabeth Prommer (links) und die Studien-Initiatorinnen Maria (Mitte) und Elisabeth Furtwängler. Foto: Christoph Söder/dpa

© Christoph Söder/dpa

Studie zur Diversität: Weiße Männer machen Fernsehen

Aber Frauen holen auf, wenigstens in der Fiktion. Diversität bleibt ein großes Thema für die TV-Zukunft.

Der Fortschritt, heißt es gerne, ist eine Schnecke. Aber er kann auch eine Rennschnecke sein. In den fiktionalen Produktionen des Fernsehens jedenfalls beginnt sich die Geschlechterlücke zu schließen. Waren 2016 nur 43 Prozent Frauenrollen, so ist dieser Anteil vier Jahre später auf 45 Prozent gestiegen. Männer halten bei 55 Prozent. Diese Zahlen finden sich in der Studie „Sichtbarkeit und Vielfalt“, in Auftrag gegeben und finanziert von verschiedenen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern und der MaLisa-Stiftung von Maria und Elisabeth Furtwängler. Eine vergleichbare Untersuchung gab es schon 2016, damals und aktuell durchgeführt von einem Team um die Medienforscherin Elizabeth Prommer an der Universität Rostock.

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Was für die Fiktion gilt, gilt freilich nicht für die übrigen Fernsehgenres. In der nonfiktionalen Unterhaltung kommen die Männer auf 66 Prozent, Frauen auf 34 Prozent (2016: 31 Prozent), in der Information liegt der Männeranteil bei 67 Prozent, jener der Frauen bei 33 Prozent(2016: 32 Prozent).

Die Studie bleibt nicht bei der bloßen Geschlechterverteilung stehen. Erkennbar wird beispielsweise, dass in der Information, wo zwischen Reporterinnen/Moderatorinnen und ihren männlichen Pendants dank des gestiegenen Wertes beim weiblichen Personal fast schon ein Gleichstand zu verzeichnen ist, die Zahl der Expertinnen und weiblichen Gäste mit 26 Prozent auf einem niedrigen Niveau verharrt. Das ist umso verwunderlicher, als in der Realität Frauen zu 75 Prozent im Gesundheits- und Pflegesektor arbeiten, in der Bildung sind es sogar 80 Prozent, wie die Studie zeigt.

Quiz und Unterhaltung in männlicher Hand

Fest in männlicher Fernsehhand sind auch Quiz- und Unterhaltungsformate, Comedy und Tiersendungen, nur bei den Kochshows halten sich die erhobenen Zahlen – 46 Prozent Frauen, 54 Prozent Männer – beinahe die Waage. Im Kinderfernsehen wurden zuletzt ebenfalls mehr weibliche Figuren sichtbar. Für die sogenannte MaLisa-Studie wurden im vergangenen Jahr übrigens repräsentative Stichproben von fast 3000 TV-Einzelsendungen, die 70 Prozent Marktanteil in 17 Programmen entsprechen, mit über 25 000 Protagonistinnen und Protagonisten, Hauptakteurinnen und Hauptakteuren erhoben.

Wer die weiteren Ergebnisse der Studie in Betracht zieht, der darf durchaus diesen Schluss ziehen: Weiße, heterosexuelle Männer gestalten und prägen das deutsche Fernsehen über alle Genres und Altersgruppen hinweg, zwar schwächer als in der Vorgängerstudie, aber unverändert dominant – auf eine Frau kommen zwei Männer. Die Fiktion ist noch die Ausnahme, trotzdem ist die Geschlechtergerechtigkeit insgesamt auf einem guten, allerdings noch sehr steinigen Weg.

Menschen mit dunklerer Hautfarbe unterrepräsentiert

Die aktuelle Studie greift noch weiter aus. Demnach sind auch Menschen mit dunklerer Hautfarbe unterrepräsentiert. Personen mit einer erkennbar schweren Behinderung werden im TV ebenfalls kaum gezeigt. Und bei der sexuellen Orientierung ist Homosexualität viel weniger präsent als in der Bevölkerung Deutschlands.

Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, sagte in einer Diskussionsrunde: „Wir sind nicht divers genug und daran müssen wir etwas ändern.“ Die Sender müssten die Gesellschaft abbilden – „Zeigen, was“, so das Schlesingersche Diktum – und zugänglich sein für alle. Das betreffe Minderheiten, aber beispielsweise auch Menschen ohne Abitur. „Wenn wir nicht alle abholen, sind wir noch nicht gut genug.“ Doch das Programm sei noch sehr geprägt von der Mehrheitsmeinung der Mehrheitsgesellschaft. Sie sagte, für den RBB werde aktuell ein elektronisches Tool entwickelt, mit dem alle zwei Monate auch die Diversität auf den Bildschirmen ermittelt werden solle. Und Schlesinger gestand auch zu, dass der wachsende Anteil der diversen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den RBB-Programmen nicht auf den ungeteilten Beifall der Zuschauerinnen und Zuschauern stoße – was den Sender aber nicht von seinem Ziel eines Rundfunks abbringen werde, der die 35 Prozent an Berlinerinnen und Berlinern mit migrantischem Hintergrund abbilde.

Vielfaltsdimensionen

Dass die Vielfaltsdimensionen in der Gesellschaft auch das Fernsehen repräsentieren müsse, daran waren sich die anderen Senderverantwortlichen einig. Hier bestehe viel Nachholbedarf. Der für den Bereich Entertainment zuständige Geschäftsführer der Seven.One Entertainment Group bei ProSiebenSat1, Henrik Pabst, betonte: „Bei der Diversität muss viel mehr gemacht werden.“ ZDF-Intendant Thomas Bellut führte aus: „Wenn man als moderner Sender erfolgreich sein will, muss diese Gesellschaft komplett abgedeckt werden.“

Der Geschäftsführer von RTL Television, Henning Tewes, nannte aus seinem Sender die preisgekrönten Formate „Prince Charming“ und „Princess Charming“, bei denen homosexuelle Kandidaten die Liebe fürs Leben suchen – das Ganze ist an das „Bachelor“/„Bachelorette“-Konzept angelehnt. Tewes sagte: „Weil es erfolgreich ist, ist es dann irgendwann kein Leuchtturm mehr, sondern wird zur Normalität.“ Auf diese Art und Weise müsse man weiter gehen.

Nur 30 Prozent der Projekte stammen von Frauen

Aber schon die Aussage von Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin Medienboard Berlin Brandenburg, der wie andere Förderinstitutionen die Durchführung der Studie finanziell unterstützt hat, zeigt, dass das, was auf den Bildschirmen zu sehen ist, gleich ob TV oder Kino, eine Konsequenz dessen ist, was produziert werden konnte. Nur 30 Prozent der Projekte, die zur Förderung beim Medienboard eingereicht werden, stammen von Frauen. Je höher übrigens das Budget eines (Fernseh-)Films ist, desto mehr komme der Antrag von Männern.

Interessant auch die Beobachtung, dass die Teilnehmerinnen der Diskussion, darunter auch ARD-Filmintendantin Karola Wille, für eine 50/50-Quote votierten, während die Männer sich mehrheitlich dagegen aussprachen. Aber keiner wollte sich dem Petitum von RBB-Chefin Schlesinger verschließen: „Das Eis ist gebrochen und wir müssen dafür sorgen, dass es sich hinter dem Eisbrecher nicht wieder schließt.“

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