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Der berühmte Nike-Schriftzug wird von Islamisten missbraucht, um für den Dschihad zu werben.

© Jugendschutz.net

Studie um "Pop-Dschihad": Wie Islamisten um Nachwuchs werben

Islamisten ködern Jugendliche im Netz - und gehen dabei immer professioneller und radikaler vor, wie eine neue Studie zeigt.

Erst zwölf Jahre ist der Junge etwa alt, er trägt einen Kampfanzug mit Camouflagemuster, vor ihm kniet ein Mann mit verbundenen Augen, angeblich ein Spion. Der Junge zielt mit einer Waffe auf seine Stirn. Und drückt ab. Zu sehen ist die Szene auf Youtube, Anhänger des sogenannten Islamischen Staats (IS) haben das Video hochgeladen. Sie wollen demonstrieren, wie brutal die Dschihadisten sind. Vor allem aber wollen sie neue Anhänger gewinnen mit der einfachen Botschaft: „Wenn schon Kinder für den IS kämpfen, warum nicht auch Du?“

Wut schüren, Hass anstacheln

Tausende solcher Aufnahmen gibt es im Netz, vor allem in sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Youtube werden sie veröffentlicht und dort wiederum von Anhängern geteilt – längst in einer Masse, die kaum mehr zu kontrollieren ist, sagte Stefan Glaser, stellvertretender Leiter von Jugendschutz.net. „Es ist erschreckend zu sehen, wie schnell der IS und seine Sympathisanten Kampagnen entwickeln und verbreiten“. Brutale Gewaltdarstellungen würden gezielt eingesetzt, „um Wut zu schüren und zum Hass anzustacheln, aber auch um zu verängstigen und zu schockieren“.

1050 Verstöße gegen den Jugendschutz hat Glaser seit 2011 zusammen mit seinen Kollegen im Netz ausgemacht im Rahmen von islamistischer Propaganda, nur ein Bruchteil dessen, was auf den Plattformen zu finden ist, erklärte Glaser, als er am Donnerstag in Berlin eine Studie zum Islamismus im Netz vorstellte, an der auch die Bundeszentrale für politische Bildung mitgearbeitet hat.

"Call of Duty" wird zu "Call of Dschihad"

Täglich würden neue Inhalte verbreitet, die schnell mehrere zehntausend Klicks erreichten, auch, weil sie so professionell gemacht seien: Islamisten würden sich der Popkultur bedienen, Markensymbole wie der Nike-Schriftzug würden beispielsweise für den Aufruf zum Dschihad missbraucht, Figuren wie Spongebob oder Transformers würden Hassbotschaften in den Mund gelegt. Aus dem Computerspiel „Call of Duty“ wird „Call of Jihad“, in dem die Spieler „Ungläubige“ töten müssen.

Der Islamische Staat werde in hollywoodähnlichen Videoclips inszeniert wie ein Paradies, in dem es den Bürgern an nichts mangele, Kämpfe in Syrien als „Live-Event“ im Netz übertragen. Der Märtyrertod werde als „Dienst an Gott“ verklärt, islamistische Kämpfer aus Deutschland zu Helden-Ikonen stilisiert.

Ähnlich gingen seit Jahren auch Rechtsextreme online auf Menschenfang, sagte Glaser. Diese seien dabei jedoch weniger zielstrebig und schlechter finanziert als die Islamisten. Die Zahl der handwerklich ausgereiften Köder-Videos und die darin enthaltene Gewalt habe mit steigender Bekanntheit der Dschihadisten des IS eindeutig zugenommen, fügte der Jugendschützer hinzu.

Menschen werden geköpft, gefoltert, erschossen,

Nahezu täglich durchforsten zwei Mitarbeiter von Jugendschutz.net das Netz und soziale Medien nach jugendgefährdender und gewaltverherrlichender IS-Propaganda. Sie sehen, wie Menschen in den Videos geköpft, gefoltert, erschossen werden. Jugendschutz.net bietet den Mitarbeitern bei Bedarf psychologische Beratung und Traumata-Hilfe an, um das Gesehen verarbeiten zu können.

Angesichts der schieren Masse an Videos, Bildern und Texten ist es für einzelne Menschen aber unmöglich, diese den Plattformbetreibern zu melden und löschen zu lassen. „Ohne Unterstützung der Plattformen selbst geht es nicht. Sie müssen auch von alleine tätig werden und Inhalte löschen“, sagte Glaser.

Während sich Facebook & Co beim Thema Rechtsextremismus und Hatespeech schwerer tun würden, hätten sie für die islamistische Propaganda eine höhere Sensibilität und würden gegen diese schneller vorgehen. Etwa 65 Prozent der 1050 Verstöße seien bereits gelöscht worden, teilte Patrick Frankenberger, Referent für Islamismus bei Jugendschutz.net, mit. Allerdings würden die plattformeigenen Algorithmen den Islamisten in die Hände spielen, so Glaser. Wer sich beispielsweise ein Gewaltvideo angesehen habe, bekomme automatisch weitere ähnliche Videos vorgeschlagen.

Jugendschutz.net fordert bessere Prävention

Die Inhalte zu löschen, sei aber nur ein kleiner Schritt, um der islamistischen Propaganda entgegenzuwirken, betonte Glaser. Er dringt darauf, dass der Bereich Prävention deutlich ausgebaut werde. Dafür müssten Pädagogen in allen Bildungsbereichen wissen, welche entscheidende Rolle das Internet für Radikalisierungen spielt und Jugendliche für das Thema sensibilisieren. Denn was nicht passieren dürfe: Dass der zwölfjährige Dschihadist zum Vorbild wird.

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