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ARD-Alternative zu Netflix? Mireille Mathieu singt sich beim „Adventsfest der 100.000 Lichter“ die Kehle aus dem Leib.

© dpa

Streaming verändert TV: Anders - aber wie?

ARD & Co. reagieren auf Netflix & Co.: Weniger Fiktion, mehr Show – aber nicht mehr Information

Es sind nicht Amazon Prime und Netflix allein, die dem klassischen Fernsehen in der Nutzergunst zu schaffen machen. Youtube, Pay-TV, die Mediatheken der Sender und weitere On-demand-Angebote sind auf dem Vormarsch; bei den Jüngeren, so hat es die ARD/ZDF-Onlinestudie 2018 herausgefunden, hat der nonlineare, mobile Konsum von Bewegtbildinhalten bereits die traditionelle Nutzung – „Tagesschau“ um 20 Uhr wird um 20 Uhr eingeschaltet – überholt.

Klar aber ist, dass die Fernsehsender auf die geänderten und sich weiter ändernden Nutzungspfändern bei TV und Streaming reagieren müssen. Und sie haben reagiert, wie eine Auswertung von Media Control der wichtigsten Formate in den öffentlich-rechtlichen wie privaten Programmen zeigt.

Amazon und Netflix bieten fast ausschließlich Fiktion als Serie und Film, ein bisschen Comedy kommt noch hinzu. Die Wucht, mit der die Streamingdienste gerade im Seriellen auftreten, hat die deutschen Sender unterschiedlich reagieren lassen. Die ARD hat das Volumen an Serien-Minuten von 91.410 (2015) auf 77.285 (2018) geschrumpft. Das ZDF blieb mit 104.914 Minuten auf vergleichbarer Flughöhe, bei den Privatsendern wurde die Serie in der Regel gekürzt, nur RTL sticht mit einem Anstieg von 58.531 auf 79.333 Minuten heraus.

Der Spielfilm wird zunehmend gestrichen

Oben auf der Streichliste steht der Spielfilm. Bei der ARD ging das Volumen von 44.553 Minuten (2015) auf 29.436 Minuten in diesem Jahr runter, ProSieben reduzierte von 82.830 Minuten auf 67.474 Minuten, einzig Sat 1 suchte sein Heil darin, den Spielfilm stärker zu prononcieren: 38.723 Sendeminuten in 2015 standen drei Jahre später 48.864 Minuten gegenüber.

Zu diesen Einzelbefunden treten generelle Erkenntnisse. Die Fernsehsender suchen im Unterhaltungssegment – Serie, Spielfilm, Show – vermehrt die Abgrenzung zur Streamingkonkurrenz. Ihrer Überzeugung nach funktioniert das am besten mit der selber produzierten Show. Ob das Quiz „Wer weiß denn sowas“ im Ersten, „Das Supertalent“ bei RTL oder „Das Duell um die Welt“ bei ProSieben – speziell am Samstag soll das Fernsehvolk mit Wissen, Wettkampf und Casting unterhalten werden. Entsprechend fällt die Steigerung der Volumina aus: Das Erste verdoppelte fast seinen Einsatz (25.826/45.837), RTL will mit 65.222 Sendeminuten (2015: 46.952) Marktführer sein, auch RTL 2 (2015: 4.789/2018: 5.796) beweist Show-Ehrgeiz.

Kaum Zuwachs bei der Information

Wer nun erwartet hätte, dass die Sender bei jenen Formaten, die die Streamer gar nicht anbieten, massiv zulegen, der sieht sich getäuscht. Das vielleicht deutlichste Distinktionsmerkmal – die Nachrichten – sieht die ARD 2015 bei 42.421 Minuten, 2018 sind es 39.912 Minuten. Das ZDF ist im laufenden Jahr mit 36.229 Minuten nahezu deckungsgleich beim Wert von 2015. Bei den Privaten gibt es in Sachen News mehr Verluste als Gewinne. Zugleich zeigt sich in der Information die klarste Unterscheidung zwischen den öffentlich-rechtlichen und den kommerziellen Anbietern. Ob Magazin oder Reportage oder Dokumentation – ARD und ZDF sind bei der Fernsehpublistik eindeutig vorne. Wobei das Erste bei Magazinen von 102.783 Sendeminuten in 2015 auf 110.049 zugelegt, das ZDF von 126.442 Minuten auf 119.325 Minuten abgenommen hat. Das Zahlentableau führt auch vor, dass das öffentlichrechtliche Fernsehen auf die private und die Streaming-Konkurrenz nicht mit seinem eigentlichen Pfund reagiert hat: mit Ausbau und Vertiefung der Information.

Immerhin räumt die Auswertung von Media Control mit dem Vorurteil auf, dass in diesen Programmen immer mehr „gequatscht“ werde. Die Volumina bei den Talk/Gespräch/Interview sind im Ersten von 18.729 Minuten in 2015 auf 14.816 Minuten in 2018 gesunken, beim ZDF haben die Genres von 16.464 auf 12.737 Minuten verloren. Joachim Huber

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