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Ungewollte Rolle als Bittsteller: Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) sucht die Unterstützung der Sternenflotte für seine Rettungsaktion – vergeblich.

© CBS

„Star Trek Picard“ startet bei Amazon Prime: Mission Menschlichkeit

„Star Trek Picard“: Sir Patrick Stewart fliegt die neue aufgelegte Science-Fiction-Reihe zurück in eine bessere Zukunft. Politische Bezüge sind dabei kein Zufall.

Jean-Luc Picard, der Ex-Kommandant des Raumschiffs Enterprise und spätere Admiral der Sternenflotte, verbringt seinen Lebensabend dort, wo andere Menschen gerne Urlaub machen würden: auf einem Weingut in Frankreich. Dort lebt er zusammen mit seinem treuen Hund „Number one“, der nicht von seiner Seite weicht und dem einstigen Weltenentdecker unter anderem als Frühwarnsystem für übelmeinende Besucher dient.

In sieben Staffeln von „Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert“ zwischen 1987 und 1994 und vier Kinofilmen danach hat Jean-Luc Picard die Zuschauer an der Erforschung fremder Kulturen und intergalaktischer Phänomene teilhaben lassen. Mit Picard erschuf der britische Schauspieler Sir Patrick Stewart den perfekten Gegenentwurf zu dessen Vorgänger, dem impulsiven James T. Kirk (William Shatner). Picard, so wird er zu Beginn der neuen Reihe charakterisiert, steht für die außergewöhnliche Mischung aus Entdecker, Diplomat, militärischer Stratege, Autor analytischer Texte und einen Mann, den zu jeder Zeit seine uneingeschränkte Menschlichkeit auszeichnet. Fast schon zu viel für eine Person.

[„Star Trek Picard“, Amazon Prime, zehn Episoden im wöchentlichen Rhythmus, ab Freitag]

Wenn Picard jetzt morgens aus dem Schlafzimmerfenster des rustikal eingerichteten Natursteinhauses blickt, sieht er, wie automatisch gesteuerte Landwirtschaftsmaschinen seine Weinstöcke in perfekter Harmonie bewässern. Auf Wunsch bereitet sein Lebensmittel-Replikator ihm einen Earl Grey – entkoffeiniert. Zu viel Aufregung könnte schädlich sein. Als er sich entschließt, diese pittoreske Welt zu verlassen, wird er jedoch sagen, dass er hier nicht wirklich gelebt, sondern auf den Tod gewartet hat. Denn natürlich kann das Chateau Picard nur der Ausgangspunkt für das neue, noch größere Abenteuer sein, das zwei Jahrzehnte nach unfreiwilligem Ausscheiden aus der Sternenflotte auf ihn wartet.

Zweite Staffel bereits bestätigt

Die neue Star-Trek-Reihe, von der bereits vor dem Start eine zweite Staffel bestätigt wurde, steht für etwas, von dem viele Amerikaner – und nicht nur diese – befürchten, dass es seit der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump abhanden gekommen ist. Wie kein Anderer aus dem Star-Trek- Universum verkörpert Picard Werte wie Verlässlichkeit, Loyalität, Integrität, rationales Verhalten und Humanität. Dass viele Schaltstellen der Macht in „Star Trek Picard“ inzwischen mit Frauen besetzt sind, hat die Welt allerdings nicht besser gemacht. Gleichstellung ist kein Wert an sich.

Patrick Stewart, obwohl mit 79 Jahren in fortgeschrittenem Alter, hat an Präsenz nichts verloren. Er gibt seiner Figur weiterhin jene natürliche Autorität, die Picard diesmal besonders nötig hat. Denn auf offizielle Unterstützung kann er nicht bauen. Einzig Stewarts Stimme hat etwas an Kraft verloren – außer in den Momenten, auf die es ankommt. Dann wird aus seiner Schelte auf die Sternenflotte, die seiner Meinung nach nicht nur unehrenhaft, sondern schlicht kriminell gehandelt hat, ein wahres Donnerwetter.

Mit fester Stimme und entschlossener Mine hält er in solchen Momenten mit keiner Kritik hinterm Berg. Weder hat er der Sternenflotte die halbherzige Hilfe bei der Rettung der Romulaner, deren Welt von einer Supernova zerstört wurde, verziehen noch die Entscheidung akzeptiert, auf Androiden zu verzichten, weil einige fehlprogrammierte Exemplare auf dem Mars eine Katastrophe ausgelöst hatten. Jean-Luc Picard wird niemals die Freundschaft zu Android Data vergessen. Data (Brent Spinner) ist es auch, der die Verbindung zwischen „Star Trek: The Next Generation“ und der neuen Serie herstellt.

Dahj (Isa Briones) bittet Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) nach einem Mordanschlag um Hilfe.
Dahj (Isa Briones) bittet Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) nach einem Mordanschlag um Hilfe. Und löst damit eine intergalaktische Such- und Rettungsaktion aus.

© CBS

Eine junge Frau besucht Picard auf seinem Weingut, berichtet von einem Attentat auf sie, bei dem ihr Freund ums Leben kam. Doch was Picard mindestens ebenso erstaunt: Dahj (Isa Briones) gleicht einer Frau, deren Bild der Android Data vor 30 Jahren gemalt hatte. Der Titel des Gemäldes: „Daughter – Tochter“. Kurz darauf ist Dahj verschwunden, die Ereignisse spitzen sich zu und Picard startet eine interstellare Such- und Rettungsaktion.

Ganz einfach war es übrigens nicht, Patrick Stewart ein weiteres Mal für die Science-Fiction-Serie zu gewinnen. Erst ein längeres Exposee von Mitautor Michael Chabon und die Aussicht, einen ganz anderen Picard spielen zu können, hätten ihn überzeugt, erzählte der Schauspieler. Auch andere Akteure aus „Das nächste Jahrhundert“ sind wieder dabei, allen voran seine ehemaligen Weggefährten Commander William T. Riker (Jonathan Frakes) und Counselor Deanna Troi (Marina Sirtis). Und auch Seven of Nine (Jeri Ryan), einst von den Borg assimiliert und später von der U.S.S. Voyager befreit, schließt sich dem Rettungskommando an.

Eine neue, überraschende Spezies

Star Trek war seit der ersten Staffel 1966 immer auch das Versprechen auf ferne Welten und unbekannte Lebensformen. Vulkanier, Klingonen, Romulaner und Borg, ohne sie ist die Reihe nicht vorstellbar. Aber es wird auch eine neue Spezies geben – die eine zentrale Rolle für das neue Abenteuer spielt, verriet Star-Trek-Produzent und -Autor Alex Kurtzman dem Tagesspiegel. Neue intergalaktische Gadgets sind dagegen – zumindest in den ersten drei Episoden – nicht zu erkennen. Virtuelle Bildschirme wirken jedenfalls wenig utopisch.

Den Versuch, den von Gene Roddenberry gestarteten fiktionalen Aufbruch der Menschheit in den Weltraum neu zu beleben, hatte es zuletzt durch die Kinoreihe gegeben. Regisseur J. J. Abrams hatte der Reihe mit dem elften Film 2009 einen kompletten Neustart verordnet, in dem er die Besatzung der ursprünglichen Enterprise mit Kirk, Spock, Pille, Scotty und Uhura mit einer neuen Schauspielergeneration besetzte – und dabei zugleich die Staffelübergabe von Leonard Nimoy zu Zachary Quinto hinbekam.

Mit „Star Trek Picard“ ist 20 Jahre nach dem Film „Star Trek Nemesis“ eine mehr als würdige Weiterentwicklung der Reihe entstanden. Der Kampf zwischen den Werten der Vergangenheit und dem Opportunismus der Gegenwart verschafft der Erzählung zudem eine tiefere Bedeutung, die einem Kommandanten wie Jean-Luc Picard und einem Shakespeare-Darsteller wie Sir Patrick Stewart gerecht wird.

Mit Marvel oder Star Wars wolle man nicht konkurrieren, sagte Kurtzman im Vorfeld der Premiere. Man wolle „Star Trek“ vielmehr auf eine neue Ebene heben. Doch bei dem Ziel, damit ein neues, jüngeres Publikum zu erreichen, dürfte es „Star Trek Picard“ schwer haben.

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