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Traumschiff-Kapitän Ryan Clark (Hugh Laurie) muss die Passagiere auf dem Raumkreuzer „Avenue 5“ ständig bei Champagnerlaune halten

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Sky-Spaß "Avenue 5": Luxus-Odyssee im Weltraum

„Avenue 5“ ist eine Space-Comedy mit einem formidablen Hugh Laurie am Joystick.

Von Andreas Busche

Angenommen, ein milliardenschweres Riesenbaby mit zu viel Technikspielzeug im Kinderzimmer sucht in naher Zukunft einen Kapitän für seinen interstellaren Luxusliner auf Jungfernfahrt in der Nähe des Saturn: Entscheidet er sich für einen Flugleiter mit Kompetenz und Übersicht oder für einen schneidigen Uniformträger, der sich optisch gut zwischen den Schönen und Reichen macht? Das ist im Prinzip die Prämisse von „Avenue 5“, der neuen Comedyserie von „Veep“-Showrunner Armando Iannucci.

Der Witz besteht darin, dass das Riesenbaby, gespielt von Josh Gad, klar, die zweite Variante wählt. Hugh Laurie könnte man natürlich den ganzen Abend lang in einer Offiziersuniform zusehen: Als Performer, dem angeborenes Charisma aus allen Poren strömt, versteht sein Kapitän Ryan Clark es, seiner Luxus-Klientel jede noch so peinliche Unpässlichkeit schönzureden. Etwa wenn der tote Bord-Ingenieur nach einem Unfall an der Außenhülle dank des schiffseigenen Gravitationsfelds plötzlich vor den Augen der Passagiere am Panoramafenster vorbeitrudelt. Inkompetenz als Sekundärtugend, das ist die Spezialität von Iannucci und seinem Autorenteam: je blumiger und obszöner die Verbalinjurien, desto besser.

Dass „Avenue 5“ auf einem Raumschiff spielt, ist letztlich nicht weiter von Belang. Die Dialoge bekommen so einen leichten Techie-/Nerd-Witz, ähnlich wie in der supererfolgreichen Space-Sitcom „The Orville“ von Seth MacFarlane („Family Guy“), aber die beste Science Fiction hat schon immer mehr über die Gegenwart als über die Zukunft erzählt.

Autorität nur als Illusion

„Avenue 5“ dreht sich vor allem um Lauries Figur, die die Illusion von Autorität aufrechterhalten muss, während an Bord so ziemlich alles schiefgeht, was nur schiefgehen kann. Clark ist ein Kapitän-Darsteller, das Steuer ist eine Joystick-Attrappe, und die Crew auf der Brücke besteht aus Handmodels und gescheiterten Schauspielern. Eigentlich wird das Schiff von einer Gruppe vorlauter Nerds im Maschinenraum gesteuert.

Fans der hochdekorierten Polit-Sitcom „Veep“ sollten sich früh an den gedrosselten Dialogwitz in „Avenue 5“gewöhnen. Viele der Gags sind auf Laurie zugeschnitten: seinen englischen Akzent, der unter Stress immer wieder hinter seiner amerikanischen Nonchalance hervorbricht (was seine Kompetenz nur weiter untergräbt), die fadenscheinige Seriosität seiner Stoik, mit der er schon in „Veep“ sein „House“-Image genüsslich karikierte. Hugh Laurie hat eine zweite Karriere als Jazz-Pianist, obwohl er nach eigenem Bekunden ein lausiger Musiker ist. Aber wer ohne Talent Konzertsäle ausverkauft, kann auch 5000 neureiche Passagiere bei Laune halten – selbst wenn das Schiff nach einem technischen Schaden immer weiter von der Erde wegdriftet.

Die Besetzung an Bord trägt zur Situationskomik nur bedingt bei. Der unschätzbare Zack Woods („Silicon Valley“) als indisponierter Chef-Steward bleibt blass, Josh Gad ist zu laut, was Iannuccis aggressiven Humor entschärft, das Ehepaar im Scheidungskrieg könnte auch auf dem „Traumschiff“ reisen und Rebecca Front (aus Iannuccis BBC-Serie „ The Thick of It“) als personifizierte Dauerbeschwerdestelle funktioniert leidlich als Pendant zum ostentativ desinteressiertem Opportunisten in Uniform. Einzig ebenbürtige Figur ist Lenora Crichlows Mechanikerin, die Lauries blasiertem Pokerface-Spiel immer wieder die Luft rauslässt.

Für Gesellschaftssatire sind die Witz zu zahm

Was genau Iannucci an der Science Fiction interessiert, erschließt sich nach den ersten vier Folgen nicht. Für eine Gesellschaftssatire sind die Witze zu unscharf und zahm. Die Dialoge wirken gemessen an früheren Serien uninspiriert, man vermisst seine lyrischen Obszönitäten. In puncto Schauwerten versucht Iannucci gar nicht erst, mit aktuellen Serien wie „Star Trek: Discovery“ oder „The Expanse“ zu konkurrieren. Und wo „The Orville“ aus den Budgetbeschränkungen wenigstens noch eine betont generische Sci-Fi-Ästhetik kreiert, wirkt das Setdesign von „Avenue 5“ regelrecht lustlos.

Wie immer phänomenal ist Nikki Amuka-Bird („Luther“) als Kontrolloffizierin auf der Erde, die mit wachsender Verzweiflung – und 30-sekündiger Verzögerung – die Katastrophen im All hilflos mitansehen muss. So ist es nicht zu viel verraten, dass die beiläufige Information in „Avenue 5“, dass in der Zukunft menschliche Fäkalien zum Schutz gegen kosmische Strahlungen benutzt werden, später noch eine große Rolle spielen wird.

„Avenue 5“, Sky, zehn Folgen

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