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Fahri Yardim

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Sky-Doku mit Fahri Yardim: Kodderschnauze im Klimawandel

Mit „SaFahri“ setzt Sky Nature den Trend fort, Naturdokumentationen weniger fachkundig als prominent zu präsentieren. Neu in Deutschlands Umwelt unterwegs: Fahri Yardim.

Naturdokumentationen sind auch nicht mehr das, was sie einst waren. Früher fuhren filmende Forscher von Heinz Sielmann über David Attenborough bis Jacques Cousteau mal mit, meist ohne akademischen Abschluss zu Wasser, zu Lande, in der Luft durch die Welt, erkundeten unter Einsatz von Leib, gar Leben die Elemente und wurden damit zuweilen berühmt. Mittlerweile aber halten viele Sachfilmer nur noch Kameras, vor denen Leute glänzen, die längst bekannter sind als alle Dokumentarfilmer zusammen.

Hannes Jaenicke zum Beispiel und Michael Kessler, von Leonardo DiCaprio oder Will Smith ganz zu schweigen. Was alle vier mit Morgan Freeman oder Samuel L. Jackson verbindet, die beide erst kürzlich Historytainment zur Geschichte des Rassismus lieferten: Presenter wie diese sind zutiefst haltungsgetrieben, gern zum Schutze der Umwelt, manchmal auch einfach aus Liebe zur Natur.

Aber Fahri Yardim? Der ist halt Fahri Yardim – Synonym für drolliger Kerl mit erfrischendem Hang zur Selbstironie.

So drollig, erfrischend, so selbstironisch, dass ihn Sky Nature heute aus seinem Kreuzberger Habitat zieht und dorthin verfrachtet, wo der Schauspieler noch fehlbesetzter wirkt als Plastiktüten im Korallenriff: zu den vier Elementen. „SaFahri“ heißt seine Expedition in die deutschsprachigen Teile von Erde, Wasser, Luft und Feuer. Ausgerüstet mit Funktionsjacke, Wanderschuh, Rucksack und seinem Hamburger Heimatidiom fährt er im ersten von vier Teilen also nach Thüringen und trifft dort – Stichwort Erde – ausgewiesene Naturkenner, die ihm – Wohnort Berlin – das Leben außerhalb besiedelter Räume erklären.

„Kann mich die Reise zu Mutter Erde erden?“, fragt uns dieser Metropolenmensch aus Überzeugung mit arglosem Dackelblick und antwortet viermal 45 Minuten: nicht ohne meine Faxen. Denn so sehr sich der deutschtürkische Wahlhauptstädter auch auf die natürliche Umwelt einlässt: er bleibt darin bei aller Neugier ein Fremdkörper, der die Fremdkörperfunktion allerdings nicht nur genießt, sondern auskostet.

Wenn ihn der thüringische Höhlenforscher zu Beginn der ersten von vier Folgen unter den Nationalpark abseilt, kreischt Fahri demnach wie Mädchen bei Jungs in der Umkleidekabine. Wenn ihm der westfälische Biobauer ein Huhn vor die Nase hält, greift er es wie überzeugte Singles das Baby der großen Schwester. Wenn ihn der Mecklenburger Paläoökologe ins Moor begleitet, beklagt der Großstädter giggelnd Fäulnisgerüche.

„Nur den Hamburger in mir rauslassen“

Verabreicht mit seinem gewohnt schnodderigen Kiezdialekt Marke St. Pauli lebt seine Naturdoku wie zwei Jahre zuvor die ProSieben-Gesellschaftsstudie „Fahri sucht das Glück“ also vom größtmöglichen Kontrast zwischen Presenter und Präsentiertem bei größtmöglicher Empathie für beides.

Es ist sein Paradepart, den er gerade in der Joyn-Serie „Jerks“ zur Perfektion bringt: sich selbst nur zu spielen und doch er selbst zu bleiben. „Ich ist ein anderer“, um mit Arthur Rimbauds Eigenbeschreibung zu sprechen. Er müsse daher „nix mühsam hervorkramen“, wie er schon Nick Tschillers Kollegen Yalcin Gümer beschrieb, „nur den Hamburger in mir rauslassen“.

Jetzt also lässt Sky den Hamburger im ländlicheren Teil der Republik bis rauf auf die Schweizer Alpen raus. Und ehrlich: das ist höchst unterhaltsam. Was es allerdings weniger ist: erhellend.

Denn so sehr Regisseur Heiko Lange den Vierteiler mit Infos über Forstwirtschaft und Klimawandel, Wasserhaushalt oder Umweltzerstörung anreichert, so naiv sein selbsterklärter Zyniker mit der kindgerecht gedrehten Mütze Sendung-mit-der-Maus-Fragen stellt: „SaFahri“ geht es nur am Rande um Erkenntnisgewinne.

Zentraler ist heiteres Edutainment mit einer Prise Peter Lustig, zwei Messerspitzen Aiman Abdallah und drei Löffeln Bernhard Hoëcker. Denn dem schlagfertigen Fahri ist die nächste Punchline ersichtlich wichtiger als Fakten, aber das ist auch okay.

Wer die Auswirkung von Umweltzerstörungen auf Deutschlands Elemente verstehen möchte, ist trotz der zeitgemäßen Tendenz zur sprachlichen wie musikalischen Überdramatisierung bei ARD-Dokumentationen besser aufgehoben.

Wer dagegen im Sachkundeunterricht nicht belehrt, sondern belustigt werden will, kommt bei Sky Nature eher auf seine, ihre Kosten. „Zwei Grad mehr sind doch erstmal nicht schlimm“, meint Fahri Yardim zur Sylter Wattökologin und das sogar völlig ernst. Heinz Sielmann war da schon 1950 weiter, aber weit weniger unterhaltsam.

Jan Freitag

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