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Der Maus wird es egal sein, durch wie viele Programme sie surft. Hauptsache, viele Kinder schauen zu. Foto: WDR

© WDR/Trickstudio Lutterbeck

"Sendung mit der Maus" bei ARD und Amazon: Überteuerter Kindergeburtstag

Da läuft was schief, wenn die Kinderprogramme von ARD und ZDF die Streamingplattformen von Amazon & Co. bereichern. Ein Kommentar

Meister Eder und sein Pumuckl“ bei Amazon Prime, „Bibi Blocksberg“ bei Netflix, Kinderprogramme von ARD, ZDF und Kika bei MagentaTV. Es ist schon eine Überraschung, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit attraktiven Inhalten jene Streamingplattformen noch attraktiver machen, die sie sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit bekämpfen.

Auch der Beitragszahler kann verwundert sein. Er hat mit seinen monatlich 17,50 Euro die Produktion von „Sandmännchen“, „Schloss Einstein“ oder der „Sendung mit dem Elefanten“ mitfinanziert – und jetzt muss er sich und seinen Kindern/Enkeln weiteres Sehvergnügen als Abonnent bei Amazon & Co. erkaufen. Der Rundfunkbeitrag hatte anderes versprochen und zwar das, was die Streamingdienste versprechen: Fernsehen mobil, nichtlinear, Programmwunscherfüllung, wann und wo du willst.

ARD und ZDF nennen Gründe, warum sie die vom Beitragszahler finanzierten Inhalte an die (US-)Plattformen weiterreichen. ARD-Sprecher Ralf Borchard sagt, „Ziel der ARD ist, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer über einen möglichst langen Zeitraum Zugang zum Programm haben.“ Ideal wäre es, wenn dies gebündelt an einer Stelle und mit klar erkennbarer Markenkennzeichnung erfolgen könnte. „Dies ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht zu realisieren“, sagt Borchard weiter. Ein Schritt in diese Richtung sei im vergangenen Jahr mit dem Channel ARD Plus gemacht worden.

Diesen Kanal wird der ARD-Zuschauer auf seiner Fernbedienung nicht finden. ARD Plus ist wie ARD Plus Kids, ZDF Select ist wie ZDFtivi Select ein kostenpflichtiges Internetangebot bei Magenta TV der Deutschen Telekom. Der Konzern konnte über 8000 Programme der Öffentlich-Rechtlichen erwerben, nutzbar für Magenta-TV-Abonnenten. Was hier wie bei Amazon und Netflix passiert: Attraktivität und Gewinne werden mit beitragsfinanzierten Inhalten gesteigert.

Ein ZDF-Sprecher erklärt, „die Lizenzierung von Inhalten an Video-on-Demand-/Streamingplattformen im Internet an nationale und internationale Partner gehört zum Aufgabengebiet von ZDF Enterprises“. Ralf Borchard von der ARD verweist darauf, neue Episoden der „Sendung mit der Maus“ würden prinzipiell zuerst im linearen Programm und in der ARD-Mediathek laufen. So viel Exklusivität muss sein.

Da fängt das nächste Problem an: Was wird in den Mediatheken wie lange zur Verfügung gestellt? Eine schlüssige Antwort ist nicht zu haben, die jeweilige Verweildauer bleibt eines der größten Rätsel deutscher Sender- und Rundfunkpolitik. Rätsel ist gleich Lücke ist gleich Einfallstor: Amazon, Netflix und Magenta bieten sich ungeniert als Problemlöser an. Sie hätten im Sortiment, was die Öffentlich-Rechtlichen mal und mal nicht in der Mediathek anbieten. ARD und ZDF sind ans nicht mehr zeitgemäße lineare System gekettet. Das „zementiert die alte Welt in der neuen“, kritisiert Medienwissenschaftler Volker Grassmuck.

ARD und ZDF erklären ihre Not zur Tugend. Erlöse aus dem Lizenzgeschäft kämen wiederum den eigenen Programmen zugute, Produzenten und weitere Leistungsschutzberechtigte würden profitieren, während der Rundfunkbeitrag über die Zusatzeinnahmen quasi veredelt wird. Dies alles würde nicht passieren, würden (Kinder-)Programme in der Schublade liegen. „Auch aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer entstünde kein Vorteil, wenn die entsprechenden Inhalte nicht verwertet werden“, sagt Borchard.

So weit, so schlecht. Anstalten und in gleicher Weise Politik haben eine Situation kreiert, die die Zahler und Zuschauer der erstklassigen Kinderprogramme von ARD, Kika und ZDF nur unzufrieden zurücklassen und nur aufgelöst werden kann, wenn eine Plattform für das Programmvermögen der Öffentlich-Rechtlichen installiert wird. Eine Plattform, die Amazon, Netflix und Magenta zu mehr eigener Anstrengung zwingt als nur zum Ausverkauf von ARD und ZDF.

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