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Zum Schreien. Die Story der SyFy-Serie „Spides“ ist genretypisch abstrus. Aliens wollen in Berlin mittels einer Partydroge die Macht übernehmen.

© SyFy

Science-Fiction-Serie "Spides": „Bei uns sind alle Berlin-Fans“

Showrunner Rainer Matsutani über die NBC-Universal-Serie „Spides“, Aliens in der Hauptstadt und seine Faszination für Körperfresser. Ein Interview.

Science-Fiction-Serien aus Deutschland galten lange als Ding der Unmöglichkeit, besonders dann, wenn sie Horrorelemente enthalten. Das hat sich mit dem Siegeszug der Streamingdienste geändert. Mit der Serie „Spides“ startete NBC Universal in dieser Woche nun ebenfalls seine erste deutsche SciFi-Horrorserie auf seinem SyFy-Channel (Sky und andere). Die Story ist genretypisch reichlich abstrus: Aliens versuchen mittels der Partydroge „Blis“ zunächst Berlin und dann die restliche Welt zu übernehmen. Im Zentrum der Handlung steht die junge Berlinerin Nora („Game of Thrones“-Darstellerin Rosabell Laurenti Sellers), die – aus dem Koma erwacht – eine weitreichende Verschwörung aufdeckt. Zur Gemengelage gehören ferner die Russenmafia, aber auch zwei unbestechliche Polizisten.

Herr Matsutani, Sie sind der Creator und Showrunner von „Spides“. Serien wie „Akte X“ können Kult werden, wenn Menschen die Handlung für glaubwürdig halten. Wie glaubwürdig ist die Serie?
Natürlich kann man an „Spides“ glauben, weil wir eine sehr realistische Herangehensweise haben. Bei uns landen die Aliens nicht in Raumschiffen. Die Entfernungen im All sind dafür zu groß. Die Aliens suchen darum eine andere Methode. In unserem Fall werden DNA-Informationen sequenziert und auf der Erde von menschlichen Helfen synthetisiert und über eine Droge an junge Leute verabreicht. Wir haben versucht, das wissenschaftlich möglichst fundiert zu machen.

Wie zeigt sich das?
Die realistische Herangehensweise gilt auch für die künstlerische Seite. Wir zeigen nicht das schöne Berlin, mit Fernsehturm, Brandenburger Tor und Friedrichstraße. Es ist ein alltägliches Berlin, mit einer düsteren, schmutzigen und authentischen Seite. Wir haben viel in Moabit, Wedding, Kreuzberg gedreht. Mitten in diesen Realismus lassen wir eine Alien-Invasion hereinplatzen. Das macht nach meiner Meinung den Reiz aus.

Haben Sie eine Berlin-Obsession? Für ProSieben haben Sie in „Das Inferno“ den Fernsehturm in Schutt und Asche gelegt. Nun also Aliens.
Ich fand Berlin schon immer faszinierend. Ich bin gleich nach dem Abi hierher gezogen, noch zu Mauerzeiten. Berlin war Geschichte und Berlin macht Geschichte. Gerade für die Jugend in aller Welt ist Berlin eine Hauptstadt. Diese Faszination nutzen wir für unsere Serie aus, die ihren Ausgangspunkt in der Clubszene hat. Auch die Leute von NBC Universal sind übrigens alle Berlin-Fans.

Aber was ist der deutsche Teil von „Spides“?
Neben dem internationalen Cast haben wir genauso viele deutsche Schauspieler. Beim Look und wie die Story geschrieben ist, mussten wir uns internationaler anpassen, auch die Dialoge sind etwas salopper. Die Serie läuft in Deutschland und zugleich in 40 anderen Ländern. Da konnte ich nicht zu deutsch werden in der Dramaturgie.

Was bedeutet das konkret?
Die Dichte an substanziellen Entscheidungen ist höher und existenzieller. Deutsche Protagonisten sind eher passiv und reflektierend. Ein angelsächsischer Held handelt singulärer und geht das Problem tatkräftig an. Mehr Shakespeare, weniger Thomas Mann.

Wie sieht ein internationalerer Look aus?
Zunächst einmal ist der Look viel wichtiger. Ich hatte einen Co-Regisseur, der aus der Werbung kommt. Es wurde mit zwei Kameras gedreht, die Schnittfolge ist schneller. Zudem haben wir für „Spides“ eine eigene Farbdramaturgie entwickelt, auf die auch Make-up und Kostüm abgestellt wurden.

Wie wichtig sind bekannte Film- und Serienzitate? Die übergroßen Fruchtblasen erinnern an „Matrix“, der Wissenschaftler im Rollstuhl an „Dr. Seltsam“, die Clubszene an die Serie „Beat“.
Dass Leute in einem Tank schwimmen, sieht man in beinahe jedem zweiten Science-Fiction-Film. Das sind klassische Bestandteile, aber keine bewussten Zitate. Und trotz des Wissenschaftlers im Rollstuhl sind wir thematisch weit entfernt von „Dr. Strangelove“. Uns ging es darum, dass die Figur selbst nicht perfekt ist, aber perfekte Wesen schaffen will.

Ein gewisser Wiedererkennungswert ist dennoch hilfreich.
Natürlich müssen die Leute sehen, um welches Genre es sich handelt, das läuft schließlich auf dem SyFy-Channel. Meine Inspiration war eine andere. Als meine Mutter einmal bei einem Elternabend war, habe ich mich zum Fernseher geschlichen und mir „Invasion der Körperfresser“ von Don Siegel angesehen …

… deutscher Titel: „Die Dämonischen“ …
… Ich habe noch nie etwas Faszinierenderes gesehen. Auch die Remakes habe ich mit großem Interesse verfolgt. Jede Verfilmung war immer auch ein sozialer, politischer und geschichtlicher Kommentar. Bei Don Siegel war es die Angst vor dem Kommunismus in den 1950er Jahren.

Um welche Ängste geht es heute?
Unsere Serie ist vor dem Hintergrund zeitgemäß, dass wir uns diese allgemeine Unruhe, die uns im Zeichen von Globalisierung, Digitalisierung, aufstrebendem China, der Unruhe in Russland und den USA erfasst hat, zunutze machen.

Die Idee für „Spides“ entstand 2014. Warum hat es so lange gedauert?
Trotz eines aufwendigen Trailers haben wir uns anfangs bei den deutschen Sendern rundherum Absagen geholt. Vom Medienboard Berlin-Brandenburg erhielten wir immerhin eine Förderzusage für die weitere Entwicklung. Im Writers- Room wurden dann acht Bücher entwickelt, aber wieder ohne Erfolg bei den deutschen Sendern. Erst als wir die Serie international anboten, änderte sich dies und wir erhielten von NBC Universal sofort grünes Licht.

Wie wichtig war die Förderung durch das Medienboard dafür, dass „Spides“ in Berlin spielt?
Diese Serie war immer als Berlin-Produktion gedacht, unabhängig von der Förderung. Ich habe die Serie mit dem Berliner Produzenten Alexander Kiening gemacht. Für uns kam nie etwas anderes als Berlin infrage.

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