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Dämonie der Technik. Unter der Führung des schrullig wirkenden visionären Amaya-Chefs Forest (Nick Offerman) wird im hinterwäldlerischen Silicon Valley an einer Art Super-Algorithmus getüftelt.

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Sci-fi-Serie „Devs“ auf Sky: Ist das da Jesus Christus?

Mord im Silicon Valley, Zeitreisen mit dem Quantencomputer: Die grandiose Sci-Fi-Serie „Devs“ auf Sky eröffnet neue Dimensionen des Erkennens.

Irgendwo im Silicon Valley, ein auffälliges Gebäude versteckt in einem Wald. Ein Programmierer sitzt neben dem anderen vor dem Computer. Im Raum nebenan, seltsam choreografiert zwischen Goldgittergewebe, brummt eine Maschine. Ein Quantencomputer. Der neue Programmierer, Sergei, fragt, wie viele Grundrecheneinheiten der Quanteninformatik hier verarbeitet werden können. Er bekommt zur Antwort: „Eine Zahl, die sich nicht mehr als Zahl schreiben lässt.“

Sergei starrt auf den Computer. Er blickt auf eine endlos lange Zahlenreihe, offenbar eine Zukunft mit unvorstellbaren Möglichkeiten. Der junge Mann rennt aufs Klo, übergibt sich. Was hat er gesehen? Was hat es mit den Algorithmen auf sich? Später wird er ermordet. Wer die Ideen hinter den Erscheinungen zu sehen bekommt, erblindet oder muss gar sterben. Für die Art Erkenntnis ist der Mensch nicht geschaffen. Oder doch?

Künstliche Intelligenz, Zeitreisen, Ko-Existenzen von Natur und Technik, Visionen der Zukunft und Fast-schon-Gegenwart: Kaum ein Kino-Regisseur hat dafür in den vergangenen Jahren so eindringliche Bilder geschaffen wie Alex Garland („Ex Machina“, „Auslöschung“). Mit dem achtteiligen Fox-Format „Devs“ hat sich der Brite aufs Seriengebiet gewagt („Devs“, acht Folgen, die wöchentlich auf Sky freigeschaltet werden) und auch hier, nehmen wir es vorweg, Maßstäbe gesetzt.

Vordergründig geht es um einen Mordfall im Silicon Valley, hintergründig ist das ein Diskurs über die Themen Freier Wille versus Determinismus, Glaube und Wissen, Natur und Technik. „Devs“ – nicht nur die Kurzform von „Developers“, sondern auch die historische lateinische Schreibweise von „Gott“ – erzählt von den Möglichkeiten, die Quantencomputer der Menschheit bieten. Und von den Gefahren.

Protagonistin ist die Softwareingenieurin Lily (Sonoya Mizuno), die beim fiktiven Silicon-Valley-Giganten Amaya arbeitet und dort Nachforschungen anstellt, nachdem ihr Freund, ebenjener Sergei (Karl Glusman), auf mysteriöse Weise verschwunden ist und sich dann selbst verbrannt haben soll. Der begabte KI-Spezialist war zuletzt in der geheimen Spezialabteilung „Devs“ tätig, mit dem Quantencomputer im Mittelpunkt.

Das wäre eine Art Gottesbeweis

Unter der Führung des verdächtig schrullig wirkenden visionären Amaya-Chefs Forest (Nick Offerman) und der Assistentin Katie (Alison Pill) wird an einer Art Super-Algorithmus getüftelt. Lily bekommt es bei ihrer Suche mit russischen Agenten und dem Sicherheitschef von Amaya zu tun, unterstützt von ihrem Ex-Freund, einem Hacker.

Der pure Plot alleine ist es nicht. Da gab es jüngst durchaus Serien, die Ähnliches wagen, zum Beispiel „Mr. Robot“. „Devs“ ist, bei aller Konzentriertheit der Themen, die an die Grenzen des menschlichen Verstandes rühren, ein Sehvergnügen, das den Vergleich mit Meisterwerken des Genres wie „2001“ oder Christopher Nolans „Interstellar“ nicht zu scheuen braucht.

Lange, ruhige, streng-elegante Einstellungen, die die Ungeheuerlichkeit der Vorgänge konstrastieren. Garlands Kameramann Rob Hardy verfremdet gängige Vorstellungen vom Silicon Valley teils ins Groteske, auch mit der überlebensgroßen Statue eines kleinen Mädchens auf dem Tech-Campus, die auf eine private Tragödie von Forest verweist. Dieser ließ sich, wie der Robotikexperte aus „Ex Machina“, sein futuristisch anmutendes Konzerngebäude, schwer auffindbar, mitten in einen Wald bauen.

Wiesen, Bäume und glitzernder Edelstahl, Natur und Technik. Passend dazu wird San Francisco als entrückte Metropole der Tech-Träume inszeniert, wie mit flüssigem Metall übergossen. Kamera, Visual Effects und Sounddesign von „Devs“ sind, kein Wunder, für den Emmy nominiert.

Zurück zu dem, was Sergei, und nicht nur der, vermeintlich auf seinem Bildschirm entdeckt hat. In Folge zwei sehen wir im Guckfeld dieser Quanten-Maschine weißen Lichtstaub um grobkörnige Menschenbilder. Schatten, Rieseln und Rauschen. Was ist das? Ist das tatsächlich Jesus, der da neben anderen am Kreuz hängt? Das wäre eine Art Gottesbeweis.

Später sitzt Forest alleine im Raum, vor ihm, wiederum nur grobkörnig, schemenhaft, ein kleines Mädchen, das auf dem Bett sitzt und spielt. Es sieht der Statue draußen vor dem Campus ähnlich.

Das Private und das Politische. Vergangenheit, Wahrheit, Quantenphysik, Metaphysik, auf dem Grunde einer Mördersuche. Nichts weniger wird in „Devs“ verhandelt. Einmal unterhalten sich zwei der Programmierer bei der Arbeit darüber, was „man“ kennen muss, um gut zu leben. Der Ältere weiß es: Musik, zum Beispiel von John Coltrane oder Johann Sebastian Bach. Wir sagen: Auch Garlands Serie sollte man kennen.

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