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Ordentlich Arbeit. Einfach wird das nicht für die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, links) und Sebastian Bootz (Felix Klare), sie haben es bei ihren Befragungen gleich mit einem ganzen Kollektiv zu tun.

© SWR/Benoit Linder

Schaffe, schaffe, Oase baue: Der Stuttgarter „Tatort“ wird zur Schwabenkomödie

Die Kommissare ermitteln in einer Hausgemeinschaft, die sich selbst „Oase“ nennt. Beim Ausheben des Fundaments aber findet man eine Leiche.

Der Schwabe ist gemeinhin bekannt dafür, den Pfennig zweimal umzudrehen und ohnehin alles ins Eigenheim zu investieren. Das hat sich auch die selbstberufene Bau- und Hausgemeinschaft zum Ziel gesetzt, die sich vollmundig „Oase Ostfildern“ nennt und neben der gemeinsamen Bauhoheit auch den hehren Anspruch hat, ein friedlich-solidarisches Leben zu führen.

Kaum sind die Mitglieder eingezogen, da hängt bereits der Haussegen schief und nicht alles, was so gut und nett wirken mag, ist es auch. Es gibt Abdichtungsprobleme, Wasser dringt ein. Doch das scheint nicht das größte Problem: Beim Ausheben des Fundaments wird eine weibliche Leiche gefunden. In der Oase zeigen sich alle geschockt.

Im neuen Stuttgarter „Tatort“, der den ostentativen Titel „Das ist unser Haus" trägt, verschlägt es die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) also ins Städtchen Ostfildern, wobei das Oasen-Haus sich als realer Drehort in Karlsruhe befindet und dies zudem der letzte Stuttgarter „Tatort“ ist, der noch in Prä-Pandemie-Zeiten im Februar 2020 entstand. („Tatort: Das ist unser Haus“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15)

Inszeniert hat diesen sehr eigenen, unorthodoxen Film Dietrich Brüggemann nach einem Drehbuch, das er in Co-Autorenschaft mit Daniel Bickermann verfasste. Es ist für beide der zweite gemeinsame Stuttgarter „Tatort“, mit dem singulären „Stau“ ragte man 2018 bereits aus dem Fernseh-Allerlei heraus.

Für Lannert und Bootz eröffnet sich mit dem Betreten der vermeintlichen Oase eine neue, mitunter absurde Welt. Eine Welt, die ihnen beiden letztlich fremd ist: Was auch immer im Haus beschlossen werden soll – es muss zunächst im Gemeinschaftsraum eine Gruppensitzung einberufen und alles gründlichst ausdiskutiert werden.

Dort wabern dann die Aura und die Schwingungen, das Sphärische und das Emotionale, all die Befindlichkeiten der neun Erwachsenen und drei Kinder. Schnell kommt zutage, dass so ziemlich jeder etwas mit der im Fundament gefundenen Beverly zu tun hatte, die einen mehr, die anderen weniger, einige auch intim.

Die Oase scheint sich bald als Fata Morgana zu entpuppen

Beverly hatte sich vor einem Jahr auf eine der Wohnungen beworben. Eifersucht und Missgunst, Verletzung und Beleidigung stellen sich plötzlich genau dort ein, wo das (über-)ambitionierte Solidarische groß geschrieben steht. Die Oase, sie scheint sich bald als Fata Morgana zu entpuppen.

„Das ist unser Haus“ vereint auf gelungene Weise mehrere Genres in sich. Zum einen ist dieser Krimi ein klassischer Whodunit à la Agatha Christie. Neun Verdächtige, jede und jeder von ihnen könnte Beverly umgebracht haben, Lannert und Bootz dürfen im sukzessiven Ausschlussverfahren einen nach dem anderen dieser Häuslebauer durchgehen, ganz so, wie einst Hercule Poirot auf dem Nil-Dampfer oder im Orient-Expreß.

Neben dieser linearen Krimi-Plot-Struktur entwickelt das gute Drehbuch von Brüggemann und Bickermann zugleich auch eine Sozialkomödie, die ebendiese Bewohner in all ihren Macken und Neurosen ebenso detailfreudig wie liebevoll zeichnet, dabei stellenweise überzeichnet.

Wenn die Aura der Toten für die aparte Kerstin (Nadine Dubois) – die einen kleinen, aber wirklich nur einen ganz kleinen Flirt mit Kommissar Bootz hat – zum wiederholten Mal spürbar ist, da die Tote doch noch lebe; wenn das Ehepaar Martina (Anna Brüggemann) und Karsten (Michael Kranz) sich mal wieder aufopfernd und schwäbisch wetteifernd um die kleinen Kinder kümmert – dann ist die Karikatur nahe.

Mitunter stehen Lannert und Bootz hinter diesen Figuren und ein Schmunzeln, Stirnrunzeln, Kopfschütteln ist zu erkennen, beinahe unmerklich. Das hat etwas sehr Schönes.

Ganz am Ende, als alles aufgeklärt ist, sitzt Lannert nochmal bei der Hausältesten oben unterm Dach, bei Ulrike (Christiane Rösinger). Auch sie konnte keinem Menschen mehr trauen, war in ihren Grundfesten erschüttert. „Menschen an sich sind halt schwierig, nervtötend und fehlerhaft“, sagt sie im Blick zurück.

„Aber wer das nicht will, kann ja in so ein Reihenhaus ziehen. Hier hat man halt die ständige Auseinandersetzung mit Menschen, die sich die Hälfte der Zeit aufführen wie egozentrische Kleinkinder. Aber die finden einen wenigstens, wenn man tot ist.“ Dann, ganz ruhig, ganz bei sich, meint Kommissar Lannert im Schlusswort süffisant: „Dann hat sich's ja am Ende gelohnt.“

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