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Dschungelcamp

© dpa

RTL-Dschungelcamp: ''Fuck - ihr Arschlöcher!''

Es hätte schlimmer kommen können - und doch flossen Tränen, machten sich Gänsehaut und Ekel breit. Die erste Folge der RTL-Show ''Dschungelcamp'' flimmerte über die Bildschirme, und es drängt sich die Frage auf: Warum nochmal einschalten?

Der Sender RTL hat sich viel vorgenommen. Wie 2004 soll auch bei der zweiten Staffel des vor Peinlichkeiten und "dummem Geschwätz“ - wie es eine der Teilnehmerinnen beschreibt - strotzenden TV-Formates „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“, kurz Dschungelcamp, - wieder Quote gemacht werden.

Auf einen Nenner gebracht: Man nehme zehn mehr oder weniger prominente Teilnehmer, sperre sie 16 Tage bei Reis und Bohnen in ein australisches Dschungelcamp, hoffe auf verbale Entgleisungen, echte Emotionen und schnappe damit am Ende Thomas Gottschalk, der ebenfalls zur besten Sendezeit am 26. Januar in den Öffentlich-Rechtlichen mit "Wetten, dass...?“ um Quote buhlt, bei der Ausstrahlung des Dschungel-Finales die Zuschauer weg. Ob die 37 im Camp installierten Kameras, die alle Regungen der Teilnehmer entlang der Fremdschamgrenze aufzeichnen, dafür ausreichen, bleibt offen.

Das traute Moderatorenteam

Fest steht: Einige Wochen im Dschungelcamp könnten Moderator Dirk Bach auch nicht schaden. Wie er selbst  feststellt, bietet der Aufenthalt im kargen australischen Outback "die Möglichkeit, mal richtig zu entschlacken.“ Da ist nichts mit lecker Essen oder schnell mal Fastfood. Im Dschungel müssen die Kandidaten um ihr täglich Brot kämpfen. Ebenso wie um die Gunst des Publikums, das per Telefonwahl entscheidet, welcher der Kandidaten in der ersten Woche zur Dschungelprüfung antreten muss. In der zweiten Woche dreht sich der Spieß um: Wer die wenigsten Tagesanrufe erhält, fliegt raus. Nach 16 Tagen Schmerz und Entbehrung ermittelt sich so der Dschungelstar des Jahres 2008.

Eigentlich müsste man Wonneproppen-Wohnfee "Tine Wittler durch unser Baumhaus schicken, damit sie alles mal hübsch macht“, witzelt Dirk Bach und stapft in trauter Einheit mit Sonja Zietlow über die hölzerne Terrasse des Dschungelcamp-Baumhauses. Mit Zietlow hatte er bereits die erste Staffel der Show moderiert. Rund dreieinhalb Jahre liegt die Ausstrahlung des Dschungelzirkus nun zurück und doch scheint es einen Wimpernschlag her, dass Desiree Nick, die lauteste Schnauze der Berliner Kabarettszene, Känguru-Hoden verspeiste und wider Erwarten, unter lautem Mediengetöse, den Titel der Dschungelkönigin davontrug.

Die Reise ins Ungemach

Auch dieses Mal dürfen die Dschungelcamper beim Verlassen der Privatsphäre und dem Schritt in die öffentliche Wahrnehmung – einige der Kandidaten scheinen danach zu lechzen – zwei persönliche Gegenstände mitnehmen. Was erstaunt: Michaela Schaffrath (38), besser bekannt als Ex-Pornostar Gina Wild, Schlagersänger Bata Illic (68), Popsänger Ross Antony (33), Schauspielerin Julia Biedermann (40), Sängerin Lisa Bund (19) und Modedesignerin Barbara Herzsprung (55) greifen zum Kissen als Mitbringsel. Der Berliner Musikproduzent DJ Tomekk (31) kann sich nicht von seinem Massageöl trennen, Ex-Nationaltorhüter Eike Immel (47) verzichtet im Dschungel nicht auf sein Haargel, Profitänzerin Isabel Edvardsson (25) braucht ihre Schminkpalette trotz der schillernden Farben der tropischen Flora und Fauna, während Moderator Björn-Hergen Schimpf (64) scheinbar unmöglich ohne das Blättern in der Bibel einschlafen kann.

Michaela Schaffrath sagt vor dem Trip ins Dschungelcamp, dass es ihr gefällt, "dass man zupacken muss und an seine Grenzen kommt“. DJ Tomekk stellt sich unverhohlen die Frage, ob er ausrasten und jemanden auf die Fresse schlagen wird. Björn, der mit der Bibel, meint: "Das wird ganz gut.“ Gentleman Illic glaubt, Hauptsache sei es, die "deutschen Tugenden richtig rüber zu bringen“ und als Team "eine Einheit zu sein“. Ross Antony lässt jeden Ehrgeiz vermissen, als er zugibt: "Ich muss nicht Dschungelkönig werden.“

Zumindest kommt Dschungelfrau Julia Biedermann den Ambitionen des Publikums etwas entgegen: Sie habe als Vorbereitung auf die Zeit im Dschungel ein Buch gelesen, das ein mentales Training bietet "um den Ekel zu überwinden.“ Immerhin wird vom Zuschauer erwartet, die Show mitzugestalten, Anrufe zu tätigen – da kann man wohl etwas Engagement in der Vorbereitung auf die heiße Phase von den Dschungelgängern erwarten.

Ekel und sonstige Neurosen

Eike Immel gibt sich vor der Abfahrt aus dem Luxushotel in das australische Nirgendwo kämpferisch: Er sei "belastbar“ und er will "kämpfen bis zum Umfallen.“ Wobei er sich vor manchen Tieren "exorbitant“ ekle. Tanzstar Isabel leidet da unter ganz anderen Neurosen. Sie mag es überhaupt nicht, "nicht frisch zu sein.“ Das könnte ohne fließendes Wasser mit nur einem paar Socken im Gepäck durchaus problematisch werden. Björn verzichtet in weiser Voraussicht auf eine "Hitparade der Gefühle, wen ich am wenigsten oder meisten mag“ und HipHop-Star Tomekk nimmt sich vor: "Ich werde mich für die Mädels einsetzen“. Gute Idee, denn die sind - bis auf Designerin Herzsprung, die sich in den kommenden Tagen "komplett entspannen“ will - blond, attraktiv und im Querschnitt im besten Alter.

Die Moderation von Bach und Zietlow, im Vorfeld als charmant gelobt, hat schon nach kurzer Zeit ihre Längen. Pointen – gab es die denn? – sitzen selten. Überhaupt wirkt die erste Stunde der Sendung wie lieblos aneinander gereihte Schnittbilder in seltsamer Urwaldoptik.

Auch die Szenen der umherirrenden Truppe im Dschungel, Karten ablesend und auf der Suche nach dem kürzesten Weg zum Camp, lassen zu wünschen übrig. Hier und da mühen sich die Teilnehmer über umgestürzte Baumstämme, rutschen händchenhaltend über den matschigen Dschungelboden oder kämpfen mit ersten Magenproblemen. Somit bleibt als letzte Hoffnung: Die Kandidaten lassen sich im Lauf der Show gehen und starten ein romantisches Abenteuer.

Dann endlich: Bei einer Sendezeit von 22:15 bis null Uhr wird in den letzten verbleibenden 30 Minuten über den ersten Tag im Camp berichtet. Davor, dazwischen und danach laufen die üblichen Werbestrecken, die RTL auch bei dieser Staffel gute Einnahmen bescheren dürften: Ikea bietet den Knut-Schlussverkauf feil, Opel, Renault und Skoda ihre neuen Auto-Modelle und das Produkt Aktivia seine verdauungsfördernde Wirkung.

Was am ersten Tag geschah, ist schnell erzählt: Michaela Schaffrath wird als Dschungelchefin gewählt. Also erklärt sie die Campregeln. Als da wären: "Feuer machen“ – und siehe da - obwohl DJ Tomekk als Brandstifter bei den Pfadfindern versagte, bekommt er im australischen Dschungel das Entzünden der Flamme durch das Reiben von Holzscheiten auf die Reihe. Weil er den fittesten Eindruck macht, muss er eine Aufgabe für die Campbewohner lösen: Er soll in einem Tank schwimmende Plastiksterne sammeln. Dumm nur, dass im Tank auch Schlangen und Krokodilbabys treiben. Das Wasser steht DJ Tomekk bis zum Hals, sein T-Shirt treibt unter den Achseln: "Fuck - ihr Arschlöcher“, schreit der Berliner erschrocken und stinksauer. Am Ende kann er fünf von zehn Sternen einsammeln. "Bin stolz darauf“, so seine abschließende Beurteilung und auch das Moderatorenteam findet seine Leistung "toll“.

Jeder hat sein "Angsttrauma"

Echte Tränen dürfen bei dieser Liveshow natürlich nicht fehlen und so schluchzt Ex-Bro´Sis-Sänger Ross gleich am ersten Abend am Lagerfeuer. Sein persönliches "Angsttrauma": Kriechtiere – und zwar große, kleine, laute und leise. Zum Glück ermahnt ihn DJ Tomekk: "Schlappmachen – das geht jetzt gar nicht!“ Am Ende des Tages steht fest: Lisa oder Ross müssen die erste Tagesprüfung, die sich "Dschungelbar" nennt, absolvieren. Der aufmerksame Zuschauer hat längst erkannt: Sie werden an Kakerlaken oder ähnlichem Getier knabbern müssen.

Nur fair, dass es täglich einen Sieger gibt. Was den Unterhaltungswert des Dschungelcamps angeht, sind das sicher nicht immer die Zuschauer. Aber der- oder diejenige, die beim Anruf in der Sendung 5000 Euro gewinnt, hat wohl das Beste aus einem Abend wie diesem bei RTL gemacht.

Diana Maier

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