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Das Deutschlandradio will nun neue Sicherungsmechanismen erarbeiten, die Manipulationsfälle wie den nun bekannt gewordenen „maximal unwahrscheinlich“ macht.

© Stephanie Pilick/dpa

Relotius im Radio?: Reportagen mit fremdem Material

Deutschlandradio trennt sich von Mitarbeiter. Seine Reportagen entstanden nur vermeintlich vor Ort.

Ein neuer Fall Relotius ist es nicht, was sich im Deutschlandradio ereignete, aber dennoch zeigt er, dass Medien ihre Mechanismen zur Verhinderung von Fälschungen und Manipulationen immer wieder auf den Prüfstand stellen müssen. Der öffentlich-rechtliche Sender hat sich von einem freien Mitarbeiter getrennt, nachdem sich herausstellte, dass er „die hohen journalistischen Standards des Senders“ bei seinen vermeintlichen Vor-Ort-Reportagen verletzt hatte. Konkret hatte er in seinen Beiträgen O-Töne und anderes Material verwendet, das er nicht selbst eingeholt, sondern sich von fremden Medien besorgt hatte, ohne dies entsprechend zu kennzeichnen. Einen entsprechenden Bericht des Internet-Mediendienstes „Übermedien“ bestätigte das Deutschlandradio am Sonntag dem Tagesspiegel.

Im Gegensatz zum „Spiegel“-Fälscher Claas Relotius, dessen Fall sogar verfilmt wird, hat der Deutschlandradio-Reporter, der knapp zwei Jahrzehnte für den Sender tätig war, jedoch weder Personen noch Statements erfunden. „Die Fakten stimmten. Der Fall ist kein zweiter Relotius“, betonte Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien. Mit atmosphärischen Elementen habe er den Eindruck erweckt, er wäre persönlich vor Ort gewesen. Der Journalist begründete sein Fehlverhalten mit einer „persönlichen Notlage“, aus der heraus er seinen Wohnort nicht für Reportagereisen habe verlassen können.

Neun Beiträge von Webseite entfernt

Die Trennung sei „nach intensiver Prüfung durch verschiedene Redaktionen von Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur“ erfolgt, erläuterte der Sender auf Nachfrage. Insgesamt seien neun Stücke der letzten sechs Monate von den Webseiten der beiden Programme entfernt worden, in den Korrekturportalen der Sender sei ein entsprechender Hinweis eingefügt worden. Konkret habe die Untersuchung des Senders ergeben, dass der Autor in mehreren Beiträgen O-Töne verwendet hat, die nicht auf selbst geführten Interviews basierten. Zudem habe er über Ereignisse berichtet, die er nicht aus eigener Anschauung, sondern aus anderen Medien kannte. Dabei erweckte er durch Reportage-Elemente den Eindruck, er berichte von vor Ort. Die Redaktionen, für die er tätig war, hätten davon nichts gewusst. Der Reporter habe sie „über seine Nicht-Berichterstattung von vor Ort getäuscht“.

Ebenso wie bei Relotius blieb der Betrug offenbar deshalb lange unbemerkt, weil bei Auslandsreportagen ein Fakten- und Materialcheck nicht ohne Weiteres möglich ist. Werden dementsprechend nun die Sicherungsmechanismen angepasst? Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Deutschlandfunk-Chefredakteurin Wentzien erstellt nach Angaben des Senders nun eine Neufassung der journalistischen Leitlinien, „mit denen wir erreichen wollen, dass Fälle wie dieser maximal unwahrscheinlich werden“. Ein Zwischenstand sei im September 2019 in den beiden Funkhäusern vorgestellt und diskutiert worden.

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