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Miguel Alexandre  (l.) mit dem Team von „Der Kommissar und das Meer“.

© ZDF und Stefan Erhard

Regisseur Miguel Alexandre: Der Lichtmeister

Nicht ohne meine eigene Kamera: Miguel Alexandre ist einer der gefragtesten Fernseh-Regisseure in Deutschland. Und einer der ungewöhnlichsten.

Viele Kameraleute führen irgendwann mal Regie, mitunter ergibt sich eine neue Karriere. Aber warum fängt ein Regisseur nach 20 Jahren an, bei seinen Filmen die Kamera zu übernehmen? Grimme-Preisträger Miguel Alexandre hat viele aufwendige TV-Produktionen gedreht, darunter Mehrteiler wie „Störtebeker“, „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ und „Der Mann mit dem Fagott“. Demnächst zeigt RTL das Drama „Starfighter“. Am Sonnabend lief im ZDF „Das Mädchen und der Tod“ (abzurufen in der ZDF-Mediathek), Alexandres zweiter Beitrag für die Reihe „Der Kommissar und das Meer“. Zum vierten Mal ist Alexandre in Personalunion Regisseur und Kameramann, und tatsächlich ist es nicht zuletzt die Bildgestaltung, die den Reiz des Krimis ausmacht: Der Film zeigt ein spätwinterlich düsteres Gotland, das so gar nicht wie ein Ferienparadies wirkt.

Im Gespräch mit Alexandre, der in Portugal geboren, in Lübeck aufgewachsen ist, stellt sich heraus, dass die Eingangsfrage falsch formuliert ist. Eigentlich müsste sie lauten: Warum hat er die Kamera nicht früher übernommen? Er hatte „immer eine große Affinität zum Erzählen mit Bildern“, wie er sagt: „Ich habe im Alter von zehn Jahren angefangen, Super-8-Filme zu drehen, und die Kamera dabei natürlich selbst geführt.“ Auch während des Regiestudiums in München und bei seinen ersten Produktionen als Regisseur sei es für ihn selbstverständlich gewesen, die optische Auflösung allein zu erarbeiten: „Wenn ich ans Set komme, habe ich immer eine ganz konkrete Vorstellung vor Augen, mit welchen Bildern ich eine Geschichte erzählen will, Einstellung für Einstellung.“ Das habe nichts damit zu tun, alles unter Kontrolle haben zu wollen: „Nur auf diese Weise kann ich ein Gefühl für eine Geschichte, für die Dramaturgie, den Rhythmus und die Figuren entwickeln. Für mich liegt in dieser Arbeitsweise der Unterschied zu Inszenierungen am Theater, denn beim Film ist das Erzählen mit Bildern ja immanent.“

Sparzwang der Sender

Als Alexandre zu Beginn seiner Karriere in Irland einen Kurzfilm drehte, lernte er den Kameramann Brendan Galvin kennen. Für den Iren, mittlerweile gefragter „Director of Photography“ in Hollywood, sei seine Arbeitsweise kein Problem gewesen, zumal sie im angelsächsischen Raum fast selbstverständlich sei; in Deutschland sei das anders. Alexandre hat auch seine ersten Langfilme „Nana“ und „Der Pakt“ mit Galvin gedreht und später Kameraleute wie Jörg Widmer oder Peter Indergand gesucht, denen die angelsächsische Sichtweise nicht fremd ist. Andere Regisseure überlassen die Bildgestaltung dem Kameramann, weil sie sich auf die Arbeit mit den Schauspielern konzentrieren wollen. Auch so „können natürlich wunderbare Filme entstehen; aber man gibt fünfzig Prozent der Inszenierung aus der Hand.“

Dass Alexandre die Bildgestaltung nun selbst in die Hand genommen hat, ist dem Sparzwang der Sender zu verdanken: „Bei meinen ersten Filmen hatte ich bis zu 29 Drehtage, mittlerweile sind es oft 21. Das hat mich frustriert, um eine Geschichte dramaturgisch präzise zu erzählen, ist eine bestimmte Anzahl von Einstellungen nötig, dafür braucht man Zeit. Die Lösung war eine zweite Kamera.“ Um Ausgaben zu sparen, übernahm er das Schwenken selbst; wie man mit dem Gerät umgeht, wusste er aus Super-8-Tagen. Dann stellte er fest, dass er so eine größere Nähe zu den Schauspielern erlebte: „Das war eine beglückende Erfahrung.“ 2012 hat er Nägel mit Köpfen gemacht und beim ZDF-Film „Eine verhängnisvolle Nacht“ die komplette Bildgestaltung übernommen.

Alexandre gesteht, die Digitalisierung habe diesen Schritt sehr erleichtert, „weil man jetzt auf dem Monitor tatsächlich sieht, was man gedreht hat. Das Wissen, welche Blende man in einer Schattenpartie verwenden muss, um eine bestimmte Zeichnung zu erzielen, das hätte ich mir früher nicht zugetraut.“ Die Lichtsetzung betrachtet er als „oft unterschätztes Element“ der Bildgestaltung, deshalb verlässt er sich bei diesem Aspekt auf das Können seines Oberleuchters. Dass er bei „Starfighter“ wieder mit Widmer zusammenarbeitete, hat einen einfachen Grund: „Der Film enthält so viele visuelle Effekte, dass es mich sehr beruhigt hat, Jörg mit seiner Erfahrung an meiner Seite zu wissen. Aber das Schwenken habe ich mir auch hier nicht nehmen lassen, um die Symbiose mit den Schauspielern zu erleben.“

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