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Vor leeren Rängen: Die "Carmen"-Aufführung aus der Staatsoper Unter den Linden wird nun vom RBB übertragen und ist am Samstag im RBB-Fernsehen zu sehen.

© imago/Future Image

RBB will kulturelle Leerstellen füllen: Mit „Carmen“ gegen das Coronavirus

Nach den Veranstaltungsabsagen in Berlin will der RBB auf anderem Weg mehr Kultur zu den Menschen bringen. Den Anfang macht eine „Carmen“ -Inszenierung.

Die Ankündigung von Berlins Kultursenator Klaus Lederer, bis Ende der Osterferien den Spielbetrieb in den staatlichen Theater-, Opern- und Konzerthäusern der Stadt in den großen Sälen wegen des Coronaviruses einzustellen, hatte es noch gar nicht gegeben, als der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) bereits einige eigene Kulturveranstaltungen am Dienstag absagte. Darunter das 88.-rbbKultur Kinderkonzert am Sonntag im Großen Sendesaal des RBB in Berlin und der „Knapp daneben“-Abend mit Laith Al-Deen am 24. März im Kleinen Sendesaal. Auch der „Musiksalon“ von rbbKultur am 22. März findet nun nicht statt, um eine weitere Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.

"Durch Corona entstehen erhebliche Leerstellen im kulturellen und gesellschaftlichen Leben, der RBB tritt an, um diese Leerstellen gemeinsam mit den Kulturinstitutionen zu schließen", kündigte am Mittwoch RBB-Intendantin Patricia Schlesinger an. "Wir gehen aktuell auf verschiedene Bühnen zu, um mit ihnen gemeinsam ihre Produktionen, sei es Theater, Oper oder Konzert, zu den Menschen in Berlin und Brandenburg zu bringen. Wenn das Publikum nicht mehr in die Häuser kann, bringt der rbb die Programme eben zum Publikum; dafür sind wir da.“

Den Auftakt wird am Donnerstag die Aufführung von Georges Bizets „Carmen“ aus der Staatsoper Unter den Linden bilden. Der RBB zeigt die ganze Aufführung, die ansonsten ausgefallen wäre, im Livestream und überträgt sie live bei rbbKultur im Radio. Am Sonnabend wird die komplette Oper von 20 Uhr 15 an im RBB-Fernsehen zu erleben sein, kündigte die Senderchefin an. "Die Theater haben ihre Aufführungen vorbereitet, wir haben die Möglichkeit, sie trotz Quarantäne zur besten Sendezeit sichtbar und hörbar zu machen. Diese Chance wollen wir nutzen."

Insgesamt plant der öffentlich-rechtliche Sender in den kommenden Wochen eine breit angelegte Offensive, um die Lücken, die der Corona-Virus im gesellschaftlichen Leben hinterlässt, zu füllen. Denkbar sind dabei Sendungen aus Museen, von Sportveranstaltungen oder Diskussionsrunden, im Radio, im Fernsehen oder im Stream. Hinzu kommen Übertragungen aktueller Inszenierungen oder Konzerte, flankiert von herausragenden Produktionen aus den Archiven des Senders.

Während überall im Kulturbetrieb der Hauptstadt Veranstaltungen vor Publikum abgesagt werden, könnte auch dem Radio eine Bedeutung zukommen, für die es in früheren Zeiten berühmt gewesen ist. „Wir sehen sogar die Stunde des Radios gekommen“, sagt Verena Keysers, die Wellenchefin von rbbKultur dem Tagesspiegel. Für sie ist die abgesagte Buchmesse in Leipzig ein gutes Beispiel dafür, was das Radio tun kann.

Die RBB-Welle will im Konzert der ARD-Anstalten mit einer „Virtuellen Buchmesse“ dazu beitragen, den literaturinteressierten Hörern zumindest einen gewissen Ersatz für den Messebesuch zu bieten. „Für uns war sofort klar, dass wir Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu ins Studio einladen werden, um das, was durch solche Großveranstaltungen entfällt, ins Programm zu holen. Ob das nun die Buchmesse oder Musik ist“.

Die Buchmesse virtuell

In den kommenden Tagen nimmt das Kulturradio eine ganze Reihe von Sendungen ins Programm. Am Donnerstag kommt mittags Jens Bisky, der Juryvorsitzende des Preises der Leipziger Buchmesse, zu Anne-Dore Krohn ins Studio. Das für Freitag von der Messe geplante Gespräch mit Kirsten Boie über „Das Lesen und ich“ findet nun als Schalte statt. Zusätzlich geplant ist eine Sendung am Nachmittag, in der Literaturexpertinnen Anne-Dore Krohn und Natascha Freundel sich mit Niklas Maak, Greta Taubert, Marlene Streeruwitz austauschen. Und am Samstag findet die „Virtuelle Buchmesse“ als Gemeinschaftsprogramm der ARD-Kulturprogramme statt – inklusive ARD-Radio-Kulturnacht „Unter Büchern“.

Die Pläne für andere Kulturbereiche, die nun durch das Coronavirus in Mitleidenschaft gezogen werden, sind hingegen ein Schritt-für-Schritt-Prozess. „Unser Anspruch ist es, dass wir die Kultur noch viel stärker zu uns in Programm holen, in dem wir die Strecken aufmachen und live senden und dabei auch aus unserem normalen Programm aussteigen“. Über alles Weitere müsse in Abstimmung mit den Partnern aus dem Kulturbereich gesprochen werden. „Aber dazu gibt es noch kein abgestimmtes Szenario.“

Stephan Abarbanell, der Programmbereichsleiter Kultur im RBB, verweist dabei auf eine wichtige Voraussetzung: „Wir können nur senden, wenn wir sendefähig sind“. Meint: Im RBB werden derzeit Strukturen geschaffen, damit der Betrieb auch unter den aktuellen Bedingungen weiterlaufen kann und der Sender als Berichterstatter nicht ausfällt. Ein Weg dazu ist, in kleineren Einheiten zu arbeiten und dabei auch auf Homeoffice zu setzen.

Die aktuelle Situation mit dem Coronavirus trifft das RBB Kulturradio in einer entscheidenden Phase der vor einem halben Jahr gestarteten Reform der Kulturwelle. Mit der Reform sollen überhöhte Kosten reduziert und das Programm modernisiert und an die Bedürfnisse der digitalen Ausspielwege angepasst werden. In Open-Space-Veranstaltungen und Arbeitsgruppen suchen Senderleitung und Mitarbeiter dabei nach den richtigen Wegen und neuen Formaten. Derzeit stehen einige wichtige Entscheidungen an, zu denen auch schmerzhafte Veränderungen im Personalbereich gehören.

Wie hört sich das neue rbbKultur an?

Doch wie soll sich das neue RBB-Kulturradio anhören? „Das RBB-Kulturradio wird das regionale Kulturprogramm bleiben und wir werden den Fokus weiter auf klassische Musik setzen“, sagt die Wellenchefin nicht zuletzt mit Blick auf die Stammhörer, die im Durchschnitt 62 Jahre alt sind. In Zukunft sollen jüngere Zielgruppen stärker angesprochen werden, nicht zuletzt durch die Musikauswahl.

Die großen inhaltlichen Ziele der Reform lauten. „Wir wollen themenstark und entschieden regional sein.“ Der Tagesverlauf soll so umgebaut werden, dass Themen stärker fokussiert und nicht so stark nach Rubriken eingeteilt werden. Im Tagesprogramm wird es künftig eine um eine Stunde verlängerte Primetime am Morgen mit aktueller Kultur und eine um eine Stunde längere Drivetime am Nachmittag mit stärkerer Vertiefung und mehr Hintergrund geben. Für den späteren Abend wird auch künftig mit langen Wortformaten unter anderem mit Features und Hörspielen geplant. Die dafür nötigen Ressourcen will die Welle unter anderem dadurch gewinnen, das zwischen diesen Blöcken stärker auf Musikstrecken gesetzt wird.

Nach dem Radiofestival Mitte September soll der Prozess abgeschlossen sein und das runderneuerte RBB-Kulturradio mit neuem Sounddesign und neuen Sendungen online – Stichwort Digitale Transformation – und in der linearen Ausstrahlung auf Sendung gehen. „Für mich ist der Termin ein fester Plan. Mit Blick auf Workshops und Reformveranstaltungen weiß ich jedoch nicht, welchen Strich uns Corona durch die Rechnung machen könnte“, sagte Verena Keysers.

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