zum Hauptinhalt
Aufgeheizte Stimmung: Die Querfront-Demonstration am Samstag auf dem Rosa-Luxemburg-Platz.

© Christian Mang/Reuters

Update

Querfront-Protest vor der Volksbühne: Wie die ARD Verschwörungstheoretikern auf den Leim ging

Die „Hygiene-Demo“ in Berlin-Mitte schaffte es bis in die „Tagesschau“. Die kruden Hintergründe der Organisatoren blieben unerwähnt. Warum?

Von Matthias Meisner

Jörg Schönenborn, Moderator des ARD-„Presseclubs“, gab sich schockiert. Am Sonntag wurde in seiner Sendung über die „Trippelschritte aus dem Lockdown“ diskutiert. Und der WDR-Fernsehdirektor erklärte, dies berühre über Wochenmärkte und Wiedereröffnung von Schulen „sehr viel mehr: Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit“.

Schönenborn sagte: „Ich habe gestern in der ,Tagesschau' Bilder gesehen von Demonstranten in Berlin, die abgeschleppt wurden, weil sie gegen die Corona-Beschränkungen demonstrieren. Da läuft's mir schon ein bisschen kalt den Rücken runter.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

So konnte das einer sehen, der tatsächlich nur die Informationen aus dem Bericht in der 20-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ am Samstag aufgeschnappt hat und wenig weiß über Organisatoren und Teilnehmer der sogenannten „Hygiene-Demo“ am Samstag vor der Volksbühne in Berlin-Mitte, bei der sich Rechte, Querfront-Aktivisten und Verschwörungsideologen, unter ihnen Impfgegner, ein Stelldichein gaben, zum Teil aber auch linke Aktivisten.

Der „Volkslehrer“ drehte Videos

Demonstriert wird nun seit Wochen Samstag für Samstag gegen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, ohne Genehmigung, aber mit wachsender Resonanz. Am Samstag kamen etwa 500 Leute. Als Video-Reporter zugegen waren beispielsweise der Antisemit und ehemals ernst zu nehmende Journalist Martin Lejeune sowie der selbsternannte „Volkslehrer“ Nikolai Nerling, der wegen seiner rechtsextremen Aktivitäten aus dem Berliner Schuldienst entlassen wurde.

[Mehr zum Thema: Kritik an Corona-Maßnahmen – das steckt hinter der Querfrontdemonstration in Berlin]

Beworben wurden die Proteste unter anderem auf Ken FM, der Internetseite des Verschwörungstheoretikers und ehemaligen RBB-Moderators Ken Jebsen. Ken FM interviewte am Rande der Proteste auch Nerling, der darüber schwadronierte, dass die Coronakrise mit ihren Einschränkungen „auch zum Erwachen“ führen könne.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Von 79 Teilnehmern nahm die Polizei am Samstagnachmittag am Rosa-Luxemburg-Platz die Personalien auf, wie die Polizei mitteilte. Einzelne Teilnehmer wurden demnach weggetragen. Zwei Demonstranten wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen.

Über die kruden Hintergründe von Organisatoren und Teilnehmern ist im „Tagesschau“-Beitrag nichts zu erfahren. Die Rede ist lediglich davon, dass die Polizei mit einer Hundertschaft die Proteste von Menschen aufgelöst habe, die „unerlaubterweise gegen die Einschränkung ihrer Rechte während der Corona-Pandemie demonstriert“ hätten. Mehrere Teilnehmer seien vorübergehend festgenommen worden.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

Dass etwas faul sein könnte mit Demonstranten und den Hintermännern des Protests, war bestenfalls daran zu erkennen, dass einer der Protestierer ein Schild mit der Aufschrift „Impfterrorismus“ in die Kamera hielt. Jede inhaltliche Einordnung zu dem dubiosen Versammlungsgeschehen fehlte. Später am Abend wurde der Film dann noch einmal in den „Tagesthemen“ ausgestrahlt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Redaktion von ARD-aktuell verteidigte ihre Arbeit. Es habe sich um einen „circa 25-sekündigen Nachrichtenfilm über die Demonstration vor der Berliner Volksbühne, die von der Polizei aufgelöst wurde“, gehandelt, sagte eine Sprecherin auf Tagesspiegel-Anfrage.

Hintergründe zum Coronavirus:

Sie erklärte: „Innerhalb von 25 Sekunden ist es leider nicht möglich, den Hintergrund, die Motive und die Zusammensetzung der Demonstrierenden umfassend darzustellen.“ Dennoch habe die Auflösung der Demonstration am Samstag für die Redaktion „zum Gesamtbild des Nachrichtentages“ gehört.

RBB übt Selbstkritik

Vor der „Tagesschau“ hatte am Samstag bereits die RBB-„Abendschau“ über den Protest berichtet - ebenfalls ohne auf das wirre und rechtsextremistische Netzwerk hinzuweisen, das sich an der Volksbühne versammelt hatte.

Stattdessen präsentierte der RBB ohne Kontext mehrere Demonstranten als Interviewpartner, die beispielsweise „den ganzen Aufruhr“ rund um die Coronakrise nicht verstehen. Ein Protestierer fordert: „Man sollte jetzt einfach mal wieder ein bisschen Normalität zulassen“, schließlich sei die Zahl der Infizierten seiner Kenntnis nach „nicht zunehmend“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

In einer Demokratie müsse immer wieder evaluiert werden, ob die aktuellen Einschränkungen noch in die Situation passen, verlangte ein anderer Demonstrant. „Und das sehe ich irgendwo nicht.“ Danach wird gezeigt, wie unter Pfiffen und Buh-Rufen der Demonstranten 260 Polizisten die Versammlung auflösen. Dabei sei es „vereinzelt“ zu „freiheitsbeschränkenden Maßnahmen“ gekommen, heißt es in einer Einblendung.

Auf Twitter schrieb der Sender: „Mehrere Hundert Menschen haben am Samstag unerlaubterweise demonstriert. Sie fühlen sich wegen der #Corona-Verordnung in ihren Freiheitsrechten beschränkt.“

Der RBB verzichtet - anders als die für „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ zuständige ARD-aktuell-Redaktion rückblickend nicht auf Selbstkritik. RBB-Sprecher Justus Demmer sagte am Montag dem Tagesspiegel, die Berichterstattung sei „intern schon ausgewertet und als verbesserungswürdig wahrgenommen“ worden. „Wir wollen das beim nächsten Mal anders machen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false