zum Hauptinhalt
Verurteilt: Swetlana Prokopjewa, Journalistin aus Russland.

© dpa

Prozess gegen Swetlana Prokopjewa: Nur ein Kommentar

Die russische Journalistin Swetlana Prokopjewa wurde in einem Verfahren wegen „Rechtfertigung des Terrorismus“ verurteilt.

Sechs Jahre Lagerhaft und vier Jahre Berufsverbot wegen „Rechtfertigung des Terrorismus“ hatte die Staatsanwaltschaft für die Journalistin Swetlana Prokopjewa aus Pskow gefordert. Die junge Frau aus der nordwestrussischen Stadt wurde beschuldigt, in einem Kommentar der russischen Staatsmacht die Mitverantwortung für einen Terrorakt zugewiesen zu haben. Das Gericht sprach Prokopjewa am Montag schuldig, die Richter blieben jedoch weit unter dem geforderten Strafmaß und verurteilten die Journalistin zu 500 000 Rubel Bußgeld. Das ist mehr als ein durchschnittliches russisches Jahresgehalt

Für sie sei Terror ein „klares Symptom für Krankheit, für die politische Krankheit der Gesellschaft“, wiederholte Prokopjewa den Kerngedanken ihres Kommentars jetzt noch einmal vor Gericht. Dass sie für diese Worte in Haft kommen könnte, wollte Prokopjewa lange nicht glauben. „Man kann doch nicht jede Äußerung zu einem strittigen Thema zur Straftat machen“, hatte sie dem Tagesspiegel gesagt, als vor knapp einem Jahr absehbar war, dass sie angeklagt würde.

Swetlana Prokopjewa hatte im November 2018 für den kleinen örtlichen Radiosender „Echo Moskaus in Pskow“ einen Kommentar gesprochen. Drei Seiten Text, in denen es um den 17-jährigen Michail Sh. aus Archangelsk ging, der kurz zuvor mit einer selbstgebastelten Bombe in die Regionalverwaltung des Geheimdienstes FSB spaziert war. Er starb bei der Explosion des Sprengsatzes, drei Offiziere wurden verletzt. Zuvor hatte der junge Mann im Netz eine Botschaft hinterlassen, dass er seinen Terrorakt als politischen Protest verstanden wissen wolle.

Prokopjewa griff den Vorfall in ihrem Radiokommentar auf. Sie distanzierte sich von dem Verbrechen, doch dabei beließ sie es nicht. Ihr Beitrag sei zu Recht als Kritik an der Staatsmacht verstanden worden, sagte sie in der Verhandlung.

Ein Freispruch wäre fast so etwas wie ein Skandal

In ihrem Text heißt es über den Täter: „Das ist eine Generation, die an vielen Beispielen gelernt hat, dass die vor Gericht keine Gerechtigkeit erreichen kann, das Gericht stempelt die Entscheidung ab, mit der der Genosse Major vor den Richtern erschienen ist.“ Und weiter: „Die langjährige Begrenzung der politischen und bürgerlichen Freiheiten hat aus Russland nicht nur einen unfreien, sondern einen repressiven Staat gemacht. Einen Staat, der gefährlich und schrecklich ist, wenn man es mit ihm zu tun bekommt.“

Vor Gericht brachte die Staatsanwaltschaft zwei Gutachten ein, in denen Psychologen und Linguisten den Text auslegten. Dass eine Anklage wegen „Rechtfertigung des Terrorismus“ angemessen sei. Als Strafmaß sind bis zu sieben Jahre Gefängnis vorgesehen, die Staatsanwaltschaft beantragte sechs – und Swetlana Prokopjewa rechnete mit dem Schlimmsten.

„Die Statistik unserer Rechtsprechung und die allgemeine Situation in unserem Land ist so, dass es nur einen Schuldspruch geben kann“, sagte sie vor der Urteilsbegründung in einem Interview mit der kremlkritischen Online-Plattform „Meduza“. Die Ermittler hätten ermittelt, die Staatsanwaltschaft habe Anklage erhoben – „und jetzt, soll etwa das Gericht die ganze Arbeit ihrer Kollegen infrage stellen?“ Kommt in Russland fast nie vor. Nein, ein Freispruch wäre fast so etwas wie ein Skandal, meinte Prokopjewa.

Beinahe schon ein Wunder ist es, dass die Richter unter dem geforderten Strafmaß blieben. Das mag auch an der Solidarität der russischen Journalisten liegen. Der Einfluss der wenigen verbliebenen kremlkritischen Medien ist zwar gering, besonders in der Provinz, wo das Staatsfernsehen die Bevölkerung fest im Griff hat. Doch umso bemerkenswerter ist, dass die Zeitung „Pskowskaja Gubernija“ nur Minuten nach der Urteilsverkündung ein Spendenkonto für Prokopjewa einrichtete, auf dem rasch eine beträchtliche Summe einging.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false