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High sein, frei sein? Eric Stehfest (Jannik Schümann) kommt mit Crystal Meth durch den Tag, aber nicht durchs Leben.

© dpa

Pro7-Drama: Drogen-Trip mit Jannik Schümann

„Wenn ich’s nehme, fühle ich mich wie Jesus und der Terminator gleichzeitig“: „9 Tage wach“ als mitreißender Drogen-Trip mit einem grandiosen Jannik Schümann.

Eric (Jannik Schümann) nimmt, seit er 14 ist, Crystal Meth, aber jetzt, mit Anfang 20, bekommt er die Chance seines Lebens. „Wenn Sie mir Ihren Segen geben, werde ich berühmt“, sagt er zur Richterin und reicht ihr mit leuchtenden Augen die Zusage der Berliner Schauspielschule. Justitia ist trotz mehrfacher Vorstrafen noch einmal gnädig gestimmt. Für den Diebstahl einer Daunenjacke setzt es nur eine Bewährungsstrafe.

Seinen Traum, Schauspieler zu werden, hat Eric Stehfest tatsächlich verwirklicht. Und berühmt ist er dabei auch ein bisschen geworden. Er stand als Schauspieler auf der Bühne des Maxim-GorkiTheaters in Berlin und vor den Kameras der RTL-Soap „GZSZ“, war Kandidat bei „Let’s Dance“ und „Dancing on Ice“.

Seine eigene Drogengeschichte verarbeitete Stehfest in dem autobiografischen Roman „9 Tage wach“ (2017), von dem es mittlerweile verschiedene Bühnenfassungen gibt und der als Schullektüre für die Oberstufe empfohlen wird. Und der nun auch verfilmt wurde, als mitreißender Bilderrausch und irrer Trip zwischen Himmel und Hölle, sinnlich und schonungslos, mit Eric Stehfest als Co-Autor und einer großen musikalischen Spannbreite zwischen Techno und Rock-Klassikern.

Die Inszenierung von Damian John Harper („In the Middle of the River“) sprengt eigentlich die Grenzen eines jeden Bildschirms. Da ist ProSieben, das sich bestenfalls punktuell mit hochwertigen fiktionalen Eigenproduktionen hervortut, mal ein echtes Highlight gelungen. „9 Tage wach“ hat wohl – trotz einer ergreifenden Liebesgeschichte – weniger das sonntägliche „Herzkino“-Publikum des ZDF im Visier. Ob es aber eine gute Idee ist, den fantastisch fotografierten und montierten Film gegen den „Tatort“ antreten zu lassen? („9 Tage wach“, ProSieben, Sonntag, um 20 Uhr 15).

Eric ist noch in mehrfacher Hinsicht auf Bewährung. Seine große Liebe Anja (Peri Baumeister) folgt ihm nach Berlin, „aber unter einer Bedingung: Hör mit dem Crystal auf“. Seine Mutter Liane (Heike Makatsch) hält zu ihm, Stiefvater Tilo (Benno Fürmann) zweifelt und will Eric Grenzen setzen.

In einer Nebenrolle brilliert mal wieder Martin Brambach

Doch erst einmal geht alles gut. Eric bleibt clean, findet in Schauspiellehrer Karl Hoffmann (Martin Brambach) einen Förderer, der ihm auch die erste Hauptrolle anvertraut, den Konstantin Treplev in Tschechows „Die Möwe“.

Als der Tag der Aufführung gekommen ist, fegt Eric jedoch völlig überdreht über die Bühne, weil er doch wieder rückfällig geworden ist, seine Welt aus den Fugen geraten ist: Anja ist schwanger geworden, doch Max (Matti Schmidt-Schaller), sein Junkie-Freund in der Heimat, sät Misstrauen und Eifersucht. An der Schauspielschule versetzt er einem Kommilitonen einen Kopfstoß.

„Wenn ich’s nehme, fühle ich mich wie Jesus und der Terminator gleichzeitig“, sagt er zu dem Arzt in der Entziehungsklinik. Hier wird er sich auf dem Kachelboden winden, während die stoische Krankenschwester danebensteht und mit einem Wasserschlauch wartet, um Kotze und Exkremente umgehend wegzuspülen. Die Euphorie und die pure Energie, die die synthetische Droge verleiht, ist gewichen. Der Mensch verwandelt in ein nacktes Bündel Elend.

Erics Höllenritt meistert Jannik Schümann grandios, mit einer enormen physischen Präsenz und zugleich mit einem feinen Spiel, das der Figur Tiefe und Glaubwürdigkeit verleiht. Großartig auch Peri Baumeister als eigenwillige Lebensgefährtin mit bunten Haaren.

Und in einer Nebenrolle brilliert mal wieder Martin Brambach, der dem Schauspiellehrer Hoffmann die sonst typisch Brambach’sche Kauzigkeit versagt und sich ganz in den Dienst der Sache stellt. Und die lautet in etwa: Lasst mal besser die Finger davon.

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