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Im Uranberg. Die Brigade Altmann auf dem Weg zur Schicht. Mit Filmen zur deutschen Geschichte hat sich der preisgekrönte Regisseur Dror Zahavi einen Namen gemacht.

© MDR/Steffen Junghans

Porträt: Der Grenzgänger

"Die Luftbrücke", "Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben", "Der Uranberg" - Dror Zahavi ist einer besten und ungewöhnlichsten Regisseure. Eine Begegnung.

Es begann mit 007. Sein erster Film war eine Parodie auf James Bond. Entstanden ist er ausgerechnet dort, wo nie ein echter James-Bond-Film im Kino zu sehen war. Dror Zahvai studierte gerade im ersten Jahr an der Babelsberger Filmhochschule „Konrad Wolf“. Er war ein Exot: ein jüdischer Sohn eines Kommunisten aus Israel, der in der DDR ein Regiestudium absolviert. Allein in diesem Satz stecken so viele Gegensätze und Seltsamkeiten, dass man sofort beginnen könnte, ein Drehbuch über das Leben von Dror Zahavi zu schreiben. Auf dem Abspann wäre dann nur noch zu vermerken, dass er einer der erfolgreichsten deutschen Regisseure ist. Er hat Filme über Marcel Reich-Ranicki, die Luftbrücke und Zivilcourage gedreht, er hat den Deutschen Fernsehpreis, die Goldene Kamera und den Grimme-Preis gewonnen.

1959 wurde Dror Zahavi in Tel Aviv geboren. Seine Großmutter war noch vor dem Zweiten Weltkrieg aus der Ukraine nach Palästina gekommen, zehn Geschwister ließ sie in ihrer Heimat zurück. Keines davon hat überlebt. Als Israels Jugend nach Stalins Tod auf die Sowjetunion schimpfte, hat die Oma oft zu ihrem Enkel gesagt: „Eins aber darfst du nicht vergessen: Stalin hat uns von Hitler erlöst.“ Von ihr hat Zahavi gelernt, dass das Leben nicht nur verschieden erfahren, sondern auch verschieden erklärt werden kann. Als er in die israelische Armee eingezogen wurde, verweigerte er seinen Einsatz in den palästinensischen Gebieten, er wollte kein Besatzer sein. Man steckte ihn ins Gefängnis.

„Ich bin ein sehr politisch denkender Mensch“, sagt Zahavi. „Es war immer mein Wunsch, Filme zu drehen, die eine Mitteilung haben.“ Sein Studium in Babelsberg verdankte er seinem Vater. Der war Mitglied in der Kommunistischen Partei Israels und konnte seinen Sohn an eine sozialistische Universität delegieren. In Israel hätte sich die Familie ein Studium nicht leisten können. „Eigentlich war es eher eine pragmatische Entscheidung in die DDR zu gehen“, sagt Dror Zahavi. „Ich dachte, es sei besser, Deutsch zu lernen, statt Tschechisch oder Polnisch. Außerdem kannte ich verschiedene Künstler, die damals in Westberlin lebten, und die ich besuchen konnte.“

1982, mit 23 Jahren, reiste Dror Zahavi in Ostberlin ein. Er lernte den deutschen Winter kennen und seine große Liebe, die er später heiratete. Er wohnte im Studentenwohnheim und verbrachte seine Zeit zusammen mit 120 Kommilitonen wie auf einer Kunstinsel. „Ich hatte an der Schule die unbegrenzte Möglichkeit, mich praktisch auszutoben“, sagt er. „Fünf Jahre lang konnte ich kompromisslose Filme drehen, mich ausprobieren, Fehler machen.“ Er habe sich, erzählt er, in dieser Zeit nie fremd in der DDR gefühlt. Ein bisschen Alkohol, viel Liebe und gute Freunde – es war nicht viel, was er zum Leben brauchte. Und ganz nebenbei lernte er noch ein Land kennen, das sein Denken über Grenzen hinweg erweiterte und schärfte.

Nach dem Ende seines Studiums musste er 1987 die DDR verlassen, vier Jahre später kehrte er zurück, in ein wiedervereinigtes Deutschland. „Aus einer Seminargruppe schaffen es vielleicht 20 Prozent, das heißt, von zehn Studenten, sind es zwei, die sich am Ende als Regisseure etablieren können“, meint Dror Zahavi. Er hat es geschafft, man sieht es ihm nicht an. Er sitzt in seinem Lieblingscafé im Bezirk Charlottenburg, wo er wohnt, aber er fällt dort niemandem auf. Nicht, weil man ihn nicht wahrnimmt, sondern weil er nicht auffallen will. Er dreht mit den besten Schauspielern und sie gerne mit ihm. Gerade hat er einen Film mit Senta Berger und Matthias Habich in den Hauptrollen beendet.

Ihm wird oft nachgesagt, er sei der Regisseur für die deutsche Geschichte. In dem Fernsehzweiteiler „Die Luftbrücke – Nur der Himmel war frei“ beschrieb er die Jahre 1948 bis 1949, als die westlichen Alliierten die Menschen in Westberlin wegen der sowjetischen Blockade aus der Luft versorgten. Die Zuschauerzahl war in Westberlin doppelt so hoch wie im Ostteil der Stadt. Der Film sollte eine Hommage an die Amerikaner sein, und die Russen dienten dafür als „bad guys“. Dror Zahavi freute sich deshalb besonders, als man ihm „Uranberg“ anbot. Ein Historiendrama über die Nachkriegsjahre in Ostdeutschland und den Beginn des Kalten Krieges. Im sächsischen Städtchen Annaberg-Buchholz haben die sowjetischen Besatzer die Macht über die Verhältnisse und über den Bergbau. In den Schächten der Wismut AG wird nach Uran für den Bau einer Atombombe gegraben. „Es war mir für meine eigene Seele sehr wichtig, ein Gleichgewicht zu schaffen. Ich konnte mit diesem Film die Rote Armee auch von einer anderen Seite zeigen und deutlich machen: Es gab nicht nur die Luftbrücke, es gab auch den Uranberg, und es gab auch Russen, die nicht vergewaltigt haben.“

Henry Hübchen als russischer Oberst spielt einen grauhaarigen Feldherrn, gönnerhaft in seiner Machtposition und gehorsam in seinen Staatsdiensten. Als neuer Bergherr beaufsichtigt er die Uranförderung. Seine Tochter, eine Offizierin, verliebt sich in einen jungen, deutschen Bergarbeiter, der wie sie von einer kommunistischen Zukunft schwärmt. Die Liebesaffäre der beiden wird von keiner Seite geduldet. Als die Tochter im Bergwerk verschüttet wird, muss sich der Oberst entscheiden, ob er ihr Leben retten oder der größeren Sache verpflichtet bleiben soll. „Uranberg“ ist Familiensaga, Liebesstory, Nachkriegsdrama in einem, aber vor allem ein Film, der etwas davon begreifen will, wie die DDR begann. Dror Zahavi hofft, dass er besonders vom Westpublikum gesehen wird. „Es reicht nicht der Solidaritätszuschlag aus, um den Osten zu verstehen“, sagt er, „man muss die Mentalität der anderen Seite auch verinnerlichen.“

Der Uranberg“, 20 Uhr 15, ARD

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