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Die Kommissarin und das Kind.  Ein Spürhund macht Marie (Madeleine Tanfal) Angst, Ermittlerin Doreen Brasch (Claudia Michelsen, mit Christian Kuchenbuch) beruhigt sie.

© MDR/filmpool fiction/Stefan Erha

„Polizeiruf 110“ mit Claudia Michelsen: Die Tapfere

Der neue „Polizeiruf“ aus Magdeburg belegt: Claudia Michelsen braucht als Kommissarin Doreen Brasch keine Götter neben sich.

Wird das noch was mit dem Magdeburger „Polizeiruf 110“, bei dem Claudia Michelsen als Kommissarin Doreen Brasch nun zum zweiten Mal allein ermittelt? Die Folge „Tod einer Toten“ macht als fesselnd erzähltes Krimidrama Hoffnung. Wie sich zeigt, braucht Brasch keinen männlichen Kollegen oder Liebhaber. Ein durchdachtes Drehbuch mit glaubwürdigen Figuren reicht vollkommen aus.

Autor und Regisseur David Nawrath („Atlas“) sowie seine Co-Autoren Paul Salisbury und Michael Gantenberg haben der bisher selten überzeugenden Magdeburg-Reihe mit einem bewährten Rezept neues Leben eingehaucht. Wenn die Geschichte nur interessant und spannend erzählt ist, kann auch der gefühlt tausendste Krimi über Drogenhandel gut unterhalten. Und die Kommissarin muss nicht viel mehr tun als ihren Job.

In „Tod einer Toten“ (ARD, Sonntag, 20 Uhr 15) bringt sich erst einmal Braschs Chef Uwe Lemp (Felix Vörtler) selbst in Schwierigkeiten. Lemp fährt nachts angetrunken einen Mann an, der jedoch im Wald verschwindet, ehe Lemp Hilfe holen kann. Tags darauf sucht er den Verletzten – und trifft in der Nähe der Unfallstelle auf seine Polizei-Kollegen, die zu einem Leichenfund gerufen wurden. Lemp ist einerseits erleichtert, dass es sich nicht um sein Unfallopfer handelt, andererseits ist der Mann immer noch verschwunden.

Die Leiche ist eine unbekannte junge Frau, die durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet wurde. In der Nähe wird ein Fahrzeug gefunden, in dem ein kleines, verängstigtes Mädchen sitzt. Wie sich bald herausstellt, heißt die Tote Jessica Mannfeld, die kleine Maria ist ihre Tochter. Komisch nur: Jessica Mannfeld ist seit vier Jahren offiziell tot. Sie war damals angeblich zusammen mit ihrem Freund Alex Zapf (Ben Münchow) in einem Auto verbrannt.

„Das ist nicht meine Tochter“, behauptet auch Jessicas Vater Werner (stark: Christian Kuchenbuch), aber dahinter verbergen sich nur Trotz und Verzweiflung. Jessica und Alex waren drogenabhängig, hatten als Drogen-Kuriere gearbeitet und schließlich ihren Boss in den Knast gebracht. Die Geschichte um ehemalige Junkies, die das Versteckspiel nach Jahren im Zeugenschutz satt haben, ist kein harter Thriller aus dem Milieu der Organisierten Kriminalität.

Hier lässt sich manches verstecken

Die Ausnahme bildet nur eine dieser typischen Figuren fürs Grobe, die seltsamer Weise meist von Menschen aus Einwandererfamilien gespielt werden müssen, auch wenn ihre Auftraggeber mal nicht der rumänischen, albanischen, russischen oder Sonstwoher-Mafia angehören.

Jedenfalls entwickelt sich die klassische Mördersuche spannend und dynamisch, denn gleich mehrere Parteien sind nun aus unterschiedlichen Motiven hinter Alex her, der natürlich auch derjenige war, der Lemp vors Auto lief: Neben der Magdeburger Kriminalpolizei und der Chefin des Drogenrings (Deborah Kaufmann) sind das auch der erfahrene Drogenfahnder Lobrecht (Steffen C. Jürgens), der mit seiner jungen Kollegin Pia Sommer (Luisa-Céline Gaffron) bei den Ermittlungen mitmischt.

Angenehmer Weise gibt es nicht das übliche Kompetenzgerangel, vielmehr bildet sich sogar zwischen Brasch und Sommer ein kleines, produktives Netzwerk weiblicher Ermittler.

Gleichzeitig hat der Film auch als Familiendrama starke emotionale Momente, ohne dass die Inszenierung allzu zuckersüß geriete. Der eher schäbige Bauernhof von Werner Mannfeld wird von Regisseur Nawrath als zentraler Schauplatz vielseitig genutzt.

Hier lässt sich manches verstecken, und im Stall bei den beiden sanften Kühen können Maria und ihr bisher unbekannter Opa Freundschaft schließen. Der verbitterte, verzweifelte Witwer ist der tragische Held, wozu die markanten Züge Christian Kuchenbuchs bestens passen.

Und Claudia Michelsen? Seit Herbst 2013 schlägt sie sich als Kommissarin Doreen Brasch tapfer durch meist wenig inspirierende Fälle. Brasch ist eine Einzelgängerin aus Überzeugung, womöglich auch aus Enttäuschung.

„Brasch kommt und geht. Ohne Erwartungen und ohne Verpflichtungen“, hat Michelsen mal knapp und treffend über ihre Figur gesagt, die schon einiges einstecken musste und zugleich einen beträchtlichen Verschleiß an Männern vorzuweisen hat. Die Kollegen Drexler (Sylvester Groth) und Köhler (Matthias Matschke) hat es nur sechs beziehungsweise fünf Folgen lang gehalten.

Auch die Liebesgeschichte mit dem Polizeipsychologen Niklas Wilke (Steven Scharf) hatte kein Happy End. Und zu ihrem einst in die Neonazi-Szene abgerutschten Sohn hat Brasch keinen Kontakt mehr. Ohne private Turbulenzen und Schaukämpfe mit männlichen Kollegen erlebt auch die Hauptfigur eine Art Neustart. Brasch darf sich in ihrer Kernkompetenz als Ermittlerin profilieren. Sie ist die wahre Chefin und braucht keine Götter neben sich.

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