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Intrige, Wikileaks, Kokain – was macht der Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Eichwald (Bernhard Schütz) in der Abstellkammer? Foto: ZDF

© ZDF und Maor Waisburd

Politik und Pointen: Fremdscham im Reichstag

„Eichwald, MdB“: Die zweite Staffel der ZDF-Serie bietet zwar weniger Witz, aber nicht weniger Wahrhaftigkeit.

Es gab schon viele Fernsehpolitiker in fiktionaler Hauptrolle. Es gab Alphamänner wie Frank Underwood, dessen „House of Cards“ nicht zufällig vom Dominanzfetischisten Kevin Spacey errichtet wurde. Und es gab Alphafrauen wie Sidse Babett Knudsen, die Dänemarks „Borgen“ als Brigitte Nyberg mit jeder neuen Folge ähnlich rücksichtslos geführt hat. Es gab selbstlose Philanthropen wie US-Präsident Josiah Bartlet in „The West Wing“. Aber nie, wirklich nie zuvor gab es einen TV-Politiker wie Hans-Josef, genannt Hajo Eichwald.

Schon gar nicht aus Deutschland.

Vor exakt einer Legislaturperiode bezog das ewige Bundestagsmitglied einer Kanzlerinnenpartei sein Abgeordnetenbüro bei ZDFneo. Leidlich unterstützt vom gemütlichen Berndt (Reiner Reiners), der aufopferungsvollen Julia (Lucie Heinze) und ihrem fiebrigen Ex Sebastian (Leon Ulrich), zerrieb sich der Veteran mit den Mitteln von gestern an der Realität von heute. Es war vier Folgen lang die helle Fremdschamfreude, Bernhard Schütz dabei zuzusehen, wie er dieses Fossil der Bonner Republik an Berlins realpolitischer Gegenwart abprallen ließ.

Deshalb kehrt „Eichwald, MdB“ nun für sechs Episoden ins Spätprogramm des Zweiten zurück. Noch immer verheddert sich der Bochumer Veteran fast ebenso virtuos im Social Network wie im analogen Netzwerk. Noch immer kollidiert sein flackernder Ehrgeiz dauernd mit finaler Ernüchterung. Noch immer wirkt das bei aller Heiterkeit oft wahrhaftiger als die PR-gebügelte Scheinwirklichkeit des realen Politikbetriebs. Noch immer bleibt so manches Lachen im Hals latenter Demokratieverdrossenheit stecken.

Von der Groteske zum Drama

Zugleich aber verlässt Regisseur Fabian Möhrke nach Stefan Stuckmanns Drehbuch diesmal den Pfad der Groteske und reißt das Steuer hart Richtung Drama herum. Während Populisten, Youtube, Kommunikationsverwahrlosung und ein Untersuchungsausschuss zum Thema Doping dem Sportfachmann zusetzen, stürzt auch sein ganzes Umfeld ins Tal grassierender Verzweiflung.

Das ist nur ganz selten mal wirklich lustig, in seiner abstrusen Tragikomik aber gelegentlich so unverstellt, wie man sich die repräsentative Demokratie bisweilen wünscht. Und übertrifft damit das bisherige Niveau politischer Fiktion deutscher Herkunft um Längen. Zum Beispiel Klaus J. Behrendt als Schröder-Imitat im „Kanzleramt“ auf gleichem Kanal. Vor 14 Jahren verlor sich Hans-Christoph Blumenbergs Melodram so heillos zwischen Gefühlsduselei und Pragmatismus, dass die Messlatte fortan auf Bodenhöhe lag – und trotzdem weiter gerissen wurde. Als Bürgermeisterkandidatin der ARD-Serie „Die Stadt und die Macht“ etwa agierte Anna Loos 2016 so plakativ, dass eine Steigerung der Ödnis undenkbar schien.

Bis Rosalie Thomass bei Neo zur „Lobbyistin“ wurde und als solche mal besser ein Gesetz initiiert hätte, das deutsche Politikserien verbietet. Doch zum Glück ist vorher ja Hajo Eichwald in die furnierholzgetäfelte Welt des Reichstags gezogen und sorgt auch ohne Pointen für ein wenig Esprit im Minenfeld exekutiven Entertainments. Fortsetzung? Ach bitte!

„Eichwald, MdB“, ZDF., Freitag, um 22 Uhr 30

Jan Freitag

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