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Charlotte Roche und ihr Mann Martin Keß, Mitbegründer der TV-Produktionsfirma Brainpool.

© Spotify

Podcast "Paardiologie" von Charlotte Roche: „Man kann uns ruhig peinlich finden“

Szenen ihrer Ehe: Was Charlotte Roche mit ihrem Mann im gemeinsamen Podcast bespricht. Ein Interview.

Frau Roche, was bringt Sie und Ihren Ehemann dazu, im gemeinsamen Podcast „Paardiologie“ die seit 2007 andauernde Ehe auszubreiten?

Ich wollte gern einen radikal ehrlichen Podcast machen, welcher berührt und gleichzeitig unterhält. Das Ziel ist, die Leute zum Weinen und zum Lachen zu bringen. In meinem Fall verhilft genau diese Ehrlichkeit dazu, dass ich viele Menschen damit zum Lachen bringe. Ich suche immer eine Verbindung zu den anderen Menschen, um herauszufinden, ob sie auch solche Probleme haben wie ich. Ich leide sehr darunter, wenn Menschen nicht darüber reden und so tun, als wäre alles bestens. Dadurch denke ich, bei uns ist nichts in Ordnung. Das ist der Grund, weshalb ich gern öffentlich in einem Podcast mit meinem Mann über meine Beziehung rede.

Mussten Sie Ihren Mann überreden?

Ich habe ihn gefragt und dachte, er sagt Nein, das hätte zu ihm gepasst. Er ist immer sehr zurückhaltend, was die Öffentlichkeit betrifft. Er hatte sehr viele Argumente, die dagegen sprechen und hat trotzdem Ja gesagt, wofür ich sehr dankbar bin, weil ich das krass und mutig von ihm finde. Trotz der vielen Kontrapunkte fand er die Idee so gut, dass er es einfach machen muss.

Da bleibt nichts von dem, was Paare miteinander erleben, ausgespart – oder doch?

Es wird nichts ausgespart, kann ich mit Stolz sagen, außer intimen Details über unsere Kinder. Die haben uns zum Glück erlaubt, den Podcast zu machen. Wenn aber Themen wie zum Beispiel Finanzen besprochen werden, welche natürlich auch die Kinder betreffen, besprechen wir vorher, welche Details öffentlich gemacht werden dürfen und welche nicht. Wir werden auf keinen Fall unsere Kinder verraten und gegen deren Willen Geheimnisse erzählen. Aber ansonsten gilt für den Podcast: Vollgas!

Später auch mal mit anderen Paaren

Ist der Podcast als reiner Paardialog gedacht oder werden Sie auch Gäste oder Experten zu Ihren Sendungen einladen, die Feedback von außen mitbringen?

Erst mal sind nur wir beide eingeplant. Wir haben sehr viele Themen und sind richtig heiß darauf, diese im Podcast aufeinanderknallen zu lassen. Vor allem geht es um Themen, zu denen wir uns noch nicht einig sind, und welche Haltung wir dazu haben. Irgendwann in der Zukunft könnte ich mir aber durchaus vorstellen, mit Experten zu reden. Ich fände es auf jeden Fall spannend, Paar- respektive Sexualtherapeuten zu Wort kommen zu lassen oder andere Paare einzuladen.

Integriert in den Podcast sind alte, akribisch dokumentierte SMS-Nachrichten. Wer hebt sich so was auf – und warum? Wird das nicht unsagbar peinlich für Sie?

Wie Sie vielleicht wissen, habe ich keine Angst vor Peinlichkeiten. Meistens machen sich andere Leute darüber lustig, wenn man eigene romantische Sachen preisgibt. Ich lebe seit dem Podcast nach der Maxime: Love like no one’s watching. Die Leute können uns ruhig peinlich finden. Für uns war es total wichtig, diese Phase unserer Beziehung zu behalten und nicht mit einem Handyverlust all diese Nachrichten aus der Anfangszeit zu verlieren. Deshalb wurden die Nachrichten in Word-Dokumente übertragen, auf mehreren Computern gespeichert und auf Papier ausgedruckt, damit diese Phase unserer Beziehung dokumentiert ist. Das sind unsere modernen Liebesbriefe. Andere Leute bewahren sich diese ja auch in ihrem Schuhkarton auf.

Ihr Mann ist nicht zum Interview erschienen. Was hält ihn davon ab?

Im Moment mache ich die Werbung für den Podcast allein, damit die Menschen sich auf die Stimme meines Mannes konzentrieren können. Nach 15 Jahren öffentlicher Abstinenz wären ein Beziehungspodcast und sein Auftreten in der Öffentlichkeit zu viel auf einmal. Wir konzentrieren uns erst mal auf die auditive Wahrnehmung.

Leute lügen sich oft in die Tasche

Was soll der Effekt sein? Dass Ihre Ehe so normal aufregend ist wie Millionen andere Ehen?
Wenn das mal so wäre. Ich habe eher den Eindruck, dass die Leute sich oft in die Tasche lügen. Ich bin auf jeden Fall oft von Menschen umgeben, die nach außen so tun, als wäre alles super. Dadurch denkt man von sich selbst, in Phasen, in denen es nicht gut läuft, man ist ganz allein mit seinen Problemen. Im Prinzip wäre es ein Kompliment, wenn die Leute den Podcast hören und sagen, schau mal, die sind genauso wie wir.

[„Paardiologie“, Spotify, 15 Episoden, ab 21. Juni, in der Nacht zum Freitag um 0 Uhr 01]

Was können Zuhörer aus Ihrem Podcast mitnehmen?

Ich würde nicht sagen, dass wir ein Ratgeber sein können. Wir haben das nicht studiert und sind auch nur Konsumenten von Paartherapien. Wir können aber erzählen, was wir gelernt haben in der Paartherapie und wie das für uns funktioniert, wenn man streiten lernt, kommunizieren lernt und sich einigt, dass gewisse Dinge geheim bleiben müssen. Darüber freue ich mich sehr, diese Erkenntnisse mit Leuten zu teilen. Der Podcast ist erst mal als Unterhaltung gedacht. Ich will Leute zum Lachen oder Weinen bringen und über unsere Ehrlichkeit eine Verbindung zu den Zuhörern herstellen.

Sie sind Mitglied bei Attac und bei den Grünen. Spielen die politischen Themen, die Ihnen wichtig sind, im Podcast eigentlich auch eine Rolle?

Mein politisches Engagement soll einen großen Teil ausmachen im Podcast. Ich finde, das Private ist total politisch. All die großen Probleme, die es in Europa und auf der Welt gibt, wie Umweltschutz, Klimakatastrophen, fangen bei uns zu Hause im Kleinen an. Wir sollten auf unsere Kinder hören und unser Verhalten überdenken. Was machen wir falsch und was können wir ändern? Die jungen Leute sind bei „Fridays for Future“ und zeigen uns, was wir in all den Jahren verpasst haben und machen müssen. Diese konkrete Umsetzung zu Hause und deren Ausmaße werden definitiv ein Thema im Podcast sein.

Sie sind Moderatorin, Bestsellerautorin, haben Hörbücher gesprochen, sind in Filmen aufgetreten, haben mit Bela B. gesungen, machen jetzt den Podcast. Was können wir zukünftig noch erwarten?

Es freut mich sehr, dass so viele Tätigkeiten aufgezählt wurden, aber teilweise handelte es sich nur um einmalige Ausflüge, wie zum Beispiel das Singen. Ich werde bestimmt noch ein oder zwei Talente finden, welche ich ausprobieren möchte, bevor ich sterbe, das verspreche ich Ihnen, aber ich sage jetzt noch nicht, was es wird, denn über ungelegte Eier darf man nicht reden.

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