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Gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook? Das soziale Netzwerk hat die Seite "Perlen aus Freital" gesperrt

© Perlen aus Freital

Update

"Perlen aus Freital": Facebook nimmt Sperre von Hass-Doku zurück

Die Seite "Perlen aus Freital" dokumentiert, wie im Netz gegen Flüchtlinge gehetzt wird. Eine Sperre der Facebook-Seite wurde nach Kritik von Justizminister Maas wieder aufgehoben.

Von Matthias Meisner

Es ist eine der wichtigsten Portale, um den Hass gegen Flüchtlinge im Internet zu dokumentieren: Im Sommer vergangenen Jahres begannen anonyme Aktivisten, rassistische Postings auf Facebook in einem Tumblr-Blog zu sammeln. Zunächst nur aus Freital, der Kleinstadt bei Dresden, die nach Hetze und Demonstrationen gegen neu ankommende Asylsuchende bundesweit in die Schlagzeilen geraten war. Später dann aus ganz Deutschland.

Der Erfolg war enorm: Schon in den ersten Tagen klickten Hunderttausende die Seite an. Aber die Arbeit war von Beginn an nicht einfach: Es gab sogar Morddrohungen gegen die Initiatoren.

Am Donnerstag vergangener Woche nun sperrte Facebook überraschend den Auftritt der "Perlen auf Freital". "Offenbar entsprechen auf deiner Seite gepostete Inhalte nicht den Nutzungsbedingungen von Facebook und den Gemeinschaftsstandards", hieß es zur Begründung. "Daher wurde deine Seite auf unveröffentlicht gesetzt." Mit den Bedingungen und Standards werde sichergestellt, "dass Facebook auch weiterhin eine sichere und respektvolle Umgebung bleibt."

Nachfragen des Tagesspiegels zu dem Vorgehen ließ Facebook unbeantwortet. Allerdings wurde die Sperre der Facebook-Seite nach der Berichterstattung des Tagesspiegels über den Fall und Kritik unter anderem von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Mittwochnachmittag wieder aufgehoben.

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Im Blog perlen-aus-freital.tumblr.com waren die Inhalte durchgehend erreichbar, "zum Glück", wie die Administratoren der Seite erklärten. Dennoch war die Facebook-Sperre für die Aktivisten von erheblichem Nachteil. "Mit dem Verschwinden unserer Dokumentation auf Facebook sinkt natürlich zugleich die Sichtbarkeit von Hasskommentaren dort. Außerdem gehen uns viele wichtige Hinweise von Usern auf eben solche Hasskommentare verloren, was auch das Aufkommen von Strafanzeigen massiv senken wird, da diese oft aus dem Kreis unserer Leser erstattet wurden."

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Es klinge absurd, aber mit dem Löschen der Seite löse Facebook für sich gleich mehrere Probleme. "Wir gehen davon aus, dass im Rahmen der Kampagne gegen Hatespeech nun erstmal ein Bauernopfer gesucht wurde. Wir haben halt eine Sammlung an Hasskommentaren auf einer Plattform publiziert, die solche Beiträge lange Zeit nicht sehen wollte und nichts unternommen hat", teilen die Macher der "Perlen aus Freital" in einer Email an den Tagesspiegel weiter mit.

Maas: Kampf der Zivilgesellschaft gegen Hasskriminalität wichtig

Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte sich schon im Herbst vergangenen Jahres vorgenommen, in Zusammenarbeit mit Facebook gegen Hasstiraden im Netz vorzugehen. Eine "Task-Force" soll dafür sorgen, dass Hasskommentare schneller aus dem Netz verschwinden. Maas begrüßt das: "Es ist gut, dass Facebook sich bewegt hat und strafbare Inhalte in Zukunft konsequent löschen will."

Justizminister Heiko Maas
Justizminister Heiko Maas

© Ralf Hirschberger/dpa

Die Maßnahme gegen die "Perlen aus Freital" hingegen fand der Bundesjustizminister überhaupt nicht gut. Radikaler Hetze müsse öffentlich widersprochen werden, sagte er am Mittwoch dem Tagesspiegel. Mit dieser sogenannten "Counter-Speech" werde ein Gegengewicht geschaffen. "Auch Seiten, die rassistisches Gedankengut dokumentieren, können ein wichtiger Beitrag einer aktiven Zivilgesellschaft beim Kampf gegen rechten Hass sein", sagte Maas in Anspielung auf die Sperre der Facebook-Seite: "Sie können helfen, geistige Brandstifter zu entlarven. Wenn solche Seiten gesperrt werden, trifft es genau die Falschen. Strafbare Inhalte sollten aus dem Netz verschwinden, nicht der Kampf der Zivilgesellschaft gegen Hasskriminalität."

Künast: Facebook-Prüfer haben wenig Gespür

Auch die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, die Grünen-Politikerin Renate Künast, konnte das Vorgehen von Facebook nicht nachvollziehen. Sie sagte dem Tagesspiegel: "Facebook will gegen Rassismus und Hate Speech vorgehen. Das ist dringend nötig. Aber dass eine der ersten Sperrungen 'Perlen aus Freital' betrifft, zeigt, wie wenig Gespür die Facebook-Prüfer haben."

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Künast betonte: "Statt den realen Rassismus und Antisemitismus aus dem Netz zu verbannen, werden diejenigen gesperrt, die die Hetze im Netz dokumentieren. Wenn wir das mal ins analoge Leben übertragen, würde eine Zeitung, die rassistische Äußerungen dokumentiert, verboten, aber nichts gegen die Urheber des Rassismus unternommen. Facebook muss seine Maßnahme unverzüglich überdenken!"

Neuer Facebook-Auftritt geplant, "leicht anders gestrickt und wasserdicht"

Die "Perlen aus Freital" hatten Einspruch gegen die Facebook-Maßnahme eingelegt, was sich ihrer Darstellung zufolge im Klicken eines Buttons mit der Aufschrift "Einspruch" erschöpft hat. "Als Betroffene haben wir nicht einmal die Möglichkeit gehabt, unseren Einspruch zu begründen."

Erwogen worden war, kurzfristig eine neue Seite unter einem ähnlichen Titel zu eröffnen und weiterhin Hasskommentare zu sammeln - dann mit Verlinkung auf das Blog ohne ein wörtliches auf Facebook eingebundenes Zitat, also "leicht anders gestrickt und wasserdicht". Diese Variante hat sich mit der Aufhebung der Facebook-Sperre nun erledigt.

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