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Angriff Mitte November auf die Redaktionsräume der "Freien Presse" in Glauchau.

© Julia Lappert, "Freie Presse"/dpa

Update

Pegida, AfD, NPD und die Medien: "Es gibt No-go-Areas für Journalisten"

Bei rechten Demonstrationen, etwa der AfD und von Pegida, häufen sich Angriffe gegen Pressevertreter. Der Deutsche Journalistenverband will das nicht hinnehmen.

Von Matthias Meisner

Der Zwischenfall war kein Einzelfall: Am Mittwochabend war die ZDF-Reporterin Britta Hilpert im Einsatz bei einer Demonstration der AfD in Cottbus. "Demonstranten behindern uns, Mikro weggedrückt, rumgeschubst, Polizei griff ein", berichtet die Journalistin auf Twitter. Nur wenige Minuten später ergänzt Hilpert, die Kreisvorsitzende der rechtspopulistischen Partei, Marianne Spring, habe sich entschuldigt: "Es geht nicht, dass ZDF-Mitarbeiter geschubst werden." Die AfD-Demonstranten hätten derweil "Lügenpresse" gerufen. In einem am Freitag auf dem Twitter-Account von heute.de veröffentlichten Video schildert Hilpert ausführlich ihre Erlebnisse in Cottbus.

Alltag in Deutschland: Proteste gegen Asylsuchende und eine vermeintliche Islamisierung bei den Demonstrationen von Pegida, AfD und Co., vor den Unterkünften vor Flüchtlingen. Und dazu, immer häufiger, Attacken gegen Journalisten und Redaktionsbüros.

Am vergangenen Montag etwa in Dresden: Der Kameramann Dmitri Volkov, der für das erste Programm des russischen Fernsehens im Einsatz war, wird von Pegida-Anhängern geschlagen. Zunächst sah es nur nach leichten Verletzungen aus, wie das Portal "Mopo 24" berichtete. Doch die Folgen der Attacke gegen den 43-Jährigen waren dramatischer: Volkov musste am Freitag in Berlin-Marzahn am Auge operiert werden, wie sein Bruder Sergej dem Tagesspiegel mitteilte - die Ärzte diagnostizierten einen Bruch des Augenhöhlenbodenknochens. Er werde frühestens am Montag aus dem Krankenhaus entlassen. "Also schon eine schwere Verletzung, noch dazu am Auge, was für einen Kameramann ein Problem werden kann", sagte Volkov. In diesem Fall ermittelte die Polizei einen Tatverdächtigen.

Einschränkungen der Pressefreiheit anderer Art in jüngster Zeit: Die NPD untersagt dem "taz"-Autoren Andreas Speit, von ihrem Bundesparteitag in Weinheim zu berichten. Grenzen zog auch die sächsische Stadt Bischofswerda, als sie mit Vertretern von Land, Rotem Kreuz und Polizei eine Bürgerversammlung zur Flüchtlingsproblematik organisierte. "Presse war beim Forum nicht erwünscht", berichtet die "Sächsische Zeitung". Das Blatt ging schließlich unter Berufung auf Teilnehmer der Versammlung Gerüchten über die Flüchtlingsaufnahme nach.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) möchte all dies nicht akzeptieren. Verbandssprecher Hendrik Zörner findet deutliche Worte: "Wir haben nicht geglaubt, dass aus den Pöbeleien gegen Berichterstatter bei Pegida Anfang des Jahres mal eine Situation entstehen könnte, die Prügeleien gegen Journalisten salonfähig machen könnte", schreibt er im DJV-Blog. "Aber so ist es gekommen: Im Herbst 2015 haben wir in bestimmten Städten zu bestimmten Zeiten No-Go-Areas für Journalisten." Der DJV fordert Journalisten auf, sich zu melden, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind.

Auch der neue DJV-Vorsitzende macht die wachsende Gewalt gegen Journalisten in Deutschland zum Thema. Früher seien Journalisten bei rechtsextremen Aufmärschen angeschrien worden, berichtete Frank Überall in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur. "Das war unangenehm, aber tut nicht weh", sagte er. Heute aber müsse man nur zu einer Pegida-Demonstration gehen oder zu Hogesa, den "Hooligans gegen Salafisten": "Verschiedene rechte Gruppen machen viel mehr mobil als das in der Vergangenheit der Fall war."

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Mittlerweile, erklärt Überall, sei es "wirklich so, dass einem das Mikrofon aus der Hand geschlagen wird, dass die Kamera geblendet wird, dass eine Kollegin in einen Hauseingang geschubst und bespuckt wird". Die Polizei schaue vielleicht nicht weg, brauche aber doch oft recht lange, bis sie reagiere. Er habe sich nie vorstellen können, einmal Angst haben zu müssen, diesen Job zu machen, sagt der DJV-Chef. "Das kannte ich nur aus autoritären Regimen." Ein Problem, denn es würden viele Kolleginnen und Kollegen gebraucht, "die Fakten sammeln, die Fakten prüfen auch in der rechtsextremen Szene, die erklären und die einordnen".

Vorgearbeitet bei den Recherchen hat der Bayerische Journalistenverband (BJV). Er hat bereits eine Liste mit Hinweisen zu einschlägigen Vorfällen und den Debatten zum Thema erstellt. Darin taucht dann beispielsweise auch ein Angriff auf die Lokalredaktion der "Freien Presse" im sächsischen Glauchau auf. Unbekannte warfen dort Mitte November mit sechs Ziegelsteinen mehrere Fenster der Lokalredaktion und der Geschäftsstelle ein. Der oder die Täter konnten entkommen.

Die "Magdeburger Volksstimme" berichtete von einer AfD-Demonstration Mitte November in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt: "Als ein Reporter der ,Volksstimme' mit einem AfD-Demonstranten aus Magdeburg sprach, ging ein Ordner dazwischen. Er fotografierte den Reporter erst mit seinem Handy und führte den Magdeburger Rentner dann weg und sagte: ,Wir reden nicht mit der Lügenpresse'. Als der ,Volksstimme'-Reporter später fragte, warum er das Gespräch unterbunden habe, sagte der Ordner: ,Das ist ein freies Land. Ich muss das nicht begründen.'"

Prinzipiell distanzieren sich die Anführer von Pegida und die führenden Politiker der AfD in der Regel von Gewalt gegen Journalisten. Ihre Feindbilder aber pflegen sie. Etwa Pegida erwähnt regelmäßig die Namen missliebiger Journalisten auf ihren Facebook-Seiten.

Auf der Pegida-Kundgebung am 16. November in Dresden prangerte deren Wortführerin Tatjana Festerling namentlich vier Journalisten an. "Die Helfershelfer der gefährlichsten Frau Europas (gemeint war Angela Merkel) und ihrer Regierungsbande sind die Leitfiguren der Schundblätter deutscher Medienkonzerne", sagte sie. Kai Diekmann, damals noch Chef der "Bild"-Zeitung, bescheinigte sie, "geradezu im Flüchtlingsrausch" zu sein. Sie erwähnte daneben Giovanni di Lorenzo, den Chefredakteur der "Zeit", der "eins zu eins die Hetze vom ,Netz gegen Rechts'" teile. Und Jakob Augstein, "seine Peinlichkeit höchstselbst", den Herausgeber des "Freitag", der auf Sylt Champagner-Parties schmeiße, aber "uns, dem zu verachtenden Schrumpelvolk, den Sozialismus" erkläre.

Natürlich werden die Forderungen von AfD und Pegida kritisch hinterfragt, wie bei allen anderen auch. Wenn es hier bis zur Lächerlichkeit geht, dann weil es an der erforderlichen Rhetorik oder der Substanz am eigenen Argument mangelt. Wer in den politischen Ring hinein steigt, verpflichtet sich auch zur verbalen Auseinandersetzung und muss sich ggf. auch auf verbale Haue einstellen. 

schreibt NutzerIn philoktes

Auch der Autor dieser Zeilen kam damals in der Festerling-Rede vor. Matthias Meisner "teilt das links-grün-radikale Zeug seiner Antifa-Twitter-Kumpel und wähnt sich ganz, ganz oben auf dem hohen Ross der Deutungshoheit". Festerling damals: "Wenn wir von diesen Herrschaften nicht gleich in die Nazi-Ecke skandalisiert werden, schwadronieren sie herablassend über die angeblich diffusen Ängste besorgter Bürger. Vorsicht, Kameraden!"

AfD-Vize Gauland: Die Menschen versuchen, sich Luft zu verschaffen

Im Fall der Attacken gegen das ZDF-Team in Cottbus entschuldigte sich der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland, Vorsitzender seiner Partei in Brandenburg, bei der ZDF-Reporterin Hilpert, wie er am Freitag im Morgenmagazin bekräftigte. Auch den Begriff "Lügenpresse" lehnt Gauland für sich als "undifferenziert und falsch" ab. Allerdings: Den Frust der AfD-Anhänger verstehe er, so der Politiker weiter. Die Menschen seien enttäuscht, weil sie mit ihrer Ablehnung von Flüchtlingen im Fernsehen nicht vorkämen. "Die Menschen versuchen, sich Luft zu verschaffen."

Gauland habe der ZDF-Journalistin eine "vergiftete Entschuldigung" nachgerufen, sagt dazu DJV-Sprecher Zörner dem "Handelsblatt": "Mit seiner dümmlichen Kritik am angeblichen Willkommensfernsehen heißt er die Gewalt gegen Journalisten indirekt gut."

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