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Ost-West-Ermittlung. Der Tod einer West-Touristin im Harz führt die DDR-Polizisten Lothar Wieditz (Jörg Schüttauf, links) und Karl Albers (Ronald Zehrfeld) mit der LKA-Fahnderin Nadja Paulitz (Silke Bodenbender) zusammen.

© ZDF und Julie Vrabelova

Ost-West-Ermittlung im ZDF: Graubeige ist der Osten

„Walpurgisnacht“: ZDF-Zweiteiler bringt DDR- und BRD-Polizei zur Fahndung am Hexenberg zusammen

Deutschland, hieß es gegen Ende der Achtziger in einem besonders heimatverbundenen Werbespot, „Deutschland ist schön, seine Landschaften typisch, die Bauwerke weltberühmt“. Und damit das umworbene Publikum auch begriff, wie schön typisch weltberühmt wirklich, strahlte die Sonne über den Landschaften und Bauwerken, als wären Wolken darüber verboten. Sollten die dichter werden, das wissen wir nicht erst seit der Weißbier-Reklame, dürfte es mit der Idylle bald vorbei sein.

Es liegt folglich Unheil in der Luft, als sich der Himmel über einer West-Touristin im zerklüfteten Felsmassiv des Ost-Harzes verdunkelt. Und siehe da: Kurz nachdem sich die junge Frau am Rande eines Abhangs niederlässt, wird sie von jemandem in die Tiefe gestürzt, den zwar das Opfer erkennt, nicht aber das Publikum. So beginnt der ZDF-Zweiteiler „Walpurgisnacht“, in dem das bundesrepublikanische LKA 1988 und erstmals im deutsch-deutschen Teilungskapitel einen staatsübergreifenden Todesfall mit DDR-Volkspolizisten ermittelt.

Mit diesem Alleinstellungsmerkmal wird die hessische Oberkommissarin Nadja Paulitz zum Systemfeind geschickt, um den Mörder ihrer Landsfrau zu finden. Das Resultat ist – rein dramaturgisch betrachtet – ein eher solides Stück Krimi-Unterhaltung, dem man – rein atmosphärisch betrachtet – aber schon wegen des unerwarteten Showdowns bis zum Schluss folgen sollte. Zuvor aber ringt Silke Bodenbender als kapitalistischer Polizei-Import oft arg melodramatisch um eine Gerechtigkeit, die offenbar auch ihr sozialistischer Kollege Karl Albers (Ronald Zehrfeld) sucht. Doch da am Fuße des Hexenbergs Brocken allerdings alle Betroffenen und Beteiligten nach und nach Berührungspunkte zum Fall offenbaren, erscheint genau dies von Minute zu Minute unwahrscheinlicher.

Umnebelt von mal nostalgischem, mal dräuendem Überwältigungssound wird „Walpurgisnacht“ aber auch deshalb ständig in tristes Dämmerlicht getaucht, weil der rätselhafte Gesellschaftsthriller – rein soziokulturell betrachtet – wie so oft im politisch aufgeladenen Vorwende-Metier mehr ist als ein weiterer Krimi-Mehrteiler. Denn wie zur Zeit des Mauerfalls dienen Spielfilme vor zeithistorischer Tapete auch 30 Jahre später gern der Eigenvergewisserung einer Nation, die ausdauernd an sich selbst (ver-)zweifelt.

"Also, Telefone haben wir hier schon"

Als Götz George noch während der Montagsdemos in Leipzig und anderswo die weltpolitisch getrennten Zwillinge „Schulz & Schulz“ spielt, machen sie der DDR auch das gelobte (Westdeutsch-)Land schmackhaft. Dessen vereinigungseuphorischer Firnis bekam zwar mit jedem der fünf Teile ein paar Risse mehr; doch was sich von der Republikflucht-Comedy „Sedwitz“ übers Spionagedrama „Der gleiche Himmel“ bis zum Alltagsmelodram „Honigfrauen“ durch realsozialistische Fiktionen zieht, ist bis heute ein graubeiger Grundton, den man beim Zusehen instinktiv ins bundesrepublikanische Farbbad tauchen will.

Unabhängig von der wachsenden Zahl rituell drapierter Frauenleichen taugt also auch diese deutsch-deutsche Begegnung zur Stilisierung planwirtschaftlicher Tristesse. Sekretärinnen sind darin noch 1988 nur „Fräuleins" und die Hauseinrichtungen so öde, dass frau sie sich mit der „Schwarzwaldklinik“ schönfärben muss. Zugleich aber bleibt Regisseur Hans Steinbichler (Buch: Thorsten Silber & Christoph Wettcke) dem ungeschriebenen TV-Gesetz treu, Totalitarismus von links wie rechts nur mit ein, zwei Tätern unter lauter Opfern darzustellen. In diesem Fall: der aasige Parteibonze Pölz (Godehard Giese) im Kompetenzgerangel mit dem sachlichen Revierleiter Wieditz (Jörg Schüttauf).

Noch lieber hätte man allerdings gesehen, wie Bürokraten verschiedener Moral- und Regierungssysteme am Abgrund krasser Serienmorde interagieren. Etwa, wenn Hauptmann Wieditz ganz ohne politisches Pathos zur überheblichen Westkollegin „also, Telefone haben wir hier schon“ sagt. Leider hat sich das ZDF entschieden, alles Zwischenmenschliche kriminalistisch zu überlagern. Aber als Mysterythriller ist auch das ganz sehenswert.

„Walpurgisnacht – Die Mädchen und der Tod“, ZDF, Montag und Mittwoch um 20 Uhr 15

Jan Freitag

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