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Medien: „Ohne gebündelte Leidenschaft geht das nicht“

Die Analoge Halluzinelle und ihr Kreator: Gespräch mit Nora Tschirner und Oliver Jahn über die „Ijon Tichy: Raumpilot“, Staffel 2

Von Susanna Nieder

Warum sieht das Innere der Rakete in „Ijon Tichy: Raumpilot“ aus wie eine Berliner Altbauwohnung?

JAHN: Die Idee entstand bei den ersten beiden Kurzfilmen. Die und auch die erste Staffel haben wir in meiner Wohnung gedreht. Dann bin ich ausgezogen …

TSCHIRNER: …und die Wohnung wurde nachgebaut. Man merkt den Unterschied wirklich erst, wenn man rausgeht und im Studio steht. Ein tierischer Aufwand!

Wie lange haben Sie an der zweiten Staffel gearbeitet?

JAHN: Wir schreiben und realisieren „Ijon Tichy“ zu dritt, Randa Chahoud, Dennis Jacobsen und ich. Ich spiele außerdem Ijon Tichy, Randa Chahoud ist die Kamerafrau und Dennis führt Regie. Wir haben ein Jahr am Drehbuch geschrieben, ein halbes Jahr den Dreh vorbereitet, ein halbes Jahr gedreht …

TSCHIRNER: … gleichzeitig liefen die ganzen Trickaufnahmen. Und ein Jahr Postproduktion.

Das heißt, das ist wahnsinnig aufwendig.

JAHN: Der Aufwand ist vergleichbar mit einem Science-Fiction-Film, wie man ihn aus dem Kino kennt. Der Unterschied ist nur, dass die Rakete nicht aussieht, wie George Lucas sich das vorstellt, sondern wie wir uns das vorstellen.

Was ist das denn für ein Ding, das Sie als Rakete genommen haben?

JAHN: Eine Kaffeekanne zum Runterdrücken kombiniert mit einer Thermoskanne.

„Ijon Tichy“ lebt davon, dass alles provisorisch aussieht. Haben die Darsteller improvisiert?

TSCHIRNER: Nein. Dadurch, dass meine Figur, die Analoge Halluzinelle, durchsichtig ist, muss man von Anfang an exakt planen, sonst würde das gar nicht funktionieren. Ein normales Bild besteht aus bis zu zehn Ebenen pro Szene, die einzeln abgefilmt werden. Wenn man irgendwas ändert, stimmt das Ganze nicht mehr.

Woher kommt eigentlich die werte Halluzinelle?

JAHN: Ijon Tichy ist ein Abenteurer, der durchs Weltall fliegt und dem die Arbeit zu viel wird …

TSCHIRNER: … die daraus besteht, die Rakete in Ordnung zu halten und Omelettes zu braten.

JAHN: Ja, und in der ersten Staffel baut er sich eine holografische Assistentin, um sich mehr auf die Omelettes konzentrieren zu können.

Hat er sie richtig hingekriegt? Weil sie nur funktioniert, wenn die Spülmaschine eingestöpselt ist.

JAHN: Nee. Eigentlich sollte sie so werden wie er, aber dabei ist das Gegenteil rausgekommen.

TSCHIRNER: Tichy hält sich für die Neuerfindung des Rades, und dann kommt da jemand, der viel offener ist als er und noch dazu eine Frau.

JAHN: Er hätte eher Einstein erwartet.

Ich muss Ihnen gratulieren zur zweiten Folge „Shøpping“, wo Ikea-Möbel das Weltall erobern wollen.

TSCHIRNER (räuspert sich): Wir sind von offizieller Stelle leider nicht befugt, diese Möbel so zu betiteln.

JAHN: Wenn Sie das als Ikea empfinden, dann ist das rein zufällig so. Das ist natürlich irgendein Möbelhaus …

… wo man seine Möbel selbst zusammenbauen muss und das nie hinkriegt.

JAHN: Genau.

Wie unterscheidet sich dieser Dreh von anderen?

TSCHIRNER: Durch große Professionalität, aber in sehr viel schäbigeren Umständen, weil die vielen Drehtage so teuer sind, dass quasi eine Low-Budget-Produktion daraus wird. Und durch eine gebündelte Leidenschaft, ohne die man die monatelangen Dreharbeiten gar nicht durchhalten würde.

JAHN: Wir machen von morgens bis abends viele absurde Sachen. Und bei aller Arbeit und allem Stress ist es sehr erfrischend, wenn der Außerirdische Dr. Spamy im Autoscooter durchs Weltall fliegt und seltsame Dialoge mit Tichy spricht.

TSCHIRNER: Und die Fantasie ist immer gefordert. Das geht schon im technischen Bereich los. Die Halluzinelle muss jede Szene noch mal vor einem grünen Hintergrund drehen. Wir haben ein nicht sehr großes Stück grünen Stoff, und wir überlegen ständig, wie wir diesen Stoff anbringen können, um möglichst viel Fläche hinter mir auszukleiden. Das ist der totale Sport geworden.

Das hat so was Kindliches.

JAHN: Science-Fiction spielen ist ein wichtiger Aspekt von „Ijon Tichy: Raumpilot“. Wir zitieren alles Mögliche aus der Science-Fiction, wie man sich das als Kind beim Spielen vorgestellt hat. Es soll wirken wie improvisiert, ist aber hochprofessionell.

Das Gespräch führte Susanna Nieder.

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