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Die ARD-Mediathek kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, wenn es um die Auffindbarkeit öffentlich-rechtlicher Programme und Sendungen im Online-Bereich geht. Schon die Nutzerfreundlichkeit lässt sehr zu wünschen übrig.

© dpa/Stefan Krausse

Öffentlich-rechtlicher Mediaplayer: Let’s click!

Nur linear reicht nicht mehr: ARD und ZDF müssen dringend einen öffentlich-rechtlichen Mediaplayer installieren

Die Intendanten von ARD und ZDF haben in einem Gastbeitrag für die „Zeit“ dafür plädiert, einen öffentlich-rechtlichen Mediaplayer zu installieren. Diese Initiative ist begrüßenswert. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein hohes und unsere Demokratie stabilisierendes Gut. Wenn mehr und mehr Menschen dessen Angebote nicht mehr linear, sondern im Netz nutzen, ist es unabdingbar, Wege der Verbreitung zu finden, die unabhängig von unkontrollierbaren Algorithmen der Internet-Giganten aus dem Silicon Valley sind.

Eine entscheidende Antwort sind die Intendanten in ihrem Beitrag schuldig geblieben: Wann dieser Player tatsächlich online gehen soll. Die Beantwortung dieser Frage ist jedoch essenziell. Denn jeder Tag ohne ein derartiges Angebot kostet die öffentlich-rechtlichen Sender Tausende von potenziellen Nutzern und gefährdet damit ihre Legitimation.

Auf die Gefahr hin, holzschnittartig zu argumentieren, stellt sich das Nutzungsverhalten der Gebührenzahler so dar: Menschen über 60 schauen die Programme von ARD und ZDF primär klassisch linear im TV zur festgesetzten Uhrzeit – und weil nach wie vor primär diese Quote gemessen wird, bedienen die Sender vor allem diese Klientel. Die 40- bis 60-Jährigen nehmen, von Fußball, „Tatort“ und Nachrichten abgesehen, die öffentlich-rechtlichen Angebote mehr und mehr nur noch in den Mediatheken wahr, deren Unübersichtlichkeit zum Trotz.

Tilmann Eing ist Gründer und Geschäftsführer des IT-Unternehmens Kreuzwerker in Berlin.
Tilmann Eing ist Gründer und Geschäftsführer des IT-Unternehmens Kreuzwerker in Berlin.

© promo

Die unter 40-Jährigen wissen oftmals gar nicht, dass es diese Mediatheken überhaupt gibt, und haben folglich noch nie in ihrem Leben als Mediennutzer ARD und ZDF wahrgenommen. Diese Generation droht für die öffentlich-rechtlichen Sender dauerhaft verloren zu gehen, wenn es nicht sehr bald ein Angebot gibt, mit dem sie erreicht wird. Funk, die Online-Plattform von ARD und ZDF für die 14- bis 29-Jährigen, alleine reicht da nicht.

Wir sind uns im Klaren darüber, dass es viele Hindernisse gibt, die einer schnellen Umsetzung eines öffentlich-rechtlichen Players entgegenstehen. Da sind zunächst die Befindlichkeiten zwischen ZDF und ARD, aber auch innerhalb des ARD-Systems mit seinen neun Landesrundfunkanstalten. „Uns gibt es schon 70 Jahre, da dauert alles etwas länger“, sagte RBB-Intendantin Patricia Schlesinger nonchalant auf der re:publica. Ihr und allen anderen Verantwortlichen möchten wir zurufen: Wenn ihr nicht aus den Puschen kommt, gibt es euch vielleicht noch in fünf Jahren – in zehn aber ganz sicher nicht mehr!

Zweitens gibt es rechtliche Hürden. In unliebsamer Erinnerung ist der Versuch, gemeinsam mit Produzenten mit „Germanys Gold“ eine gemeinsame Plattform zu schaffen, er scheiterte am Veto des Bundeskartellamtes. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Die Politik hat erkannt, dass etwas für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Systems getan werden muss. Unter Federführung der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei werden derzeit die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, die ein gemeinsames Auftreten von ARD und ZDF im Netz ermöglichen sollen. Und auch in den Aufsichtsgremien gewinnen diejenigen die Oberhand, die eine gemeinschaftliche Präsenz im Internet einfordern. ZDF-Fernsehrat Leonard Dobusch plädierte beispielsweise, ebenfalls bei der re:publica, dafür, „umgehend“ erste Schritte einzuleiten.

Stefan Pannen ist Gründer und Geschäftsführer der Filmproduktionsfirma Berlin Producers Media.
Stefan Pannen ist Gründer und Geschäftsführer der Filmproduktionsfirma Berlin Producers Media.

© promo

Dritter Einwand: Das Geld. Ein öffentlich-rechtliches Youtube ist nicht umsonst zu haben. Aber angesichts von acht Milliarden Euro Beitragseinnahmen ist das nichts, was nicht zu stemmen wäre. Die Programmierung eines entsprechenden Players ist für (sehr) wenige Millionen Euro zu haben, das Hochladen des vorhandenen Contents ebenfalls (man vergleiche dies mit den sonst üblichen Verbreitungskosten!), hinzu kommen Kosten für Hosting und Social-Media-Marketing, um überhaupt im Netz wahrgenommen zu werden. Alles in allem kein Pappenstiel.

Aber Einsparpotenzial gäbe es mehr als genug: Braucht das ZDF unter dem Deckmantel ZDFneo einen eigenen Krimikanal, wo doch im Hauptprogramm schon reichlich geraubt, gemordet und aufgeklärt wird? Muss wirklich jede ARD-Anstalt vier oder gar fünf Radioprogramme unterhalten? Und ist es notwendig, dass jede Entscheidung für das Erste von „Arbeitsgemeinschaft der Reisenden Deutschland“, kurz ARD, dergestalt getroffen wird, dass sich zwei Dutzend Redakteure aus der ganzen Republik mehrfach zu – gelegentlich ergebnislosen – Gremiensitzungen treffen?

Viertens: Zeit. „So schnell geht das alles nicht." Geht es doch. Die Programmierung eines schlagkräftigen Players ist realistischerweise in einem Jahr machbar, das Hochladen der Inhalte bei entsprechender Manpower ebenfalls. Das öffentlich-rechtliche Netzangebot könnte also im Herbst 2020 gelauncht werden – wenn sich alle Beteiligten nur rasch einig würden und darauf verzichteten, schon beim Start wieder einmal die eierlegende Kompromiss-Wollmilchsau erfunden haben zu wollen.

Selber ist schneller

Kein Mensch lanciert heute noch ein digitales Produkt nach jahrelangem Reifeprozess im Dunkeln: Es geht um time-to-market und einen minimalen initialen Funktionsumfang, um zu überzeugen und Anhänger zu gewinnen. Langwierige Vergabeverfahren und noch längere Ausschreibungsverfahren werden obsolet, wenn man die Vorhaben als eigene Projekte selbst in die Hand nimmt und sich offen und mutig mit der erforderlichen Expertise verstärkt.

Letzter Einwand: Die Rechtesituation. Vielfach haben die Sender nicht die Rechte, ihre Produktionen unbegrenzt ins Netz zu stellen, sondern müssten diese erst bei deren Herstellern erwerben. Das sollte sich lösen lassen. Denn auch Produzenten und Produzentinnen sollte klar sein, dass sie sich keinen Gefallen damit tun, wenn das öffentlich-rechtliche System kollabiert. Darum: Lasst uns die Rechtefragen hintanstellen oder zu pauschalen Vereinbarungen mit den Urheberverbänden kommen, dass die Rechtefrage für einen Zeitraum von, sagen wir, drei Jahren, ausgesetzt wird. Und danach verhandeln wir in Ruhe.

Fazit: Einen öffentlich-rechtlichen Player bis zum Jahr 2020 umzusetzen, ist nicht nur möglich, sondern zwingend für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Systems. Wann, wenn nicht jetzt!

Tilmann Eing ist Gründer und Geschäftsführer des IT-Unternehmens Kreuzwerker in Berlin.

Stefan Pannen ist Gründer und Geschäftsführer der Filmproduktionsfirma Berlin Producers Media.

Bisherige Beiträge: Patricia Schlesinger (15. April 2018), Hans Demmel (25. April), Christoph Palmer (7. Mai), Rainer Robra (11. Mai), Norbert Schneider (21. Mai), Tabea Rößner (25. Mai), Thomas Bellut (10. Juni), Frauke Gerlach (22. Juni), Ulrich Wilhelm (5. August), Heike Raab (2. September), Hans-Günter Henneke (15. September), Christine Horz (20. Januar 2019), Siegfried Schneider (20. Februar), Ronald Gläser (3. März), Christian Bergmann (20. April), Doris Achelwilm (14. Mai)

Tilmann Eing, Stefan Pannen

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