zum Hauptinhalt
Mehr TV-Zuschauer, mehr Online-Abrufe. Kurz vor dem Ukraine-Krieg hat die ARD das Profil von Tagesschau24 geschärft. Seither stellt sich die Frage: Wo verläuft die Abgrenzung zum Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix?

© ARD/Tsp

Öffentlich-rechtliche Irritationen: Wie viele Nachrichtenkanäle brauchen ARD und ZDF?

Welche Aufgabe hat Phoenix nach dem Ausbau von Tagesschau24? Dazu besteht bei ARD und ZDF Redebedarf.

In der dritten Woche des Ukraine-Krieges ist es für den ARD-Nachrichtenkanal Tagesschau24 schon zu einer Art Routine geworden. In den Frühstunden wird das Programm des Morgenmagazins übernommen, danach wird das Studio von Tagesschau24 „zur festen Adresse für internationale, nationale und regionale News“, wie es die ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger und NDR-Intendant Jochen Knuth kurz vor Beginn der russischen Invasion angekündigt hatten.

So wie an diesem Montag, der von den russischen Raketenangriffen auf die West-Ukraine und dem sich verstärkenden Flüchtlingsstrom Richtung Westen geprägt war. Stunde um Stunde hält Moderator Gerrit Derkowski die Zuschauer auf dem Laufenden, schaltet zu Georg Restle nach Lwiw oder zu Robert Kempe zum Flughafen von Winnyzja oder zum Frankfurter Börsenparkett, um über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges zu berichten oder um von Ex-Moskau-Korrespondent Stephan Schuchlik die russische Politik Putins analysiert zu bekommen.

[Der tägliche Nachrichtenüberblick aus der Hauptstadt: Schon rund 57.000 Leser:innen informieren sich zweimal täglich mit unseren kompakten überregionalen Newslettern. Melden Sie sich jetzt kostenlos hier an.]

Anlässlich des Krieges in der Ukraine hat Tagesschau24 das Programm komplett umgestellt. Zwischen neun und 20 Uhr berichtet die Redaktion nahezu monothematisch live über die Ereignisse, zusätzlich gibt es ein abendliches Update um 21 Uhr 30 Uhr. Tagesschau24 bündelt die komplette Nachrichtenberichterstattung der ARD zu den Ereignissen und übernimmt die Brennpunkte, „Tagesschauen“, „Tagesthemen“, Nachtmagazine, Morgenmagazine und Talksendungen.

Der Tages-Marktanteil des linearen Nachrichtenkanals hat sich im Vergleich zu den Monaten vor Kriegsbeginn verdoppelt. Auch die Zahl der Zuschauenden stieg deutlich um über eine Million auf seither durchschnittlich 3,317 Millionen, wie die ARD auf Anfrage mitteilte. Die Zugriffe auf den Livestream von Tagesschau24 bei tagesschau.de, in der tagesschau-App und in der ARD Mediathek haben sich in der Spitze jeweils mehr als verzehnfacht.

„Das aktuelle Weltgeschehen, so traurig es ist, zeigt, wie dringlich und richtig das Vorhaben ist. Dafür spricht auch die Resonanz des Publikums. Noch liegt ein weiter Weg vor uns, die Richtung aber stimmt“, sagte Schlesinger dem Tagesspiegel.

Mit der BBC oder CNN will Schlesinger, die der ARD seit Jahresanfang vorsteht, den ARD-Newskanal zwar nicht verglichen haben – zumindest nicht im Moment – aber die Stoßrichtung ist klar: die ARD will das Feld der Nachrichtensender nicht allein den privaten Sendern ntv und Welt überlassen.

ZDF gegen einseitige Einschränkungen

Dem Ereignis- und Informationskanal Phoenix, den ARD und ZDF gemeinsam betreiben, kommt nach ihren Worten die Aufgabe zu, sich um die planbare Aktualität zu kümmern. Beim ZDF führt das, wie nicht anders zu erwarten, zu vernehmbaren Irritationen.

Für den künftigen ZDF-Intendant Norbert Himmler, er übernimmt das Amt am Dienstag, ist das zunächst eine Initiative der ARD. „Irritiert hat uns der damit verbundene Hinweis auf Phoenix.“ Er ergänzt: „Der Auftrag des gemeinsamen Ereignis- und Dokumentationskanals darf nicht einseitig eingeschränkt werden.“ Das habe auch der ZDF-Fernsehrat deutlich klargestellt. Der scheidende Intendant Thomas Bellut hatte im sich im Gremium darüber beschwert, dass ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger und NDR-Intendant Joachim Knuth den Auftrag von Phoenix neu interpretiert hätten, ohne dass das ZDF zuvor eingezogen worden sei. Dass Phoenix als „das komplementäre Angebot“ bezeichnet wurde, „können wir natürlich nicht akzeptieren“, sagte Bellut. Er halte solche Definitionen auch für „undurchführbar“.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

Patricia Schlesinger verweist hingegen auf den kontinuierlichen Austausch zwischen ARD und ZDF. Den „gab und gibt es, das gilt auch für den Plan der ARD, das Profil von Tagesschau24 zu schärfen. Dieser Plan hat keinerlei Auswirkungen auf den Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix, den die ARD unter Federführung des WDR gemeinsam mit dem ZDF betreibt.“ Der Auftrag von Phoenix bleibe unangetastet, das gelte auch für dessen Etat.

Belluts Nachfolger Norbert Himmler sagte auf die Frage, ob das ZDF als Reaktion auf Tagesschau24 nun selbst einen eigenen Nachrichten-Kanal aufbauen wolle: „Wir sind im Bereich News gut aufgestellt.“ Man decke ein breites Spektrum ab: Mit der „heute“-Familie, den Online-Nachrichten, der heute-App, mit Breaking-News und ZDF-Spezials bis hin zum Dokumentationskanal ZDFinfo.

Möglicherweise müssen sich Schlesinger und Himmler nur noch auf eine Videokonferenz-App verständigen, um die offenen Fragen zu klären.

Zur Startseite