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Novellierung des RBB-Staatsvertrages verschoben: 1:0 für Ukw

Werden wir Radio Eins bald nur übers Internet hören? Darüber, mithin den neuen RBB-Staatsvertrag, wird wohl erst im Frühjahr 2022 entschieden. Eine Niederlage auch für die Intendantin.

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Gute Nachrichten für eher konservative Radiohörer mit Vorliebe für Ukw-Empfang, schlechte für die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger: Die Länder Berlin und Brandenburg haben die seit Monaten debattierte Überarbeitung des Staatsvertrags für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) verschoben. Und damit vorerst auch die Option, die Schlesinger vehement vertritt: mehr Flexibilität bei der Verbreitung der Radiosender.

Die Intendantin hatte zuletzt immer wieder darauf hingewiesen, dass es in sieben, zehn Jahren kein Ukw mehr geben werde. Also: Verstärkt ab ins Internet, dorthin, wo vor allem auch jüngere Zielgruppen unterwegs sind.

"Ein Desaster" für die Intendantie benennt Stefan Förster (FDP), Mitglied des Medienausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, die Verschiebung. Dort, im Ausschuss, hatte die Intendantin die Ukw-Abschaltung von Radioprogrammen in den nächsten Jahren zwar ausgeschlossen. Sie rechne aber damit, dass man „in sieben bis zehn Jahren“ ernsthaft darüber nachdenke. „Ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Wir sind so erfolgreich im Moment auf den Ukw-Wellen, dass es tatsächlich unternehmerisch, aber auch unserem Auftrag nicht entsprechend wäre“, dort etwas aufzugeben.

Klingt kompromissbereit, aber zu einem Kompromiss in dieser wichtigen Hinsicht (problematisch sind auch die Themen Freienvertretung im RBB und Struktur der Gremien) ist es bei der Abstimmung des RBB-Staatsvertrages in den Ausschüssen der beiden Länder nicht gekommen. Wie zu hören ist, war Brandenburg diesbezüglich mehr auf Seiten der Intendantin, die Berliner hatten deutliche Vorbehalte. Was vor allem auch deswegen merkwürdig ist, weil eine Versorgung der Brandenburger mit dem Internet flächendeckend viel schwieriger ist als in Berlin. Auch im RBB-Haus selbst wird Schlesingers Ansinnen unter den Mitarbeitern sehr skeptisch gesehen.

Der RBB-Staatsvertrag bekommt eine neue Chance wohl erst weit nach den Berlin-Wahlen

Zur Erinnerung: Es geht nicht um Inhalte. Für die jeweiligen ARD-Anstalten gibt es eigene Staatsverträge, die Struktur und Auftrag des öffentlichen Rundfunks umfassen. Es geht zum Beispiel um die Zusammensetzung von Gremien. Oder etwa darum, wie viele Radioprogramme eine ARD-Anstalt betreibt. Beide Parlamente in Berlin und Brandenburg müssen einem Vertrag zustimmen.

Zuletzt hatte sich die öffentliche Debatte unter anderem von Gewerkschaften vor allem um das Thema Radio und Internet gedreht. Es war die Frage in den Raum gestellt worden, ob mit einer Flexibilisierung des Auftrags am Ende Radioprogramm ausschließlich ins Netz abwandern könnte. Und damit vielleicht ein Teil der Bevölkerung vom Empfang abgeschnitten.

Darüber wird nun voraussichtlich erst im Frühjahr 2022 entschieden. Der RBB-Staatsvertrag bekommt eine neue Chance weit nach den Berlin-Wahlen am 26. September, den damit verbundenen Koalitionsverhandlungen und Verträgen in Sachen Medienpolitik sowie Neubesetzungen der Medienausschüsse. Für Kompromisse und Ergebnisse dort, hofft Stefan Förster, dürfte sich auch die RBB-Intendantin neu vorbereiten und aufstellen, nicht zu vergessen dabei das Thema DAB+.

Vielleicht kommt es doch noch schneller zu einer Entscheidung. Der RBB-Staatsvertrag müsse noch vor den Berliner Wahlen im September novelliert werden, fordern DJV Berlin-JVBB und ver.di. "Wir fordern den Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung auf, das ursprünglich für diesen Mai geplante Vorhaben doch noch umzusetzen." Der dringende Reformbedarf des RBB müsse Priorität haben! Misslungenes politisches Taktieren darf nicht zu Lasten des Rundfunks gehen.

Verheerendes Signal an die freien MitarbeiterInnen

Politischer Kernstück der Reformen sei die Einbeziehung der 1500 arbeitnehmerähnlichen festen Freien in den Personalrat. "Die Freien sorgen zwar für das RBB-Programm, werden aber bisher von der betrieblichen Mitbestimmung praktisch ausgeschlossen. Schon lange besteht in den Parlamenten der beiden Länder parteiübergreifende Einigkeit, dass diese Lücke endlich geschlossen wird."

Die angekündigte Verschiebung auf unbestimmte Zeit sei ein verheerendes Signal an die freien Mitarbeiter:innen, die in Zeiten großer Verunsicherung und unter erheblichem öffentlichen Druck die Kernaufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllen. Dass „Freie in den Personalrat“ kommen sollen, darüber bestünde politisch längst Einigkeit.

Der Zankapfel der Koalition, so der DJV weiter, sei vielmehr der richtige Umgang mit digitalen Programmangeboten und der Möglichkeit des RBB, bestehende analoge Radioprogramme eines Tages durch digitale ersetzen zu können. "Eine wichtige Debatte, die ganz offensichtlich politisch nicht entscheidungsreif ist. Sie ist aber entscheidend für den langfristigen Erfolg des RBB und sollte mit Sorgfalt geführt werden." Diesen Streitpunkt aus der aktuellen Novelle auszuklammern, könne dem RBB nur nutzen, nicht schaden.

Man appelliere an beide Landesregierungen und die Koalitionen, den Streit konstruktiv zu lösen und den RBB-Staatsvertrag noch in diesem Sommer zu novellieren.

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