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"No Body Is Perfect" mit Daniel Schneider; Silvana Denker;Paula Lambert, Sandra Wurster.

© dpa

„No Body is perfect“ auf Sat.1: Bescheuerte Spanner-Idee? Ganz im Gegenteil!

Danke, dass es die Privaten gibt! Warum das „Nacktexperiment“ auf Sat.1 geradezu ein heroischer Akt ist.

Drei Menschen, die mit ihren Körpern unglücklich sind, fahren nach Griechenland und werden dort von vier übergewichtigen Nackten dazu verführt, etwas gnädiger auf sich selbst zu blicken. Was erstmal klingt, wie eine komplett bescheuerte Spanner-Idee, erwies sich als ziemlich geglückt. 

Warum ich das finde? Weil die Sendung „No Body is perfect“ (Montagabend auf Sat.1) glasklar gezeigt hat, wie unfassbar gnadenlos der normative Druck der Gesellschaft auf Einzelne wirken kann. Und wie vor allem jüngere Menschen darunter leiden.

Die 19-Jährige unter den Teilnehmern wurde über die vier Tage, in denen sie von den Cellulitedellen und Speckrollen der unperfekten, aber zufriedenen Moderatoren wie Paula Lambert umgeben war, etwas lockerer mit sich selbst, weinte aber bis zum Schluss viel und hasste den Blick auf sich. 

Das ist schrecklich für die junge Frau - und noch schlimmer: Es ist unfassbar überflüssig. Warum leiden Menschen, die dick sind, obwohl sie ansonsten nett und freundlich sind? Weil sie allein wegen ihrer äußeren Form ausgegrenzt und abgewertet werden von etwas, was sich Mainstream oder ähnlich nennt. 

"No Body is perfect" ist bei den Zuschauern ein Erfolg

In einer Schlussszene sagte der einzige teilnehmende Mann, dass er sich, obwohl er nicht normal sei, nach dem Ausflug nach Griechenland besser fühle, worauf ihm die Moderatoren entgegenriefen: „Du bist normal!“

Der Mann mochte sich nicht, weil seine Haut nach mehreren Krebstherapien teils großflächig vernarbt ist.

Zum Auftakt hat das aus Quotensicht gut funktioniert: 1,77 Millionen Menschen sahen sich das Format am Montag zur besten Sendezeit an, 840.000 aus der werberelevanten Zielgruppe. Bei den 14- bis 49-Jährigen kam das Format auf Anhieb auf 9,5 Prozent und lag damit deutlich über dem Senderschnitt.

Sat.1 und ProSieben: Fast ein heroischer Akt

Der Mainstream oder was auch immer kann sich durch Abwertung der Anderen besser fühlen und gründet so sein Glück auf dem Unglück der Ausgegrenzten. Ist das nicht armselig? Der Mainstream, das ist doch schon die Mehrheit. Das könnte doch reichen, um sich sicher zu fühlen. Er könnte stark und groß, wie er ist, alle umarmen. Das tut er aber nicht. Woher diese Unsicherheit im Mainstream? 

Vor ein paar Wochen hat ProSieben eine Dragqueen-Show mit Heidi Klum, sonst Model-Mama, gezeigt. In einer Folge konnten die Dragqueens sich direkt ans Fernsehpublikum wenden und sagen, was sie schon immer mal sagen wollten.

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Was da an Schmerz zum Ausdruck kam, an Angst und Verzagtheit, nur deshalb, weil sie nicht so leben wie die Mehrheit, und weil die Mehrheit darauf abwertend und sogar zuweilen aggressiv reagiert, war sehr bestürzend.

So brutal wirkt das Ausgrenzen und Abwerten

Fast alle haben vor der Kamera unter Tränen darauf verwiesen, dass sie auch Menschen sind. Man muss sich das vorstellen. So brutal wirkt das Ausgrenzen und Abwerten.

Dieses Ausgrenzen und Abwerten ist die Tellermine der Jedermanns und Jederfraus. Schnell ausgelegt und sehr zerstörerisch in der Wirkung. Wie unsympathisch ist das, wie rücksichtslos und anmaßend? 

Um das noch mal klar zu machen, zur Primetime im Fernsehen, waren beide Shows - die Nackten von Sat.1 und die Drags von ProSieben - sehr gut, sehr lehrreich.

War es mutig, sie zu senden? Wahrscheinlich wurde auf den Spanner-Effekt gezielt und kühl gerechnet. Aber vor der Folie dessen, wie sich gerade der öffentlich-rechtliche WDR in der Causa Umweltsau-Oma hat klein machen lassen, wirkt das Ausstrahlen geradezu heroisch.

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