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Alliierten-Kameramann Mike Lewis dreht im April 1945 im KZ Bergen-Belsen.

© MDR/IWM Film

"Night Will Fall": Ein Lehrfilm für die Nazi-Deutschen

"German Concentration Camps Factual Survey": Der Beitrag von Alfred Hitchcock am schockierenden Holocaust-Film der Alliierten.

Diese Bilder sind nur schwer auszuhalten. Bilder, die in André Singers Dokumentarfilm „Night Will Fall“ immer wieder zwischen neu geführte Interviews mit Zeitzeugen – Holocaust-Überlebenden, Soldaten, Kameramännern, Cuttern – montiert sind. „German Concentration Camps Factual Survey“, „Tatsachenbericht über die deutschen Konzentrationslager“ ist das Filmdokument betitelt, das ausschließlich aus originärem Material von 1945 kompiliert ist. Und groß gedacht war. Sidney Bernstein, britischer Filmproduzent und Berater des Informationsministeriums, fragte seinen Freund, den Master-of-Suspense-Regisseur Alfred Hitchcock im Frühjahr ’45, ob er aus Hollywood nach London kommen und ihm bei der Fertigstellung eines schwierigen Projekts helfen könne, da sagte Hitchcock sofort zu.

Die Alliierten ließen Anfang 1945 von ihren Kamerateams sogenannte „atrocity pictures“ in den KZs drehen. Sidney Bernstein erzählt: „Ich gab die Anweisung, alles zu filmen, was eines Tages beweisen würde, dass dies wirklich geschehen war. Es sollte eine Lehre für die Menschheit werden, und auch für die Deutschen. Für sie machten wir den Film.“

Alfred Hitchcock hatte zu diesem Zeitpunkt die beiden halbstündigen Propaganda- und Anti-Kriegs-Filme „Aventure Malgache“ und „Bon Voyage“ 1944 gedreht. „Ich war überzeugt, dass dieser brillante Mann Ideen haben würde, wie wir den Film vollenden können. Und die hatte er“, sagte Sidney Bernstein in einem 1985 geführten TV-Interview. 1945 drehte Hitchcock noch seinen Film „Notorious“ („Berüchtigt“) mit Ingrid Bergman und Cary Grant ab, doch sobald es ihm möglich war, reiste er in seine alte Heimat.

„Ich habe Amerika verlassen, um in England meinen Beitrag zum Krieg zu leisten. Militärdienst stand außer Frage – ich war zu alt und zu übergewichtig, damals“, sagte Hitchcock. Was den Regisseur im Londoner Studio erwartet, ist blanker Horror. Es heißt, dass Alfred Hitchcock, der teils den Schnitt und die grafische Gestaltung gezeichneter Landkarten mitkonzipiert, bei der Sichtung des Materials zwischendurch schlecht geworden sein soll.

Tatsächlich wurde die Produktion von „German Concentration Camps Factual Survey“ gestoppt. Dokumentarist André Singer nennt im Arte-Programmheft als Grund: „Den Briten war wichtig, dass die Deutschen in ihrer Besatzungszone beim Wiederaufbau halfen. Anstatt ihnen einen Film zu zeigen, der sich mit ihrer Schuld auseinandersetzte, wollten sie ihnen Mut machen.“ Deswegen sei der Film in den Archiven verschwunden. Thilo Wydra

„Night Will Fall“, ARD, Montag, um 23 Uhr 30

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