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Neues Deutschland: Aufbau Ost

Ein Relaunch und ein neuer Geschäftsführer sollen das „Neue Deutschland“ retten.

Von Matthias Meisner

Überalterte Leserschaft, sinkende Auflagezahlen, fast keine Abonnenten im Westen – seit Jahren schon gibt es über das „Neue Deutschland“ keine Erfolgsgeschichten mehr zu erzählen. Die Auflage des einstigen SED-Zentralorgans lag zu DDR-Zeiten bei rund einer Million. Nach der Wende sank das Interesse an dem heute in der Hand der PDS befindlichen Blatt rapide. Verkauft werden nun täglich noch knapp 52 000 Zeitungen, auch diese Zahl geht beständig zurück. Zuletzt schlug die Krise der PDS auf das 1946 gegründete Blatt zurück – mit dem sinkenden Interesse an der PDS nahm auch das Interesse an der ihr nahe stehenden „sozialistischen Tageszeitung“ ab.

Da sieht es nach einem letzten Aufbegehren aus, wenn das „Neue Deutschland“ jetzt neue Seiten aufziehen will. Ein Relaunch ist angekündigt, seit einem Jahr haben Verlag und Redaktion daran gearbeitet. Pünktlich zum 1. Mai, dem einstigen Kampftag der Arbeiterklasse, soll es losgehen: Neue Inhalte, neue Schrift, und einen neuen Geschäftsführer bekommt die Zeitung mit ihren täglich meist 20 Seiten auch gleich noch. Dietmar Bartsch, schon vor der Wende Kaufmann bei der „Jungen Welt“, nach der Wende deren Geschäftsführer und später jahrelang Parteimanager der PDS, soll nun das „Neue Deutschland“ aus den roten Zahlen bringen.

Leicht wird das nicht. Bevor Jürgen Reents, seit fünf Jahren Chefredakteur der Zeitung, über das Konzept zur Rettung des Blattes redet, holt er erst einmal aus, um die Probleme zu benennen. „Eine unserer Sorgen ist, dass unsere Leser durchschnittlich 64, 65 Jahre alt sind“, sagt er. Übersetzt heißt das: Die Leser sterben weg. Zum Thema Anzeigenrückgang, der viele Zeitungen plagt, sagt der Chefredakteur, dieses Problem stelle sich nicht, „weil wir sowieso fast keine Anzeigen haben“. Die Zeitung sitzt in einem ehemaligen Kraftwerksgebäude am Berliner Osthafen. Auf dem Couchtisch im Büro von Reents steht eine Vase mit verblühten Forsythienzweigen.

Der Chefredakteur selbst ist 54, der Altersschnitt der 50 Beschäftigten in der Redaktion ist kaum niedriger. Reents rauft sich die grauen Haare, hochfliegende Träume hat er schon eine Weile nicht mehr. „Gezielt auf 40- bis 60-Jährige“ zielten die Veränderungen, heißt es im Konzept für den neuen Auftritt. Reents rauft sich die grauen Haare und gibt zu, dass er sich in der Altersgruppe unter 40 praktisch keine Hoffnung macht, neue Leser zu gewinnen. Auch in Westdeutschland ist wohl nichts mehr zu holen, rund 4000 Abonnenten gibt es dort und, wie Reents sagt, „zu starke Vorbehalte“ gegen „die alte SED-Zeitung“ . Reents kommt selbst aus dem Westen, von 1983 bis 1985 war er mal Grünen-Bundestagsabgeordneter, später arbeitete er bei der PDS für Gregor Gysi. Von dort kam er zum „ND“.

„Die Zeiten äNDern sich“, bewirbt die Zeitung seit ein paar Wochen ihren neuen Auftritt. 200 Großplakate wurden geklebt, nur im Osten Berlins. Sogar ein Gewinnspiel durfte die Zeitung ausloben, eine Reise „auf der schönen blauen Donau“ soll locken. Verglichen mit dem Werbeeinsatz anderer überregionaler Zeitungen ist das alles lächerlich wenig, Reents ist dennoch ein wenig stolz.

Wichtig ist den Machern des Blattes viel, was gerade auch der PDS wichtig ist: Sie wollen an die Gewerkschaften ran, an die Friedensinitiativen, an Globalisierungskritiker. „Der linken Bewegung Gesicht geben“, nennt der Chefredakteur das. Einmal jede Woche soll es Seiten für die Gewerkschaften und die außerparlamentarische Bewegung geben, Akteure sollen dort auch selbst schreiben. Zusätzlich wird eine Europaseite pro Woche eingeführt. Neu werden auch ein Tagesthema auf Seite 2 und eine richtige „Dritte Seite“ mit Reportagen und großen Interviews sein, vieles also, was andere schon machen. „Das sind ja nicht in dem Sinne revolutionäre Ideen“, erklärt Reents freimütig. „Man kann die Zeitung nicht neu erfinden.“ Und weiter bleibt die Zeitung schwarz-weiß, eine zusätzliche Farbe war zu teuer.

Immerhin beriet der Designer Erik Spiekermann die Zeitung ein paar Mal vor der Umgestaltung. Nach seinem Vorschlag werden die Überschriften jetzt in „FF Unit“ ausgezeichnet, „sympathisch“ soll das Blatt so werden. Spiekermann hat schon für die BVG und den Flughafen Düsseldorf gearbeitet, er lebt außer in Berlin auch noch in London und San Francisco. Dem „ND“-Leser soll dies womöglich Weltläufigkeit vermitteln. Und vielleicht muss der neue Auftritt der Zeitung auch die Redakteure etwas anstacheln und darüber hinwegtrösten, dass sie nur 60 bis 70 Prozent der Tarifgehälter bekommen. „Ich kann ja nicht sagen: Ab morgen sind wir bissiger“, sagt Reents.

Als die PDS vergangene Woche bekannt gab, dass Bartsch Geschäftsführer werden soll, war die Redaktion überrascht. Viele sahen darin ein gutes Signal. „Erfolgsorientiert“ sei der Ex-Bundesgeschäftsführer der PDS, hieß es. Es gab dann aber doch erst mal Krach. Der langjährige Vorgänger Wolfgang Spickermann wehrt sich gegen seine geplante Absetzung, sein Ausscheiden sei „noch ungewiss“. Bartsch selbst nennt es „ein Ereignis, dass die Zeitung existiert im Blätterwald“. Und dass er ja schon bei der PDS nicht gerade die leichtesten Aufgaben gehabt habe. Vor der Belegschaft betonte er, ein Zurück zur Parteizeitung werden es unter seiner Verantwortung nicht geben. Er komme „als neuer Geschäftsführer des ,ND’ und nicht als ehemaliger Geschäftsführer der PDS“. Auch Reents meint, als Parteizeitung wäre das Blatt „nicht lebensfähig“. Beide betonen das offenbar so deutlich, weil auch 14 Jahre nach der Wende diese Assoziation noch fast automatisch kommt.

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