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"Kim Jong-Un looking at things", diese Website gehört zu den absoluten Internet-Hits

© picture alliance / dpa

Neues aus Nordkorea? Her damit!: Willkommen im Klub von Kim Jong Un

Nordkorea und sein Diktator Kim Jong Un faszinieren die westliche Welt. Die Korrespondenten in Südkorea leben davon.

Malte Kollenberg wirkt auf den ersten Blick wie ein typischer Kriegsreporter, er läuft oft mit Lederjacke und Kapuzenpulli durch südkoreanische Hochhausschluchten, gerade jetzt im Herbst, er fährt selten Bus, meist Motorrad und antwortet gern zuerst mit einem Abwinken: „Ach, das gab’s hier in Asien schon vor Jahren.“ Sein spanischer Kollege Atahualpa Amerise sitzt im selben Großraumbüro im Foreign Press Center, im Zentrum von Seoul, und kleidet sich eher wie ein Anwalt. Weißes Hemd, dunkles Sakko, oberer Knopf lässig geöffnet. Beide arbeiten als Reporter in einem Staat, der mit seinem einzigen Festland-Nachbarn Nordkorea offiziell noch immer im Krieg ist. Der Norden ist an der dichtesten Stelle nur 35 Kilometer entfernt, die gefährlichste Grenze der Welt, wie es heißt. Sie liefert auch den wichtigsten Rohstoff für Reporter, weil sich trotz der Riesenmetropole mit 22 Millionen Einwohnern und noch mehr Technik-Superlativen vor dem Hochhausfenster eben die meisten ihrer Auftraggeber für Nordkorea interessieren.

Vor fast fünf Jahren ist Malte Kollenberg hergezogen, Amerise vor sechs Jahren. Beide haben schnell gelernt, dass diese Faszination der westlichen Welt für den Norden ihre Einnahmequelle sein kann. Der absurde Führerkult, die abgeschottete Grenze, und dann wurde das Land durch den früheren US-Präsidenten George W. Bush auf die Achse des Bösen gesetzt. Zudem ist Nordkorea eine Atommacht.

Jede Meldung aus diesem Land ist schon deshalb von weltpolitischer Bedeutung – zumal in Deutschland noch die Gemeinsame Teilungsgeschichte hinzukommt. „Ich habe aber schnell gelernt“, sagt Kollenberg, „dass viele Medien in Deutschland vor allem ihr Bild bestätigt haben wollen: der böse, absurde Staat und ein Bekloppter mit der Bombe an der Spitze.“ Dabei sei er nicht wegen Nordkorea nach Seoul gekommen oder geblieben, er hoffe auch nicht mehr in naher Zukunft auf eine Wiedervereinigung der beiden Länder, auch wenn das wohl die Story seines Lebens wäre. „Gerade als Deutsche müssen wir doch gelernt haben, das wird nicht planbar sein.“ Kollenberg findet zudem selbst den Status quo in Südkorea berichtenswert.

Genau wie Amerise würde auch er sich zunehmend auf die Firmen Samsung, LG und Hyundai konzentrieren, die Märkte und die Technik analysieren, die in Südkorea wirklich anders benutzt wird – aber dann kommt ein neues lustiges Bild von Kim oder eine Drohung aus Nordkorea und er muss darüber berichten. Am sichtbarsten wurde die schwierige Situation von Korrespondenten während jener 40 Tage, in denen Kim Jong Un aus der Öffentlichkeit abgetaucht war. Die Meldungen überschlugen sich, ein Putsch wurde vermutet, die Schwester als Nachfolgerin gehandelt und sogar über seinen Tod wurde offen spekuliert. Auf Twitter war Kim Jong Un tagelang Trendthema Nummer eins. „Kam Jong Um?“

Doch dieser Umgang mit Nordkorea wirkt sich auch auf Berichte über Südkorea aus. Der deutsche Wissenschaftler Daniel Jong Schwekendiek hat die weltweite Berichterstattung der letzten 60 Jahre über Nord- und Südkorea untersucht. „Von den Lesern in 24 Ländern, die wir untersucht haben“, sagt er, „unterschieden rund ein Drittel nicht zwischen Nord und Süd.“ Das führe dazu, dass selbst Unternehmen wie Samsung nicht mit ihrer koreanischen Herkunft werben, um Irritationen oder die Nachfrage zur schwierigen Geschichte zu vermeiden. „Es ist schon auffällig, dass die koreanische Mode mit der italienischen verglichen, die Technik weltweit nachgefragt wird “, sagt Schwekendiek, „aber Südkorea trotzdem beim Länderranking ungefähr auf der Höhe von Thailand rangiert.“ Daran haben Olympia, Fußball-WM und gerade in diesem Jahr die Asia-Games wenig ändern können. Einer positiven Meldung aus den Koreas stünden immer zwischen drei und fünf negative Meldungen gegenüber. „Vor allem in den letzten fünf Jahren sind diese Meldungen über Nordkorea wieder mehr geworden.“

Die schwierige Quellenlage fördert den Buzzfeed-Journalismus

Als der freie Journalist Malte Kollenberg in dieser Zeit aus Deutschland nach Seoul zog, war er neben dem dpa-Kollegen der einzige deutsche Journalist im Land. Die großen TV-Anstalten leisten sich nur in Peking oder Tokio eine Stelle. Inzwischen sind es vier deutsche Kollegen und Reporter aus den USA, Großbritannien, Spanien, Niederlanden, Frankreich und China. Sie alle treffen sich im Foreign Press Center, im zehnten Stock des Koreanischen Presse-Hauses. Die koreanische Regierung hat es eröffnet – um Journalisten das Arbeiten im Land attraktiv zu machen. Es gibt kostenloses Internet, mehrere Arbeitsräume, Kaffee, Tee, Wasser. Für Schwekendiek ist diese Einrichtung ein Schritt zu einer offensiveren Pressearbeit des Südens. Kontrollieren wolle man die Arbeit der Journalisten nicht, dann würde wohl niemand mehr hier arbeiten wollen.

Und doch wenn es nach den Redaktionen in Deutschland ginge, so Malte Kollenberg, würde er eher zu einem Buzzfeed-Journalismus neigen müssen. „Gerade diese Woche gab es doch wieder einen Artikel in Deutschland ‚Sieben Gründe, Kim zu lieben.“ Das sei nicht die Art, wie er über die Region berichten wolle. Er arbeitet inzwischen meist für koreanische oder US-amerikanische Auftraggeber.

Der Spanier Atahualpa Amerise findet an der Arbeit hier schwierig, glaubwürdige Quellen zu finden. „Über den Norden läßt sich schnell viel behaupten“, sagt er, „aber ob das zuverlässig ist, muss man selbst entscheiden.“ Sogar die besten Nord-Analysten haben schon falsch gelegen. „Der Norden bleibt auf jeden Fall immer überraschend.“ Und das ist vielleicht der letzte Grund, warum sich die Welt weiterhin dafür interessiert. Es ist der letzte Staat, der wirklich unberechenbar ist, trotz seiner langsamen Öffnung ein schwarzes Loch.

Wie nah der Norden wirklich ist, erfährt man, wenn man die beiden Korrespondenten auf ihre Reisen nach Nordkorea anspricht. Ihr Blick verändert sich, weil sie an all die Erlebnisse in kurzer Abfolge denken, die vielleicht doch der Grund sind, warum sie hier im Süden sind: Sie sind näher dran. Malte Kollenberg lächelt dann sein Kriegsreporterlächeln und winkt ab: Es sei schon sein zweites Mal gewesen, allerdings dieses Mal eine „private“ Reise, er hat Freunde besucht, lange Geschichte. Und Amerise? Er ist vor acht Wochen von seiner ersten Reise wiedergekommen. Fünf Tage. Sieben Artikel.

In einem seiner Texte steht: Er sei nachts von einem Riesenlärm aufgewacht. Er öffnete das Hotelfenster und konnte eine riesige beleuchtete Baustelle sehen. Von dort kam ohrenbetäubende koreanische Volksmusik. Das kannte er nicht vom Süden, dabei liegt der nur rund 100 Kilometer entfernt.

Sören Kittel, Seoul

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