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 Anna Schneider (Milena Tscharntke) ist auf offener Straße tot zusammengebrochen, das untersuchen Leo Winkler (Cornelia Gröschel, l) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) in einer Szene des «Tatort: Unsichtbar».

© dpa

Neuer MDR-„Tatort“: Zurück ins Gestern

Im neuen „Tatort“ aus Dresden holt Kommissarin Gorniak die eigene Biographie ein.

Als Anna Schneider auf dem Weg zu ihrem Café in Dresden ist, ein neuer Tag ist angebrochen, da wirkt alles wie immer. Doch etwas stimmt mit der Endzwanzigerin nicht: sie ist nervös und angespannt, wirkt labil. Hinter der Tür des Cafés liegt eine tote Ratte. Bedrohung liegt in der Luft.

Die Telefone klingeln, Anna Schneider will nicht rangehen, sie weiß schon, der Stalker ist wieder dran. Dann, plötzlich, rennt sie hysterisch schreiend auf die Straße, dreht sich und bricht zusammen. Später wird man feststellen, dass Anna Schneider an einem plötzlichen Herzstillstand gestorben ist. Eine Vergiftung kann Rechtsmediziner Jonathan Himpe (Ron Helbig) ausschließen, es ist schlicht nichts nachweisbar. Doch für die Kommissarinnen Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler (Cornelia Gröschel) war dies kein natürlicher Tod, sondern Mord.

„Unsichtbar“ heißt der zwölfte „Tatort“ aus Dresden, es ist der sechste Fall mit Leonie Winkler im Team. Die Dresdner „Tatorte“ zeichnet stets eine Klarheit aus, eine konzise, oftmals nüchterne Narration, kantig, kühl, und bei alledem sehr eigen. Dresden zählt mit den Ermittlerinnen Karin Gorniak und Leonie Winkler – ergänzt von Martin Brambach als schrulligem Vorgesetzten Schnabel – zum Besten, was das „Tatort“-Format derzeit zu bieten hat. „Unsichtbar“ – von Sebastian Marka nach einem Drehbuch von Michael Comtesse in Szene gesetzt – ist in seiner Erzählung höchst komplex: parallel zum Fall rückt Kommissarin Gorniak mit in den Fokus, über sie wird diesmal mehr erzählt als über ihre Kollegin Winkler. Auch bei Gorniak setzen urplötzlich Schmerzattacken ein, die jenen Symptomen gleichen, die bei Anna Schneider zu sehen waren. Mal ist Gorniaks Hand taub, mal stürzt sie plötzlich, weil ihr die Beine wegsacken. Zunächst behält sie das für sich. Auch von der Untersuchung beim Amtsarzt erzählt sie niemandem. Kein Befund. Die Symptome bleiben. Doch wo ist die Verbindung zwischen Gorniak und der jungen Café-Betreiberin?

Rauchen, trinken, schlucken Tabletten

„Unsichtbar“ führt zunächst auf falsche Fährten, auf die eines vermeintlichen Stalkers, eines unbekannten Fremden, den es zu finden gilt. Doch dieser Fremde existiert nicht. Die Verbindung, die es hier aufzufinden gilt, reicht lange zurück, führt tief in Karin Gorniaks Vergangenheit, als sie noch sehr jung war und eine Karriere bei der Polizei erst noch vor sich hatte.

Regie und Drehbuch lassen sich Zeit, bis sie schließlich die Person ins Bild rücken, die nun auch Gorniak peinigt. Es ist auch ein visueller Gang zurück ins Gestern – immer wieder erreichen Gorniak auf USB-Sticks gespeicherte kleine Filmchen, vor etwa zwanzig Jahren aufgenommen, die sie auf einer großen Party zeigen. Darauf sind sie alle jung, rauchen, trinken, schlucken Tabletten, und nicht alle sind gut im diffusen Halbdunkel zu erkennen.

Irgendwann wird Gorniak klar: die Person, die im Moment mehrere Menschen bedroht – so auch Anna Schneiders Ex-Freund Nils Klotsche (Christian Friedel), der in einem medizinischen Labor an der Entwicklung von Nanobots in der Krebsforschung arbeitet –, muss auf diesen Filmchen zu sehen sein. Zugleich rückt das Labor in den Fokus: wurden hier Moleküle dergestalt manipuliert, dass sie als toxisches Mittel eingesetzt werden könnten? Gorniak, so viel steht fest, schwebt in höchster Lebensgefahr. „Unsichtbar“ erzählt auch davon, dass die biographische Vergangenheit stets auch in die Gegenwart einwirken kann, ohne dass man sich dessen zunächst bewusst ist. Dass Kommissarin Karin Gorniak vor vielen Jahren einmal einem Menschen in dessen subjektiver Wahrnehmung großes Unrecht tat, dieser Mensch durch das zehrende Gefühl des Ungeliebtseins letztlich auf Rache schwört, das ist der Kern dieser dunklen Geschichte. Es kostet die engagierten Dresdner Kommissarinnen kathartische Kraft, dorthin vorzustoßen.

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